Matze Rossi - WUNDER.punkt

Dancing In The Dark / Broken Silence
VÖ: 21.02.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Sucht das Glück
Es gibt Musiker, die sind schon ewig im Geschäft, fliegen seit Jahrzehnten gekonnt unter allen kommerziellen Radaranlagen durch – und machen trotzdem einfach unbeirrt weiter. Und das ist gut so, denn es wäre wirklich ein deutlicher Verlust, nicht regelmäßig neues Material von Matthias Nürnberger alias Matze Rossi hören zu dürfen. Der Schweinfurter hat nach der Auflösung seiner Pop-Punk-Band Tagtraum vergleichsweise ruhige Töne angeschlagen, ist aber trotzdem kein Leisetreter, denn oft genug wartet hinter lyrischen, reduzierten oder dürren Momenten auch der eine odere andere – wenn auch wohldosierte – Ausbruch. Überhaupt: Rossi widersetzt sich ziemlich routiniert allen Versuchen, seine Texte oder Musik zu katalogisieren. Er hat seine ganz eigene Nische in der deutschsprachigen Musik gefunden: nicht so kryptisch wie die späten Tocotronic, nicht so verspult wie Tom Liwa, nicht so maniriert wie Blumfeld – und auch das kneipenschwangere Slackertum eines Sven Regener umschifft Rossi stilsicher.
Die Lyrics kreisen um die kleinen und großen Dinge: Sehnsucht und Vermissen, den Platz im Leben finden, kleine Krisen und große Krisen – und natürlich immer wieder die Suche nach dem Glück. Und auch wenn diese Themen natürlich sattsam bekannt und schon von Generationen von Musiker*innen immer wieder aufs Neue besungen wurden und werden, so gelingt es Rossi stets, sehr genaue, treffende Worte zu finden: Ohne Ironie und doppelten Boden, authentisch und unverstellt; ja, vielleicht ist es sein größtes Talent, dass man ihm die Gefühle, über die er singt, einfach abnimmt, weil er weder den Abgebrühten, noch den Schmerzensmann mimt. Meisterhaft gelingt das im zentralen Stück "Askaban": Zu Beginn hören wir ein sprödes Gitarrenintro, zu dem Rossi mit heiser-schmurgeliger Stimme kräht, um dann aber gleich nach der ersten Strophe in einen herrlich-melancholischen Refrain abzubiegen. Nach dem zweiten Strophe-Refrain-Durchlauf gibt es eine zauberhafte Instrumental-Bridge – und danach dichtet Rossi: "Wo liegt das Glück? Wo muss ich graben? Meine Finger sind schmutzig, über mir krächzen Raben / Ich hebe den Kopf, so schwer voller Schrott, ich hab keine Kraft mehr, versuche es doch." Das mag sich hier einfach so weglesen, entfaltet jedoch in Verbindung mit den wunderschönen Changes und der gelungenen Instrumentierung eine ganz eigene Strahlkraft.
Überhaupt, die Musik: Was Rossi von anderen Barden und Zunftkollegen unterscheidet, ist der stete Anspruch, das Publikum nicht zu langweilen. Sei es durch abwechslungsreiches Songwriting, durchdachte Arrangements, kleine musikalische Überraschungen oder auch das gewitzte Spiel mit Zitaten. So ist es kein Zufall, dass in "Kein Zurück" ein ziemlich stark nach Nirvanas "Smells like teen spirit" riechendes Gitarrenriff den Song eröffnet: Wenig später im Song wird nämlich Kurt Cobain genannt und zitiert. Man sollte also nicht vorschnell denken, dass hier einfach plagiiert wird, nein, es wird sorgsam mit Quellen umgegangen. Gut gefällt auch das leise und unprätentiöse "Ich denk so oft an dich": die berührende Eloge auf einen Freund; offenbar den Menschen, der Rossi vor langen Jahren den entscheidenden Arschtritt gegeben hat, Berufsmusiker zu werden. Womit sich der Kreis schließt: Gut, dass es diesen Menschen gab. Gut, dass Rossi auf ihn gehört hat – und gut, dass er mit dem Musikmachen immer noch nicht aufgehört hat. Wäre jetzt nur noch zu wünschen, dass da noch ein größerer kommerzieller Erfolg um die Ecke kommt. Wäre nämlich verdient.
Highlights
- Askaban
- Rotweinflaschenlänge
- Ich denk so oft an Dich
Tracklist
- Gitarre Stift Papier
- Hundeleben
- Askaban
- Weit
- Hör auf zu träumen
- Rotweinflaschenlänge
- Ich denk so oft an Dich
- Kein Zurück
- Glücklichste Mensch
- Ich löse mich auf
Gesamtspielzeit: 31:42 min.
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