Djo - The crux

Twenty20 / Membran
VÖ: 04.04.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Lebbe geht weider
Joe Keery ist der eine aus "Stranger things". Nein, nicht der. Der andere. Steve, genau. Ist aber auch gar nicht so leicht, da immer den Durchblick zu behalten. Für den Musiker Joe Keery, der als Ein-Mensch-Projekt unter dem Namen Djo firmiert, gilt das auch, aber anders. "The crux" ist nämlich ein Album, das so wild die Popgeschichte plündert, dass man mit lauter Referenzen kaum hinterherkommt. Ein durchaus angenehmer Zustand der Überforderung angesichts der raffinierten Fülle dessen, was sich da vor einem auftut. Anders als noch die ersten beiden Alben, die vor allem auf mal mehr flächigen, mal eher groovigen Synthie-Sounds aufbauten, ist "The crux" in den New Yorker Electric Lady Studios zum überwiegenden Teil analog und mit richtigen Instrumenten eingespielt worden. Und wenn doch ein Syntheziser zum Einsatz kommt, dann konsequent ein Retro-Gerät wie der Oberheim OB-X8 im Dancefloor-Stürmer "Basic being basic". Die einzelnen Songs, produziert von Keery gemeinsam mit seinem langjährigen Mitstreiter Adam Thein, gewinnen dadurch an Wärme, vor allem aber an Charme. Es ist ein bisschen so, als würde man sich durch eine gut sortierte Plattensammlung hören, dabei eine schöne Entdeckung, eine vergessene Perle nach der anderen hervorzaubern.
Dem eklektizistischen Ansatz der Netflix-Erfolgsserie, die schamlos das (pop-)kulturelle Archiv der 80er-Jahre ausschlachtet, ist das Vorgehen auf "The crux" damit gar nicht so unähnlich. Oder man wirft einen Blick aufs Wimmelbild-Artwork – und weiß Bescheid. Entscheidend ist ja ohnehin die Umsetzung. Und bei Keery spürt man einerseits die tiefe Liebe zu den verschiedensten Ausdrucksformen der jüngeren und nicht mehr ganz so jungen Vergangenheit. Andererseits sind das Songwriter-Talent und das nötige Selbstbewusstsein vorhanden, um gegenüber den großen Vorbildern und der schieren Menge des Schon-da-Gewesenen nicht ehrfurchtsvoll in stumpfer Wiederholung zu erstarren. Das Jack-Antonoff-Prinzip, bekannt und geschätzt, Keery beherzigt es. Dabei reicht das Spektrum von psychedelischen Sixties-Sunshine-Vibes bis hin zu Nullerjahre-Indie-Rock-Coolness wie in "Link". Von lockerem Folk-Pop bei "Potion" über das gedämpfte "Egg" bis hin zum glitzernden "Gap tooth smile", hinter dem die Silhouetten von Bowie und Bolan durchschimmern. Vom launigen Gruß nach Liverpool, der "Charlie's garden" trägt, bis hin zur schwebenden Ballade "The crux", die hier als tief empfundener Trostspender fungiert. "Get back to your heart / But will you give it back?".
Was ist passiert? Zwei Menschen lieben sich so lange, bis sie es irgendwann nicht mehr tun. Dann ist der eine weg und der andere bleibt bedröppelt zurück. So gewöhnlich und alltäglich die Ausgangserfahrung, die "The crux" zugrundeliegt. Und natürlich wird gelitten, getrauert und gezweifelt. Eine Person einfach aus der Erinnerung löschen wie einen misslungenen Social-Media-Post – "Oh God, I wish I could delete ya" – , schön wär's. Doch statt trüber Weltuntergangsstimmung überwiegt eine muntere Trotzhaltung. Dann eben erst recht. Oder wie es ein großer Frankfurter Fußballphilosoph mal so schön ausgedrückt hat: Lebbe geht weider. "Lonesome is a state of mind" schlingert so gesehen stilvoll zwischen Gelassenheit und Melancholie, ein bisschen derangiert vielleicht, aber das ist dem Gesamtbild nur zuträglich. "I swear I've had this dinner before / I know I've heard that song / My future's not what I thought / I think I thought it wrong". Und wenn schon. "The crux" ist in seinem trotz allem unbeschwerten Grundton wohl das, was man gemeinhin ein perfektes Sommeralbum nennt. Und zugleich darf man die berechtigte Hoffnung hegen, dass die Halbwertszeit ein gutes Stück über die warmen Monate hinausreicht.
Highlights
- Lonesome is a state of mind
- Basic being basic
- Delete ya
- Egg
Tracklist
- Lonesome is a state of mind
- Basic being basic
- Link
- Potion
- Delete ya
- Egg
- Fly
- Carlie's garden
- Gap tooth smile
- Golden line
- Back on you
- The crux
Gesamtspielzeit: 45:18 min.
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MickHead Postings: 4959 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-04-22 10:33:37 Uhr
Laut.de 4/5https://laut.de/Djo/Alben/The-Crux-124961 Visions 8/12 |
MickHead Postings: 4959 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-04-18 11:50:32 Uhr
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28588 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-04-16 20:40:43 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Hier stand Ihre Werbung Postings: 2194 Registriert seit 25.09.2014 |
2025-04-11 07:34:14 Uhr
Kein Ding, passiert :D Tentpole Shangrila vom Erstalbum waere meine Empfehlung. Ich kann tatsaechlich schon den Musiker und war dann auch irgendwann ueberrascht, als ich gehoert hab, dass das Steve ist. |
fakeboy Postings: 5878 Registriert seit 21.08.2019 |
2025-04-11 06:11:32 Uhr
Haha, danke. Ich war so geblendet von der Erkenntnis dass das Steve ist, dass ich diese nicht unwesentlichen Details übersah :-) |
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Referenzen
Bleachers; Suki Waterhouse; Alex Cameron; MGMT; Tame Impala; Sabrina Carpenter; Chappell Roan; The Beatles; Hot Chip; The Beach Boys; Talking Heads; The Killers; David Bowie; Marc Bolan; The Voidz; St. Vincent; La Luz; Foxygen; Ezra Furman; Allah-Las; Sufjan Stevens; Ariel Pink; Fleetwood Mac; Twin Shadow; The 1975; Wallows; Porches; Post Animal; The Strokes; Hot Hot Heat; Alvvays; Yves Tumor; Bloc Party; Kraków Loves Adana; Phoebe Bridgers; Washed Out; Mitski; The Psychedelic Furs; Future Islands; Billie Eilish; Cigarettes After Sex; Arctic Monkeys; Pond; Hard-Fi; Dua Lipa; The Cars; Talk Talk; Father John Misty; Ty Segall; John Maus; Lucy Dacus; Daft Punk; Roxy Music; Beck; Peter Gabriel; Taylor Swift