Peter Doherty - Felt better alive

Strap Originals / Membran
VÖ: 16.05.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der mittelalte Mann und das Meer
Spät auf Peter Dohertys drittem Soloalbum, im angejazzten "Prêtre de la mer", hören wir einen Mann Französisch sprechen, während hinter ihm das Meer rauscht. Es ist der lokale Priester aus einem Dorf in der Normandie, Dohertys Wahlheimat, was sinnbildlich für seine neue private und künstlerische Verankerung steht. Seitdem der leidenschaftliche Hutträger in sein Sehnsuchtsland Frankreich gezogen ist, hat er seine Geschichte umgeschrieben, ohne die Vergangenheit auszuradieren. Aufgrund von Diabetes und anderen Sucht-Nachwirkungen zwar nicht ganz gesund, aber glücklich mit Frau und Kind fand er neue Kreativpartner*innen, hält aber sowohl die Libertines als auch die Babyshambles weiterhin am Leben. "Felt better alive" verknüpft auch ohne Beitrag von Frédéric Lo die Eleganz eines "The fantasy life of poetry & crime" mit dem schnodderigen Drive von Dohertys Bandprojekten und findet aus der Außenseiterperspektive heraus einen frischen Zugang zu britischen und amerikanischen Folk-Traditionen.
"There's an old cart horse with a wiry mane / Pulls a cart along a country lane", beginnt das Storytelling des Openers "Calvados", zunächst nur von Akustikgitarre begleitet. Drums und Streicher formen den Song zu einem sattelfesten Folk-Rocker, während Doherty den titelgebenden Obstbrand als "liquid gold" durch ländliche Idylle fließen lässt und ein Mantra für seine neue Selbstzufriedenheit findet: "Slow and steady is the way!" Seine lyrische Scharfzüngigkeit hat er allerdings nicht verloren, wie das orchestral umwehte "Pot of gold" beweist, das sich trotz seiner Anmutung als Schlaflied für die Tochter den Musikindustrie-Zynismus nicht verkneifen kann: "Hush my darling, no don't you cry / Daddy's trying to write you a lullaby so sweet / And if that lullaby is a hit / Dad can buy you loads of cool shit." Die hier janglenden Stromgitarren laufen in "The day the baron died" – der ursprünglichen Fassung des "All quiet on the Eastern Esplanade"-Tracks "Baron claw" – in ein gezügeltes Stakkato zusammen. Mehr ausfransen dürfen sie im von der Irin Lisa O'Neill unterstützten "Poca Mahoney's", dessen Uptempo-Ausbruch kurz vor Schluss selbst den frühen Libertines-Platten gestanden hätte.
Ebenso überraschend nach vorne geht das stürmische "Stade Océan", in dem Doherty seine Liebe zum Meer mit anglo-französischen Betonungen und Wortspielen besingt: "Be the one who sells the océan / ... / Be the one who sails the océan." Vielleicht bedingt durch die Vaterschaft kommen seine Texte generell besonders verspielt daher, weswegen das beschwipste "Out of tune balloon" nicht mehr auf Victor Hugo, sondern auf die Kinderbuch-Tiere Ducky Lucky und Goosey Loosey verweist, dabei inspirierte Bilder für die künstlerische Eigenständigkeit malt: "So I fly out of tune balloons / Across the great corporate sky / I bit the dust off a bust dust gloom broom / And sprung my banjo spring spry." An anderer Stelle versteckt der famose Titeltrack unter Shuffle-Rhythmus und weitflächigen Fiddlen eine Ode ans Songwriting, bevor die Tristesse des nur in der Vorstellung magischen Albion den Eskapismus auflaufen lässt: "I dreamt of gunfights in Toledo, when I opened my eyes / I was in the layby north of Telford, an A-road layby."
Dem Country am deutlichsten neigt sich "Ed Belly" zu, die kleine Geschichte eines Wanderbarden, der längst selbst zu den "anti-heroes, drifters, weirdos, big dreamers from small towns" gehört, von denen er erzählt. Ab diesem Punkt schießt "Felt better alive" fast nur noch Unter-Zwei-Minüter aus der Hüfte, was schade ist – nicht, weil die einzelnen Songs skizzenhaft wirken würden, sondern weil man dem nach wie vor so versiert und stilsicher musizierenden Doherty gern länger als nur eine knappe halbe Stunde lang zugehört hätte. "Troubled souls have a song worth singing", stellt er passend fest – offenbar gilt dies auch für Seelen, die irgendwo an der französischen Atlantikküste mit sich ins Reine gekommen sind.
Highlights
- Calvados
- Stade Océan
- Felt better alive
Tracklist
- Calvados
- Pot of gold
- The day the baron died
- Stade Océan
- Out of tune balloon
- Felt better alive
- Ed Belly
- Poca Mahoney's (feat. Lisa O'Neill)
- Fingee
- Prêtre de la mer
- Empty room
Gesamtspielzeit: 28:37 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Sloppy-Ray Hasselhoff Postings: 2851 Registriert seit 02.12.2019 |
2025-05-21 21:21:39 Uhr
>Ich mag es, mit ihm alt zu werden.<Oh, sehr schön gesagt. |
Denniso Postings: 27 Registriert seit 19.06.2015 |
2025-05-21 21:00:40 Uhr
Wieder mal ein schönes Album. Ich mag es, mit ihm alt zu werden. Klassische 7/10, keine Ausfälle, keine Innovationen, no alarm and no surprises please! |
MickHead Postings: 5575 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-05-16 11:20:11 Uhr
Komplette Playlist bei YouTube:https://www.youtube.com/playlist?list=OLAK5uy_ldE6554FA6eQS1oCHSOZs0IyLTUY46Zzk |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28834 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-05-14 20:33:57 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
MickHead Postings: 5575 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-05-13 22:36:03 Uhr
https://www.musikblog.de/2025/05/peter-doherty-felt-better-alive/ |
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Referenzen
Babyshambles; The Libertines; Peter Doherty & The Puta Madres; Peter Doherty & Frédéric Lo; The Coral; The Waterboys; Shack; Michael Head & The Red Elastic Band; The Beatles; Jarvis Cocker; Damon Albarn; Liam Gallagher; Morrissey; Paul Weller; Noel Gallagher's High Flying Birds; Razorlight; Teenage Fanclub; Travis; Miles Kane; Graham Coxon; Bill Ryder-Jones; Tom McRae; Adam Green; H-Burns; Piers Faccini; Charlie Winston; Jake Bugg; Kevin Morby; Bob Dylan; The Kinks; Fontaines D.C.; Grian Chatten; Jamie T; Dirty Pretty Things; Herman Düne
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