Lucius - Lucius

Fantasy / Concord / Universal
VÖ: 02.05.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Die beißen nicht
Bei vielen Bands und Künstler*innen lösen Promo-Zitate hochgezogene Augenbrauen aus, doch den Selbsteinschätzungen von Lucius kann man ruhig glauben. Für ihr Debüt "Wildewoman" fanden sie mit Arcade Fire und The B-52s bereits angebrachte Eckpfeiler zur Umzäunung ihres eklektischen Stils. Wenn sie bei ihrem vierten und selbstbetitelten Album nun ankündigen, zum Jubiläum des Erstlings wieder stärker auf diesen zu verweisen, ist das auch wahr. Nachdem "Second nature" die countryfizierte Disco-Kugel anschmiss, vereint "Lucius" diverse Auswüchse unter dem ollen Folk-Pop-Label: Zum Zerreißen gespannte Hymnen gehen in scharfkantige Grooves über, reduzierte Zärtlichkeiten treffen auf kräftigen Heartland-Rock – abwesend ist nur der pumpende Elektro-Noise, den das an Blanck Mass' "World eater" gemahnende Cover in manchen Köpfen evozieren mag. Generell geht der Vierer weniger polternd, scheppernd und hippiesk als zu Debützeiten zu Werke, doch dafür, in zehn Jahren etwas ruhiger geworden zu sein, muss sich ja niemand schämen.
Erst recht nicht, wenn man solche Großtaten wie "Final days" vollbringt. Mit seinem von Verstärker-Jaulen durchzogenen Aufbau und dem nachdrücklich betrommelten Schluss-Solo bewegt sich dieser Opener im Geiste der frühen Arcade Fire, entlädt seine Spannung allerdings in unverfroren aus dem Cabrio-Dach geschmetterten Pop-Hooks. Alleinstellungsmerkmal von Lucius bilden weiterhin die harmonisierenden Stimmen von Jess Wolfe und Holly Laessig, die ihre technische Hochklasse und Ausdruckskraft in unterschiedlichen Kontexten unter Beweis stellen. Mit psychedelisch aufgekratzten Sechs- und Viersaitern erinnert "Gold rush" etwas an die rhythmusbetonten Elbow, während "Do it all for you" subtil treibenden Gitarren-Soul à la Lianne La Havas in die Nacht malt. Es beeindruckt, wie geschmackssicher Lucius ihre vielen Referenzen zu einem eigenständigen und homogenen Gesamtwerk formen.
Das schafft die New Yorker Band selbst dann, wenn sie innerhalb einzelner Songs Haken schlägt. Die Americana-Ballade "Stranger danger" vollzieht in der zweiten Hälfte die Verwandlung zur Soft-Rock-Variante von Radiohead, im Zuge derer Dan Molad und Pete Lalish ihre Instrumente mit zunehmender Intensität bearbeiten. Mehr mitreißende Energie im Zusammenspiel entwickelt nur das aufbrausende "Old tape", dem Adam Granduciel nicht nur durch seinen Begleitgesang den Stempel aufdrückt. Die andere Feature-Gästin Madison Cunningham ist in "Impressions" weniger präsent, dafür schenkt der Song der Platte mit TripHop-Beat und grummelndem Cello eine weitere Textur samt toller Refrain-Melodie. In solchen Momenten sticht besonders ins Ohr, wie wohl sich Lucius inzwischen in der gemeinsamen Haut fühlen.
Ein, zwei Füller-Tracks auf hohem Niveau halten "Lucius" von der Meisterklasse fern, doch sollte man gerade die ruhigeren Nummern nicht unterschätzen. Die Folk-Perle "Mad love" glänzt mit nicht mehr als Akustikgitarre und kleinen, atmosphärischen Akzenten, die Gesangslinien von "Orange blossoms" scheinen den ganzen Kosmos auf einmal umarmen zu wollen. Ganz zum Schluss deutet "At the end of the day" sanft gezupften Minimalismus an, nur um in der zweiten Hälfte die großen Classic-Hollywood-Streicher auszupacken. Lucius beleuchten den Staub der Vergangenheit aus frischen Perspektiven, anstatt ihn einfach wegzuwischen, und machen ihn zum Teil ihrer sich immer wieder neu entfaltenden und doch konstanten Identität. "It's raw and honest and feels like coming home", schreiben sie in einem Begleitstatement zum Album. Recht haben sie – wie immer.
Highlights
- Final days
- Stranger danger
- Impressions (feat. Madison Cunningham)
Tracklist
- Final days
- Gold rush
- Do it all for you
- Mad love
- Stranger danger
- Hallways
- Old tape (feat. Adam Granduciel)
- Impressions (feat. Madison Cunningham)
- Borderline
- Orange blossoms
- At the end of the day
Gesamtspielzeit: 46:09 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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myx Postings: 5540 Registriert seit 16.10.2016 |
2025-05-04 11:38:33 Uhr
Gutes Album insgesamt mit ein paar richtig schönen Songs, die so klingen, als hätten sie schon immer im Hithimmel geschwebt und wären von Lucius lediglich heruntergepflückt worden. Ich denke da vor allem an "Stranger danger" und "Impressions (feat. Madison Cunningham)", die ja auch den Weg in die Rezi-Highlights gefunden haben. "Gold rush" begeistert mich auch nach wie vor. Der Harmoniegesang macht das Ganze wirklich zu etwas Besonderem. |
Kiezgrün Postings: 58 Registriert seit 29.05.2023 |
2025-05-02 19:16:05 Uhr
Das erste Mal habe ich sie als Gast-Sängerinnen auf dem Debüt von San Fermin kennen- und lieben gelernt und seitdem mag ich ihren Harmoniegesang und ihre Stimmfarben. Wie jedes ihrer Alben braucht dieses Album ein paar Runden, um sich zu setzen. |
MickHead Postings: 4924 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-05-02 14:21:54 Uhr
Jetzt komplett bei Bandcamp:https://ilovelucius.bandcamp.com/album/lucius |
myx Postings: 5540 Registriert seit 16.10.2016 |
2025-04-30 22:17:24 Uhr
Bin ziemlich verliebt in das psychedelische "Gold rush", hier wird dann also reingehört, wäre mein erstes Lucius-Album, habe ihren Weg bislang noch nicht gekreuzt. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28581 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-04-30 20:52:43 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Fleetwood Mac; Arcade Fire; The Staves; Kacey Musgraves; Brandi Carlile; Bailen; Maggie Rogers; Jenny Lewis; Neko Case; Camera Obscura; The Belle Game; Elbow; The Shins; Shout Out Louds; San Fermin; The Decemberists; Cults; Thao & The Get Down Stay Down; Tennis; Phox; Andrew Bird; Kishi Bashi; Phosphorescent; Feist; Laura Veirs; Jesca Hoop; Basia Bulat; Miya Folick; Aoife O'Donovan; Madison Cunningham; Joni Mitchell; Judee Sill; Lianne La Havas; Radiohead; The War On Drugs
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