Suzanne Vega - Flying with angels

Cooking Vinyl / Indigo
VÖ: 02.05.2025
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Präzisionsarbeit
Ein neues Album von Suzanne Vega – das ist üblicherweise nicht der ganz heiße Scheiß, um den sich die Mitglieder dieser Redaktion wirklich prügeln. Da herrscht ein Stück weit eher die Haltung vor: Ookay, irgendwer muss es halt machen." Umso überraschender und schöner ist es dann, nach einem gerüttelten Maß an Hördurchläufen zur festen Überzeugung zu gelangen, dass man hier ein echtes, ein unerwartetes, ja ein funkelndes Juwel vor sich hat. Man könnte sich sogar zu der Aussage versteigen, "Flying with angels" sei bisher die mit Abstand beste Platte von Suzanne Vega, die im Juli dieses Jahres immerhin ihren 66. Geburtstag feiert.
Wer's nicht glauben will und der irrigen Ansicht ist, er habe keine Zeit, sich länger als unbedingt nötig mit Suzanne Vega zu befassen, dem sei gleich vorab das beste Stück des Albums gespoilert. Es handelt sich um "Alley", das sich sofort mit irisierenden Gitarren, sachtem aber treibendem Schlagzeugspiel und zauberhaftem Gesang in Herz und Hirn schleicht. Spätestens, als nach der ersten Bridge gülden schimmernde und klug gesetzte Akkordfolgen den Refrain einläuten, wird klar: Das hier ist nicht nur Songwriting erster Kajüte, sondern auch perfekt arrangiert. Und dann ist da noch Suzanne Vegas Stimme, die so unfassbar gut und elegant gereift ist, dass ihr größter bisheriger Tophit "Tom's Diner" dagegen wie ein drittklassiger Teenie-Singsang klingt. Wirklich Wahnsinn, wie toll diese Stimme heute, 2025, klingt: mal schalkhaft, mal höchst erotisch, mal traurig, mal transzendent. Eines jedenfalls nie: beliebig.
Wenn altgediente Musikerinnen oder Musiker sich zu einem Spätwerk aufschwingen, dann finden sich üblicherweise bestenfalls eine oder zwei schimmernde Nadeln in einem ansonsten eher müffelnden Heuhaufen. Hier ist die Sache völlig anders gelagert, denn der neue Suzanne-Vega-Longplayer umfasst zehn Songs, die sich qualitativ auf einem sensationell hohen Niveau bewegen. Und dabei aber trotzdem eigenständige Stilistik und hohe Bandbreite mitbringen. Der Opener "Speaker's corner" erinnert in seiner gutgelaunten und perfekt abgestimmten Melange aus akustischem und elektrischem Rock musikalisch nicht wenig an das Spätwerk von Nada Surf (wenn da nicht die Stimme wäre). "Flying with angels" wiederum evoziert sehnsüchtige Erinnerungen an den perfekten Indie-Folk von Bands wie den Triffids oder den Go-Betweens. Da gibt es aber in "Rats" auch rumpelnden Lo-Fi-Sound mit verwegen eiernder Farfisa-Orgel – als hätten sich die B-52's mit den Vietnam Veterans und Kim Gordon zu einer reichlich albernen Session getroffen. Und nicht zuletzt liefert das todtraurige "Last train from Mariupol" eine schmerzhafte, aber nie kitschige Thematisierung des Kriegsdramas in der Ukraine.
Unbedingt erwähnt werden muss noch, dass "Flying with angels" mit großer Detailverliebtheit und jeder Menge Handarbeit entstanden ist. Hier wurden nicht am Rechner ein paar Tracks zusammengeschoben, sondern hier waren ganz offensichtlich diverse sachkundige und spielfreudige Musikerinnen und Musiker an Bord. Wir hören präzises Schlagzeugspiel, das auch mal grooven darf ("Love thief"). Wir hören einen mal grummeligen, mal quirligen Bass. Da gibt es aber auch mal ein schön eierndes Wurlitzer-Piano oder raffinierte Keyboard-Arbeit, die glaubhaft eine Achtziger-Jahre-Ästhetik emuliert – wie im Track "Witch", der sich von Strophe zu Strophe weiter emporschraubt und Erinnerungen an so unvereinbare Künstler wie Kim Wilde und Electric Light Orchestra weckt. Das hier ist ein richtig gutes, ein reifes, ein wunderbar abwechslungsreiches Album.
Highlights
- Flying with angels
- Chambermaid
- Alley
Tracklist
- Speaker's corner
- Flying with angels
- Witch
- Chambermaid
- Love thief
- Lucinda
- Last train from Mariupol
- Alley
- Rats
- Galway
Gesamtspielzeit: 37:27 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Jochen Reinecke Postings: 65 Registriert seit 22.12.2023 |
2025-05-04 19:29:22 Uhr
Vielen Dank, MickHead und swallow. |
swallow Postings: 10 Registriert seit 29.10.2020 |
2025-05-03 08:44:24 Uhr
Ja, kann mich da nur anschließen. Bin auch sehr begeistert vom Album. Die Stimme ist immer noch toll und das Album beinhaltet wirklich ein paar außergewöhnlich starke Songs. Tolle Rezi übrigens @Jochen Reinecke👍 |
Lichtgestalt User Postings: 6480 Registriert seit 02.07.2013 |
2025-05-03 06:37:09 Uhr
Bin auch sehr angetan. |
joseon Postings: 1008 Registriert seit 04.09.2023 |
2025-05-02 10:37:51 Uhr
Dreht hier gerade die erste Runde, sehr schön bisher. |
MickHead Postings: 5042 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-05-02 09:51:32 Uhr
Komplette Playlist bei YouTube:https://www.youtube.com/playlist?list=OLAK5uy_nABiQ0msPbWJFOmUvp3_JwsxD4woWEiTY Laut.de 4/5 https://laut.de/Suzanne-Vega/Alben/Flying-With-Angels-125227 |
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Referenzen
The Triffids; Joni Mitchell; Kathryn Williams; Aimee Mann; Fiona Apple; Tori Amos; Liz Phair; Michelle Shocked; Penelope Houston; Rickie Lee Jones; Shawn Colvin; Nada Surf; Kim Wilde; Go-Betweens; The Church; B-52's; Vietnam Veterans; Jane Siberry; Tanita Tikaram; Tracy Chapman; k. d. lang; Tasmin Archer; Carole King; Beth Orton; Lisa Germano; Juliana Hatfield; Leona Naess; Ani DiFranco; Eleni Mandell; Edie Brickell & New Bohemians; Carly Simon; Mary Chapin Carpenter
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