Deradoorian - Ready for Heaven

Fire / Cargo
VÖ: 09.05.2025
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Frau in Flammen
Weil Kollegin Depner bei Angel Deradoorians vorigem Album "Find the sun" auf die Kommentarspalten von Stereogum verwies, führen wir die Tradition gerne fort. "Strong label name / content synergy", schreibt da nämlich jemand passenderweise zu "No no yes yes", einer Single der dritten Solo-Platte der inzwischen bei Fire Records untergekommenen Künstlerin. Zwar erzeugt dieser unterkühlte Groover mit trockenem Bass und schockgefrosteten Flöten bestenfalls Gefrierbrände, doch in Sachen Qualität liefert Deradoorian wieder einmal pures Feuer ab. Was für das ganze Album gilt, auf dem das ehemalige Dirty-Projectors-Mitglied seine Art-Pop-Vision auf der Erblinie von Talking Heads und Co. fortschreibt und stilsicher weiterentwickelt. Mit komplexen Rhythmen, hypnotischer Coolness und konstanter Unvorhersehbarkeit versetzt "Ready for Heaven" in Staunen, erstarrt allerdings nicht in der Kunsthalle, sondern macht über die gesamte Länge hinweg unheimlich viel Spaß.
Dafür sorgt gleich der verhältnismäßig kurze Opener "Storm in my brain", um dessen Beat-Gerüst sich die in Hochspannung versetzten Saiten wie Zitteraale schlingen. "Any other world" leitet den Strom in Synths weiter und setzt dabei wieder viel kinetische Energie frei, während eine Männerstimme zum unbestimmten Abfackeln auffordert. Deradoorian selbst schwebt über den Dingen und zieht den Rest des Tracks im sphärischen Finale per Traktorstrahl zu sich hoch. Wie schon beim Vorgänger übernimmt die Kalifornierin ihre Referenzeinordnung gleich selbst, nennt im Promo-Statement etwa ESG, Silver Apples, Charles Mingus, das Dub-Duo Sly & Robbie und Kraut-Rock als Inspirationen. Damit steckt sie einen angemessen vielfältigen Rahmen für ein psychedelisch treibendes Album ab, das einerseits Aufmerksamkeit einfordert, andererseits aber auch unmittelbar in die Muskulatur strömt. Songs ergehen sich in minutenlanger Repetition, was keineswegs stört oder langweilt, sondern sich irgendwann wie der eigene Herzschlag anfühlt.
Trotz dieses Stoizismus bleibt "Ready for Heaven" nie auf der Stelle stehen. "Digital gravestone" beginnt mit Tribal-Percussion und unheimlichem Hauchen, bevor Drums und Saiteninstrumente einsetzen und Deradoorian eine ihrer fesselndsten Melodien darüber singt. In der zweiten Hälfte stimmt sie einen Schrei an und beschwört damit einen Saxofon-Dämon, der das Stück auf eine neue Bewusstseinsebene hievt. Das kaum minder grandiose "Golden teachers" verknotet Pianotasten ineinander, versackt kurz in der Stille und bringt beim Wiederaufschwung erneut das freidrehende Blasinstrument mit. Dazwischen walzert sich die Cembalo- und Orgelballade "Set me free" in den Ballsaal und brilliert auch in ungewohnter Langsamkeit. Deradoorian versteht sich selbst mehr als Produzentin denn als Songwriterin, was jedoch nicht heißt, dass ihr die Emotionen abhandenkommen.
Im Schlussdrittel begibt sich "Ready for Heaven" noch auf ein paar besonders unerwartete Pfade. "Purgatory of consciousness" wird als kaum zu fassende Geräuschcollage seinem Titel mehr als gerecht, ehe "Reigning down" in die technoide Space-Disco samt Spoken-Word-Anrufungen abdriftet. Am Ende landet die für den Himmel bereitstehende Platte schließlich doch auf "Hell island", wo aber zum Glück nur das Saxofon leidet und sich alles andere im Groove der Ewigkeit auflöst – passend zur Zeitlosigkeit von Deradoorians Musik, die auch ohne das Wissen beeindrucken würde, dass eine einzelne, komplett alleine arbeitende Person dahintersteht. "It's just a weird thing to do it all by yourself", sagt sie selbst über die kollektiv anmutende Energie, die ihre Songs abgeben, obwohl es keine Mitmusiker*innen zur kreativen Reibung gibt. Es würde nicht überraschen, wenn Angel Deradoorian Kerzen nur mit einem Fingerschnipsen anzünden könnte.
Highlights
- Digital gravestone
- Golden teachers
- Hell island
Tracklist
- Storm in my brain
- Any other world
- No no yes yes
- Digital gravestone
- Set me free
- Golden teachers
- Purgatory of consciousness
- Reigning down
- Hell island
Gesamtspielzeit: 39:56 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Unangemeldeter Postings: 1711 Registriert seit 15.06.2014 |
2025-05-13 13:56:35 Uhr
Das geht mir leider ein bisschen ähnlich. Marvin schreibt noch in seiner (eigentlich tollen) Rezension Deradoorian versteht sich selbst mehr als Produzentin denn als Songwriterin, was jedoch nicht heißt, dass ihr die Emotionen abhandenkommen., für mich ist das aber reine Kopfmusik, berühren tut mich das kaum. Sicher tolle Musik, die mich aber deswegen nicht fesseln kann. |
NeoMath Postings: 2365 Registriert seit 11.03.2021 |
2025-05-13 13:23:45 Uhr
Sollte eigentlich genau meinen Geschmack treffen, aber leider lässt mich das Album ziemlich kalt. Hier und da eine nette Idee, ja, doch das reicht mir nicht, um ins innerliche Jubeln zu kommen. Schade. |
MickHead Postings: 5045 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-05-09 11:15:50 Uhr
Jetzt komplett bei Bandcamp:https://deradoorian.bandcamp.com/album/ready-for-heaven |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28634 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-05-07 21:05:52 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. "Album der Woche"! Meinungen? |
MickHead Postings: 5045 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-04-15 15:57:48 Uhr
Neuer Song "No No Yes Yes"https://youtu.be/aD4rFANemc0?si=ecS52PGtHSOkZkEl |
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Referenzen
Talking Heads; Stereolab; Laetitia Sadier; LoneLady; Jane Weaver; Joan As Police Woman; Nadine Shah; Vanishing Twin; Julia Holter; Cate Le Bon; St. Vincent; Jenny Hval; U.S. Girls; Lucrecia Dalt; Circuit Des Yeux; Gazelle Twin; Zola Jesus; Warpaint; Loma; Tune-Yards; ESG; Silver Apples; Gang Gang Dance; Dirty Projectors; Suuns; Animal Collective; Youth Lagoon; Blue Hawaii; Dirty Beaches; Nice Biscuit; Can; Lizzy Mercier Descloux; Anika; Charles Mingus; Sly & Robbie
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