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Propagandhi - At peace

Propagandhi- At peace

Epitaph / Indigo
VÖ: 02.05.2025

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Das Schnaufen aus den Wäldern

Was, wenn schon bald alles komplett anders ist, als wir es kennen? Wenn alles zusammenbricht, was seit dem Zweiten Weltkrieg halbwegs gesetzt und unerschütterlich schien? Wenn Nationalismus und Kriege, die nie komplett weg waren, zum neuen Normal werden? In jedem Fall kommt der Tag, an dem positive Appelle an Solidarität und Menschlichkeit, jene Zuversicht, fast nutzlos erscheinen. Vor allem, wenn man auf dem nordamerikanischen Kontinent lebt. Dort, wo ein Verbrecher und Lügner erneut in das mächstigste Amt der Welt gelangen konnte, zu allem Übel auf demokratischem Wege, um Rassismus zu protegieren, Wissenschaft und Rechtsstaatlichkeit von oben zu bekämpfen. Auch in Kanada, dem riesigen und ruhigen Land mit so unfassbar viel Wald, Wildnis und Natur, herrscht Unruhe, erlangen autoritäre Kräfte Aufschwung, wird die zynische Agenda der Angst spürbar.

Irgendwie konsequent, dass das achte Propagandhi-Album "At peace" bedrückend und beinah missmutig klingt, aufs erste Ohr sogar mehr als das. Wer von der Instanz aus Winnipeg ein schnelles und wütendes, aber melodisches Hardcore-Pfund wie "Supporting caste" erhofft hatte, seinerzeit wohl das beste Punk-Album der Dekade, runzelt mit der Stirn. Wie eine mahnende Walze legt sich der Opener "Guiding lights" sogleich schwer über die Landschaft. Schleppend, pumpend, getrieben von einem mit sich selbst ringenden, tief gestimmten Riff, könnte die musikalische Replik zur Weltlage nicht treffender klingen. Der wuchtige Titelsong punktet mit bekannten wie beliebten Trademarks der Kanadier: knallende Drums, hohes Tempo, feine Breaks. Dennoch bleibt der Song bitterernst, spart einen Refrain beinahe aus, atmet hin und wieder mal im passenden Moment. Doch ist es kein Durchatmen, eher ein angestrengtes Schnaufen. In sich ruhen geht anders, das zeigt auch "Prismatic spray (The Tinder date)", welches das Muster mit dem Metal-Riffing, nun ja, schon etwas übertreibt. Besser macht es "Vampires are real", knüpft genau dort an, wo Punk und Metal sich die Klinke in die Hand geben.

Das atmosphärisch gelagerte "Stargazing" ist insofern ein bemerkenswerter Konterpart, weil es ohne Metal-Riff auskommt, sich bloß auf einem markanten Basslauf bewegt, während Chris Hannahs Stimme in jenen Augenblicken der Ruhe besonders punktet. Sonnige Momente, melodische Umarmungen, die Party zum schnellen Pogo – man sucht sie vergeblich. Auch klassischere Stücke wie "God of avarice" oder luftige Punkrocker der Marke "No longer young", beide intoniert von Bassist Todd Kowalski, bleiben im Nebel der Pyro-Wolke stecken. Nein, selbst Agitatoren für das Gute wie Propagandhi können den Schock nicht mehr verbergen. Und wollen es auch gar nicht.

"Remember back when you were young / When I was your everything and everyone / Wich I could freeze that frame / But destiny awaits", sehnt sich "Rented P.A." nach den Tagen des Aufbruchs zurück, als ein Wechsel noch möglich war, bevor der Turbo-Kapitalismus arm und reich so krass formte. Der Track poltert gut los, bevor die Riffings die Tonleiter runter wie rauf ballern. Die gewohnte Propagandhi-Intensität blitzt einmal mehr auf. "Vor 20 Jahren waren wir auch schon am Ende, aber hatten noch die Hofflung, die Massen würden sich gegen Oligarchie und Milliardäre auflehnen", gibt Chris Hannah zu Protokoll. Und fügt hinzu: "Aber ich glaube nicht, dass das noch passieren wird. Und ich hoffe, ich liege falsch damit." Wir nehmen "At peace" als die letzte Faust, bevor aus dem Schnaufen ein komplettes Schweigen wird. Oder wir hoffen weiter. Was letztendlich sinnvoller ist? Propagandhi scheinen es auch nicht zu wissen.

(Eric Meyer)

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Highlights

  • At peace
  • Rented P.A.
  • Stargazing
  • Day by day

Tracklist

  1. Guiding lights
  2. At peace
  3. Cat guy
  4. No longer young
  5. Rented P.A.
  6. Stargazing
  7. God of Avarice
  8. Prismatic spray (The Tinder date)
  9. Benito's earlier work
  10. Vampires are real
  11. Fire season
  12. Day by day
  13. Something needs to die but maybe it's not you

Gesamtspielzeit: 39:10 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

sizeofanocean

Postings: 1683

Registriert seit 27.01.2020

2025-05-13 15:29:12 Uhr
So sollen Metalalben klingen.

was für ein Quatsch, der Sound (nicht das, was gespielt wird!) ist so weich und zahnlos/harmlos, dass er mit Metal wenig bis gar nichts zu tun hat.

Bin mittlerweile bei 8/10.

na wer hätte das gedacht...

„At Peace“ ist ein unglaublich guter Song!

stimmt, der ist ziemlich gut, der Rest leider nich so

Urbsi

Postings: 162

Registriert seit 14.06.2013

2025-05-13 13:09:41 Uhr
Weiter oben stand was von „kraftlos“. Kann ich so nicht nachvollziehen. „At Peace“ ist ein unglaublich guter Song!

fakeboy

Postings: 5887

Registriert seit 21.08.2019

2025-05-12 09:14:01 Uhr
Das Album wächst und wächst. Der Gitarrensound ist göttlich. So sollen Metalalben klingen. Klar und knackig und transparent und druckvoll. Bin mittlerweile bei 8/10.

fakeboy

Postings: 5887

Registriert seit 21.08.2019

2025-05-11 00:00:12 Uhr
Geht mir ganz ähnlich. Day By Day und Fire Season haben mich zuletzt gecatcht. Bei ersterem hat's ein paar wirklich grandiose Gitarrenlicks drin. Tolles Album, das ich wohl nie ganz so fantastisch finden werde wie die Alben seit Today's Empires..., aber das die Extraklasse der Band dennoch bestens abbildet.

Euroboy

Postings: 418

Registriert seit 14.06.2013

2025-05-10 22:04:38 Uhr
Ist definitiv ein Grower. Hatte erst auch etwas Probleme reinzukommen, aber nach einigen Durchläufen gefällt mir die Platte wirklich sehr. Auch zuvor eher mittelmäßige Songs wie "Cat Guy" oder der letzte Song wachsen immer weiter. Ich hätte mir nur noch ein paar Songs im Stil von "Stargazing" gewünscht.

Neue Fans werden Propagandhi sich mit dieser Platte wahrscheinlich nicht erspielen, evtl auch ein paar alte Fans verlieren, aber Punkrockbands deren Platten alle ähnlich klingen gibt es ja genug.
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