Wer Visionen hat ...

Der Promotext zur vergangenen Europa-Tournee legte seinen Fokus auf die Kreativität der beiden Köpfe hinter Friend Of A Friend: Um ein "Visionärsduo" handele es sich bei Claire Molek und Jason Savsani, die ihr gemeinsames Musizieren als "fast übernatürliche Erfahrung" empfänden. Klingt prätentiös – und somit sowohl anders als das 2022 erschienene, akustikgitarrenbetonte Debüt "In arms" als auch anders als der wesentlich elektronischere Nachfolger "Facilities". Führt "Desire!" Molek und Savsani nun also auf überambitionierte, esoterische Pfade, die Musikrealos zum Weghören verleitet? Bereits der Opener "Oasis" gibt mit flottem Akustikgitarrenriff, stilvollen Synthies und Drums Entwarnung. So eingängig und tanzbar waren Friend Of A Friend auf ihren ersten beiden Alben nie. Auch die Lyrics erweisen sich als unprätentiös und machen dem Albumtitel alle Ehre: "We make love on the freeway and you finish on guitar."

Sowohl Uptempo-Songs wie "Anna" als auch atmosphärisch-traurige Tracks wie "Gloria" profitieren vom im Vergleich zu den beiden Vorgängeralben wesentlich griffigeren Songwriting. Ersterer Track begeistert in seinem Finale mit mellotronartigem Sound. "Gloria" hingegen konterkariert Moleks mehr denn je an Beth Gibbons erinnernden, weltentrückt-erotisierenden Klagegesang und ein sanftes Riff mit E-Drumming und echolotartigem Loop. Ein Schelm, wer angesichts des emotionalsten Songs auf "Desire!" glaubt, Portisheads "Third" gehöre zu den Lieblingsalben des US-amerikanischen Duos!

In der zweiten Albumhälfte setzen die Dark-Indiepop-Rocker vor allem auf Atmosphäre – in "Hh 2" etwa durch Schnell-langsam-Kontraste und an arabische Musik angelehnte Phrasierung Moleks. Anlasten kann man dem Album einzig, dass sich die Struktur von Songs wie "Oasis", "FTV" und "Mama" ein wenig zu sehr ähnelt. Hier wie dort trifft ein Gitarrenriff auf ein Synthieloop und melancholischen Gesang, hier wie dort kulminiert alles nach einer Steigerung des Tempos in einem Finale furioso – was immerhin für ein einheitliches, stimmiges Soundbild sorgt.

Durchaus ambitioniert zu Werke gehen Friend Of A Friend im gemächlichen Closer "Maverick". Der ist nämlich – was nicht nur anhand seiner ursprünglichen Betitelung "Top Gun" bewiesen wird, sondern auch durch seine Lyrics – eine musikalisch durchaus eigenwillige Ode an einen Helden des Action-Blockbusters. Synthie-Loop-Übereinanderschichtung meets Achtziger-Jahre-Hollywood: Ganz zum Schluss zeigen Molek und Savsani doch noch ihre visionäre Seite. Die überzeugt durchaus. Am besten gelingen auf "Desire!" jedoch – was angesichts der bedächtigen Vorgängeralben und der Labelumschreibung überrascht – die tanzbaren Uptempo-Songs. Sollte man, wenn man Visionen hat, gemäß einem Bonmot eines ehemaligen Bundeskanzlers zum Arzt gehen? Friend Of A Friend unterbreiten mit Songs wie "Oasis", "Anna" und "Beautiful ppl" einen Gegenvorschlag: Wer Visionen hat, sollte auf den Dancefloor schielen.

(Dennis Rieger)

Bestellen bei Amazon / JPC

Highlights

• Oasis
• Anna
• Gloria

Tracklist

1. Oasis
2. Anna
3. FTV
4. Gloria
5. Mama
6. Beautiful ppl
7. Desire
8. Moonlight
9. Hh 2
10. Maverick

Gesamtspielzeit: 33:40 min.

Album/Rezension im Forum kommentieren

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Referenzen

Portishead; Beth Gibbons; Sneaker Pimps; Weyes Blood; Lykke Li; Archive; Heartworms; Billie Eilish; The xx; London Grammar; TV On The Radio; Martha Skye Murphy; Roya Arab; SYML; Depeche Mode; Dave Gahan; Bat For Lashes; Future Islands; M83; Florence + The Machine; Tricky; Jehnny Beth; Anna Calvi; The Microphones; Labrinth; The Kills; The Raveonettes; Thom Yorke; Lana Del Rey; Sade

Bestellen bei Amazon

Threads im Plattentests.de-Forum

• Friend Of A Friend - Desire! (1 Beiträge / Letzter am 07.05.2025 - 21:03 Uhr)
• Dave Rawlings Machine - Friend of a friend (3 Beiträge / Letzter am 01.12.2011 - 23:53 Uhr)

Anhören bei Spotify