The Ex - If your mirror breaks

Ex / Cargo
VÖ: 04.04.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Schmerz aus Glas
Wer Bands aufzählt, deren allgemeine Popularität ihrem szeneinternen Legendenstatus und Einfluss nicht gewachsen ist, landet zwangsläufig bei The Ex. Seit 1979 arbeiten sich die Niederländer*innen durch alles, was Krach macht, verheiraten Noise-Punk, No Wave und Postcore mit Jazz und globalen Folk-Akzenten und kollaborierten in diesem Sinne mit Sonic Youth und Tortoise ebenso wie mit dem äthiopischen Saxofonisten Getatchew Mekuria. Damit kommen sie nicht ganz an die 60 aktiven Jahre ihrer Landsleute von Golden Earring ran, befinden sich aber auf dem besten Weg dorthin. Zwar ist Gitarrist Terrie Hessels das einzige verbliebene Gründungsmitglied, doch haben es The Ex im Gegensatz zu etwa Gang Of Four trotz zahlreicher Besetzungswechsel geschafft, stets ihren Spirit zu behalten. Das beweist auch ihr 19. Studioalbum "If your mirror breaks", gewidmet Steve Albini, der – na klar – seit Ende der 90er einige ihrer Platten produziert hat und der diesen erneuten Rausch aus trockenwaschenden Gitarren und vertrackten Rhythmen sicher wieder abgenickt hätte.
Der Opener "Beat beat drums" irritiert zunächst mit seinem Schepper-Singsang, doch sobald die drei Sechssaiter von Hessels, Andy Moor und Sänger Arnold de Boer einsetzen – den Bass haben The Ex seit einer Weile verabschiedet – bleibt die Zeit stehen. Zwischen Post-Punk, Math-Rock und Aktenschredder strudeln sich die Riffs in eine Klimax hinein und manifestieren eine Eigenwilligkeit, der das Rumgeturne der restlichen Musikwelt nichts anhaben kann. Die immerhin seit 1984 zur Band gehörende Katherina Bornefeld spielt dazu ihre komplexen, afrikanisch inspirierten Grooves und holt für die angeblueste Backpfeife "The evidence" zum ersten Mal die Kuhglocke raus – irgendwo in New York fällt James Murphy der Kaffeebecher aus der Hand, weil er The Ex im Text von "Losing my edge" vergessen hat. In "Wheel" tritt Bornefeld dann selbst ans Mikro, um dem Album seinen poppigsten Refrain zu schenken, während ihre Mitstreiter an allen Ecken und Enden zerren und die aufgebaute Spannung in leisen Dissonanzen auflösen.
Anders als beispielsweise noch auf dem 2011er-Werk "Catch my shoe" bleibt der Vierer diesmal ganz bei sich. Trompeten und andere Gastinstrumente hätten inmitten dieser Krachdichte ohnehin kaum Platz gefunden, wie der "Monday song" unterstreicht, wenn er nach besonders an Shellac erinnerndem Beginn später einen einstürzenden Neubau zu vertonen scheint. Aus den Überresten kloppen sich The Ex "Spider and fly" zusammen, dessen Tribal-Percussion-Fundament selbst nach den finalen Stop-and-Go-Attacken noch fest auf wackligen Beinen steht. Passenderweise will sich de Boer im späteren "The apartment block" in einen selbigen verwandeln, was die in ihrer debilen Monotonie triumphierenden Gitarren offenbar als Aufstieg werten.
Der Song steht sinnbildlich für die Lyrics von The Ex, die Kapitalismuskritik und andere politische Spitzen mit allerlei zynischen Absurditäten kombinieren. Eine Kostprobe aus der rumpelnden Überflutungs-Fantasie "In the rain": "Who needs Ukraine when you can have Putin in a wetsuit / He's not shaking with Parkinson cancer / He's just happy to see you Dutch lavender sniffing wapflaps / Riding their million Euro tractors through the bloodlands." Im durch die Punk-Disco pflügenden "The loss" kanalisiert de Boer seinen Hass direkter: "The people all ask me who died / And I say it is you who are dead." Wenn er an diese Zeilen jedoch mit agitierenden Widerstandsparolen anknüpft, stellen The Ex klar, dass sie im Wesen doch Menschenfreunde sind. Deshalb endet "If your mirror breaks" auch mit seinem zugänglichsten Track, dessen Gitarrenmelodie noch lange nach diesem Vier-Minuten-Gezappel im Gedächtnis bleibt. Der angemessene Titel: "Great!" Das passt auch perfekt zum ganzen Album.
Highlights
- Monday song
- Wheel
- Great!
Tracklist
- Beat beat drums
- Monday song
- The evidence
- Spider and fly
- Circuit breaker
- Wheel
- The loss
- In the rain
- The apartment block
- Great!
Gesamtspielzeit: 47:18 min.
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Referenzen
Enablers; Shellac; Sonic Youth; Slint; Fugazi; Hubcap; Taking Pictures; 31Knots; Q And Not U; Unwound; The Jesus Lizard; Big Black; Crass; Dog Faced Hermans; Savage Republic; Zeni Geva; Cows; This Heat; Oxbow; Liars; Les Savy Fav; McLusky; The Fall; The Birthday Party; Pere Ubu; The Mekons; Wire; Wipers; Ought; Shame; Protomartyr; Gilla Band; Model/Actriz; Tortoise; Thurston Moore; Glenn Branca
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