Oi Va Voi - The water's edge

Parallel Skies / Rough Trade
VÖ: 02.05.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Sommermelancholie
Gibt es für jedweden Tag und jedwede Lebenssituation die passende Musik? Manch eine Person bestreitet das. Welche Musik könnte etwa einen schwülwarmen Tag am Meer adäquat untermalen, in dem einem nicht danach zumute ist, Teil des geselligen Treibens in den Strandbars zu sein? Einen Tag, an dem man sich lieber ans Flussdelta setzt, über das eigene Fehlverhalten sinniert und Brotkrumen in den ins Meer mündenden Strom wirft, um optimistischer in die Zukunft blicken zu können? Oi Va Voi versuchen im hypnotischen Titeltrack von "The water's edge", einen Brauch des jüdischen Neujahrsfestes mittels Steve Levi-Kallins weltentrückten Gesangs, Piano, Trompete und Klarinette in Töne zu fassen. Es gelingt ihnen – wie fast alles auf ihrem sechsten Studioalbum – exzellent.
Bereits auf der Vorgänger-LP "Memory drop" ließ das Londoner Kollektiv von allzu klischeebehafteten Folksongs und Samples ab, bettete die Klezmer-Einflüsse konsequenter in Popsongs ein. Diesen Weg führt "The water's edge" glücklicherweise fort und wartet zudem mit noch stärkeren Tracks auf. So ohrwurmig wie im von Josh Breslaws Drums angetriebenen "Shine a light" oder in "Dance again" präsentierten sich Oi Va Voi zuvor selten. Die Rechnung aus so einfachen wie schönen Keyboardmotiven, Clubbeats, Bläsern, Streichern und Melancho-Gesang geht auf – auch weil die gewagte Mixtur dank Produzent Mike Spencer nie überladen klingt. Tanzbarer Ethno-Pop ohne Klischees? "Lay your head" zeigt die Richtung auf. Die Londoner*innen orientieren sich beim Schreiben ihrer Texte mehr denn je an ihrem eigenen Alltag und unserer Gegenwart. Explizit politisch wird es dabei nie. Stattdessen rückt die Band Mitmenschlichkeit in ihren lyrischen Fokus. So widmet sie den "Sad dance" des Openers den Opfern des Erdbebens in der Türkei und Syrien im Februar 2023.
Als einziger Schwachpunkt des kohärentesten und stärksten Albums der clubtauglichen Folkies entpuppt sich der weibliche Gesang: Während Zohara Niddam im Duett mit Levi-Kallin in "Lay your head" und "Wave" solide abliefert, kann sie mit ihrem Stimmchen den Ohrwurm "Shine a light" nicht tragen. Sarah Anderson schafft es lediglich an der Violine, Emotionen auf bewegende Art zu artikulieren, nicht aber mit ihrer Stimme. Gründungsmitglied Levi-Kallin gelingt dies hingegen vorzüglich. In der von Bläsern und wuchtiger Percussion verfeinerten Halbballade "Oceans" liefert er sein gesangliches Meisterstück ab.
Wenn das Ensemble zum Schluss nach so viel Popmusik wie nie zuvor in seiner Diskographie doch noch zur Klezmer in den "Babylon nights" bittet und ein Synthesizer-Intro in ebenso feierlichen wie traurigen Folk mündet, zweifelt man nicht mehr daran, dass es für jedweden Tag die passende musikalische Begleitung gibt. Auch für einen schwülwarmen am Meer.
Highlights
- Dance again
- The water's edge
- Oceans
Tracklist
- Sad dance
- Shine a light
- Lay your head
- Strangers
- Dance again
- The water's edge
- Josephine
- Oceans
- Wave
- Babylon nights
Gesamtspielzeit: 42:13 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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Sick Postings: 316 Registriert seit 14.06.2013 |
2025-05-03 18:53:34 Uhr
Das macht Freude. Gutes Album. 8/10.Interessanterweise sind meine Highlights andere wie die des Rezendenten. u.a.: - Shine A Light (Nö, Stimme ist nicht zu dünn.) - Wave - Babylon Nights - Strangers |
MickHead Postings: 4924 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-05-02 10:20:05 Uhr
Jetzt komplett bei Bandcamp:https://oivavoi.bandcamp.com/album/the-waters-edge |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28581 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-04-30 20:53:35 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Aviv Geffen; Blackfield; Devotchka; Robert Soko; Ninet Tayeb; Katzenjammer; Parov Stelar; Vaya Con Dios; Amsterdam Klezmer Band; A Hawk And A Hacksaw; Sophie Solomon; Mahala Rai Banda; Äl Jawala; Balkan Beat Box; Dunkelbunt; Ofra Haza; Black Ox Orkestar; Lepa Brena; Slatki Greh; Rambo Amadeus; Mira Škorić; Haydamaky; The Great Bertholinis; The Klezmatics; Stórsveit Nix Noltes; Killing Mood; Yael Naim; Peter Gabriel; Red House Painters; Beirut; Gogol Bordello; Black Country, New Road
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