Listen




Banner, 120 x 600, mit Claim


Arcade Fire - Pink elephant

Arcade Fire- Pink elephant

Columbia / Sony
VÖ: 09.05.2025

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Stars ohne Manege

Wer kennt sie nicht: falsche Schlangen. Etwa im Supermarkt, wenn man sich dort anstellt, wo es doch nicht schneller geht, weil ein Analogzahlungs-Mensch seine Geldbörse so lange nach Münzen durchrührt, bis gegenüber alle viel eher fertig sind. Vielleicht stand Win Butler auch in einer solchen, über der das Leuchtschild "Ich kann nichts dafür" blinkte, obwohl er unter einem "Ich hab Mist gebaut" vielleicht besser aufgehoben gewesen wäre. Jetzt also "Year of the snake", eine Schlange der ganz anderen Art. Und der Arcade-Fire-Mann, dessen sexuelle Übergriffigkeit 2022 schon vielen "WE" vergällte, posiert in trauter Zweisamkeit mit Régine Chassagne im Video zu der verschiedentlich als unterwältigend wahrgenommenen Vorabsingle zum siebten Album. Chassagne hat ihrem Ehemann seine Fehltritte offenbar nachgesehen. "Pink elephant" muss sich nicht nur an früheren Meisterwerken messen lassen, sondern steht dennoch auch im Schatten von Butlers Fehlverhalten. Da kann das Cover noch so pink und schön anzusehen sein.

Dass sich der Vorbote wenig spektakulär gibt, könnte nun darauf hindeuten, dass bei "Year of the snake" eher das visuelle Aufpolieren des eigenen Images in den Vordergrund rückte als das Stück selbst. Fest steht hingegen: Im Grunde ist alles da. Chassagnes körperlos einschwebende Vocals. Butlers kehliges Barmen und eine gegen Ende allmählich aufblühende Klimax, wenn auch deutlich weniger opulent hochgezogen als noch auf "Funeral oder "The suburbs". Sowie eine präzise Gitarre, die sich mit zunehmender Spieldauer so verloopt und ansatzweise krautig vorwärts wurmt wie in "2020" oder "Resistance" von den benachbarten Kollegen Suuns, wenn in Montreal mal wieder etwas im Wasser war. Womöglich sehnen sich Arcade Fire in diesem eine "season of change" beschwörenden Song gar zu den Tagen zurück, in denen sie bei Obama-Kundgebungen auftraten – Musik für eine zusehends unwirtliche Realität, die sich dennoch erstaunlich schnell ins Wohlfühlzentrum einschleift und die Elefanten im Raum zielsicher umschifft.

Nach zerlumpten, aber orchestral veredelten Talking Heads unter der Zirkuskuppel klingt das zumeist nicht mehr – muss es aber auch gar nicht, solange Arcade Fire die gute Seite des ollen Stadionrocks gewinnbringend für sich nutzen und dabei gelegentlich Funken aus den Boxentürmen schlagen. Nicht im Sinne von James Murphy oder Thomas Bangalter, die "Reflektor" respektive "Everything now" mit elektronischer Schlagseite produzierten, sondern mit Hilfe von Landsmann Daniel Lanois, der das Ganze immer kurz vorm Überkochen hält und das Kunststück vollbringt, die Kanadier*innen nicht wie U2 klingen zu lassen. Auch nicht im Titeltrack, einem simplizistischen Shuffle, dessen hymnischer Charakter sich verspätet, aber umso mächtiger einstellt: kuschelig, versöhnlich und von der Überzeugung beseelt, dass das federführende Ehepaar sich selbst genug ist. "Take your mind off me", bittet Butler dazu – vergeblich, denn auch rosa Rüsselträger werden nun mal schnell zum Politikum, indem man nicht über sie redet.

Doch auch ohne Metaebene ist es nach wie vor ein Vergnügen, mit welcher todsicheren Harmonieseligkeit Arcade Fire diese einnehmenden Mini-Dramen inszenieren. Grober gestrickt wirkt "Circle of trust", der Elektro-Popper zur um Community buhlenden App, während "Alien nation" zwischen Klöppel-Opening und comichaft jaulendem Industrial-Rock-Finale eine prächtige zweistimmige Groove-Bombe pflanzt. Neben dem ausladenden "Stuck in my head" das einzige mit kompletter Band eingespielte Stück dieses Albums, wobei jener Closer gerne ein neues "Rebellion (Lies)" wäre. Aber nichts da: Der bewegliche Herzreißer heißt vielmehr "I love her shadow", hebt unscheinbar an und verzückt schließlich mit bitzelnden Störgeräuschen und liebestollen Schwüren, die man dem Frontmann nur zu gerne abnehmen würde. Und so tun Arcade Fire, was sie können – entfallen muss an dieser Stelle leider der einzige dem Rezensenten bekannte passable Dickhäuter-Reim. Für Albernheiten ist "Pink elephant" nämlich doch viel zu gut.

(Thomas Pilgrim)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Bestellen bei Amazon / JPC

Highlights

  • Pink elephant
  • Year of the snake
  • I love her shadow

Tracklist

  1. Open your heart or die trying
  2. Pink elephant
  3. Year of the snake
  4. Circle of trust
  5. Alien nation
  6. Beyond salvation
  7. Ride or die
  8. I love her shadow
  9. She cries diamond rain
  10. Stuck in my head

Gesamtspielzeit: 42:16 min.

Album/Rezension im Forum kommentieren

Einmal am Tag per Mail benachrichtigt werden über neue Beiträge in diesem Thread

Um Nachrichten zu posten, musst Du Dich hier einloggen.

Du bist noch nicht registriert? Das kannst Du hier schnell erledigen. Oder noch einfacher:

Du kannst auch hier eine Nachricht erfassen und erhältst dann in einem weiteren Schritt direkt die Möglichkeit, Dich zu registrieren.
Benutzername:
Deine Nachricht:
Forums-Thread ausklappen
(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Klaus

Postings: 10756

Registriert seit 22.08.2019

2025-05-19 10:44:39 Uhr
Zu Paste:

Ziemlich gute Rezension, die mir aber auch wieder vor Augen geführt hat, dass es jede Menge englische Begriffe gibt, die ich noch nie gehört habe.

Herr

Postings: 2843

Registriert seit 17.08.2013

2025-05-19 08:46:06 Uhr
Auf jeden Fall aber schöne Adjektive verwendet:
„categorically“. Das verwende ich auch mal, um in meetings zu prahlen.

jo

Postings: 6889

Registriert seit 13.06.2013

2025-05-19 08:15:00 Uhr
Na ja, ich mag die Musik der Band ja auch... aber ich fand die schon auch immer etwas "superficial"...

Enrico Palazzo

Postings: 5892

Registriert seit 22.08.2019

2025-05-19 07:52:21 Uhr
"from one of the most categorically superficial bands of the last 25 years."

Review hat sich dadurch leider selbst disqualifiziert.

nörtz

User und News-Scout

Postings: 15871

Registriert seit 13.06.2013

2025-05-19 07:34:42 Uhr
https://www.pastemagazine.com/music/arcade-fire/arcade-fire-hope-youll-forget-about-the-pink-elephant-in-the-room

Cancel culture doesn’t exist, but accountability does—and the court of public opinion can be a merciless one. But the way that you respond to that opinion, however, is a crucial next step. Reading the lyric sheet for Pink Elephant, you’re hit with 40 minutes of denial veiled as profundity from one of the most categorically superficial bands of the last 25 years.
Zum kompletten Thread

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Bestellen bei Amazon

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Plattentests.de-Forum

Anhören bei Spotify