Divide And Dissolve - Insatiable

Bella Union / Rough Trade
VÖ: 18.04.2025
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Segen und sägen
Klingt komisch, ist aber so: Divide And Dissolve sind nur noch zu eint. Will heißen: Schlagzeugerin Sylvie Nehill taucht auf dem fünften Longplayer nicht mehr auf, und auch die bisher obligatorische Spoken-Word-Beschwörung aus dem Munde der venezolanischen Künstlerin Minori Sanchiz-Fung fehlt auf "Insatiable". Stattdessen arbeitet Gitarristin und Saxofonistin Takiaya Reed nunmehr mit der New Yorker Multiinstrumentalistin Kwami Winfield sowie diversen Sessionmusikern zusammen. Wie die alle heißen und was genau Nehill zum Rückzug veranlasste? Tut nicht allzu viel zur Sache, weil es bei Divide And Dissolve schon immer mehr um die Musik ging als darum, wer sie macht. Und um die Message, die vermeintliche White Supremacy, grausame Verbrechen gegen indigene Völker und die Sünden reaktionärer Vorväter mit Wucht in Grund und Boden stampft.
Dennoch ist die Australierin auch zutiefst beseelt von der Ehrerbietung für die Altvorderen und von universeller Liebe. Sozusagen der Umkehrschluss ihrer Songtitel, die sich oft wie Zwischenüberschriften eines politischen Traktats zur Generationen- und Völkerverständigung lesen. Und ihr majestätischer instrumentaler Drone-Doom macht ungeachtet jazziger Elegien und spiritueller Anrufungen auch auf "Insatiable" zunächst nicht den friedfertigsten Eindruck: Nach nervös flackerndem Intro saust Reeds Gitarre wie eine Axt in Zeitlupe nieder und wühlt tief in menschlichem Morast und verschütteten Emotionen. In der Tat nicht weniger als "Monolithic" – und samt zischiger Crash-Becken ein imposantes Upgrade des vorzüglichen Vorgängers "Systemic", der es sich zwischen den Wetlands und den Sümpfen Louisianas aber vielleicht schon eine Spur zu bequem gemacht hatte.
Zumal es diesem Album besonders zum Segen gereicht, dass ihr Dad der kleinen Takiaya deren Angaben zufolge im Alter von drei Jahren die Posaune ausgeredet und ihr stattdessen ein Saxofon in die Hand gedrückt hat. Die von tieftraurig bis nahezu euphorisch reichenden Soundscapes, die sie dem Instrument etwa in "Loneliness" oder "Death cult" abringt, gehören nämlich zum Jenseitigsten und Umarmendsten, das Divide And Dissolve je vollbracht haben – ganz ohne scheinbar glühende Stahlsaiten und majestätisch schleppendes Drumkit. Diesem kommt vor allem in "Withholding" eine Schlüsselrolle zu, wo perkussive Ad-Libs und ständige Kehrtwendungen um die eigene Achse ein eigentlich simplizistisches Stück kopfüber hängenden Lava-Metals zur rhythmischen Wildwasserfahrt machen. Auf einem Meer aus zähem Schlamm, versteht sich.
Dass die Geschwindigkeit auch in der Folge gedrosselt bleibt, liegt weiterhin in der Natur der Sache – Platz zum Austoben und für vorsichtige neue Ansätze lässt sich Reed trotzdem. Wie "Dichotomy" monströse Gitarrenschläge mit verhallenden Raumforderungen verknüpft, ist nicht nur ganz große Klasse, sondern auch ähnlich auf den Punkt wie die kantigsten Momente früher Swans oder My Discos "1991". Andere sagen Monotonie, sie sagt Disziplin. Dafür sägt das in einem zerrenden Rausch verpuffende "Disintegrate" umso voluminöser an Nerven und Gehörknöchelchen, und das geisterhaft vorbeiwehende "Grief" wartet erstmals mit Gesang auf – oder wie man es nennen sollt, wenn Reed zwei verhuschte Zeilen intoniert: "I don't know what I'm supposed to do / I'm so lonely without you." Und Liebe? Davon haben Divide And Dissolve für "Insatiable" jede Menge verdient.
Highlights
- Monolithic
- Dichotomy
- Disintegrate
Tracklist
- Hegemonic
- Monolithic
- Withholding
- Loneliness
- Dichotomy
- Provenance
- Disintegrate
- Grief
- Holding pattern
- Death cult
Gesamtspielzeit: 34:14 min.
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MickHead Postings: 5106 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-04-18 10:53:55 Uhr
Jetzt komplett bei Bandcamp:https://divideanddissolve.bandcamp.com/album/insatiable |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28661 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-04-16 20:40:26 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
MickHead Postings: 5106 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-03-25 22:56:54 Uhr
3. Song "Grief"https://youtu.be/8QNy4Gq-B7E?si=Odegm8AQkTz2XBWk |
MickHead Postings: 5106 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-02-05 15:30:28 Uhr
Die australische Doom-Metal Band "Divide And Dissolve aus Melbourne, kündigt für den 18.04. das 5. Studioalbum "Insatiable" an. Es folgt auf "Systemic" von 2023."Insatiable" bei Bandcamp (2 Songs geteilt): https://divideanddissolve.bandcamp.com/album/insatiable |
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Referenzen
Earth; Mamiffer; Sunn O))); The Body; Boris; Isis; Swans; Big Brave; My Disco; Kwami Winfield; Ruby Solly; Nadja; Mamaleek; Colin Stetson; Kamasi Washington; Pharoah Sanders; John Coltrane; Thundercat; Moor Mother; Irreversible Entanglements; Matana Roberts; Eluvium; Inventions; Chelsea Wolfe; Mrs. Piss; Julie Christmas; Messa; Red Sparowes; Sunrot; Emma Ruth Rundle; Low; King Woman; Anchoress; Vile Creature; Amenra; Locrian; Horseback; Mono; Sigh; Pelican; Thou; Khanate; Qa'a; Mammoth Weed Wizard Bastard; Sleep; Year Of No Light; Harvey Milk; Author & Punisher; Prurient; Neptunian Maximalism; Ashenspire; Black Belt Eagle Scout; Lilith; Weedrat; Russian Circles; This Will Destroy You; Slint; Godspeed You! Black Emperor; Mogwai; Fuck Buttons; Jesu; Greymachine; Sightless Pit; Duma; Unknown Mortal Orchestra; ESG
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