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Bon Iver - Sable, fable

Bon Iver- Sable, fable

Jagjaguwar / Cargo
VÖ: 11.04.2025

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Komma, klar

Chris Martin sang mal: "I'd rather be a comma than a full stop." Und Bon Ivers Justin Vernon würde sicherlich zustimmen. "For Emma, forever ago", "Bon Iver, Bon Iver" [sic], "22, a million", "i,i" – so hießen die bisherigen vier Platten. Nummer fünf lässt sich natürlich nicht lumpen und ist auf den Namen "Sable, fable" getauft. (Okay, offiziell "SABLE, fABLE", ABER wÜRDEST DU gERNE SO eINEN fLIESSTEXT LESEN? eBEN.) Die satzzeichentechnische Unterteilung des Titels ergibt dieses Mal allerdings auch inhaltlich Sinn. Das Album zerfällt nämlich in zwei Parts: Der erste, "Sable", wurde bereits 2024 als EP veröffentlicht, daran schließt sich "Fable" an. Und so wie das Artwork mit zweifarbigem Blockmuster aufwartet, sind die beiden Teile der Platte zugleich Gegenpole und wechselseitige Ergänzung.

"Sable" wendet sich mit gerade mal drei vollen Songs – ohne das kurz fiepende 12-Sekunden-Intro "..." – so stark dem reduzierten Folk des Debütalbums zu wie keine andere Bon-Iver-Platte dazwischen. Auch wenn die Kompositionen mittlerweile abgeklärter sind: Vernon sitzt wieder einsam in einer Hütte und zu spärlicher Begleitung bricht es aus ihm heraus: "I get caught looking in the mirror on the regular / And what I see there resembles some competitor / I see things behind things behind things / And there are rings within rings within rings." "S P E Y S I D E" macht abgesehen vom blöd gestanzten Titel keine Mätzchen, sondern packt eine so wundervolle Melodie über seiner akustischen Gitarre aus, dass man es direkt in den Bandolymp hieven möchte. "I can handle / Way more than I can handle / So I keep reaching for the handle / To flood my heart", singt Vernon einen Track später und es kann als Instruktion für alles Folgende interpretiert werden.

Wer sich bei der Standalone-Veröffentlichung von "Sable" noch wunderte, warum der Synth von "Awards season" am Ende nach dem Verstummen plötzlich wiederkam, nur um dann unvermittelt abzubrechen, bekommt mit dem Start von "Fable" die Antwort. "Short story" führt diesen nahtlos weiter und lässt sehr bald den Bombast ins Haus. Die acht Songs des zweiten Parts sind nämlich gar nicht mehr am Waldschrat-Elektrofolk interessiert, sondern strotzen vor Positivität und vollem Sound. Es sind wohl die lebensbejahendsten und jubilierendsten Stücke aus dem Hause Bon Iver überhaupt. "Everything is peaceful love" ist nicht nur ein Songtitel, sondern das Motto. "Keep the sad shit off the phone / And get your feathers on the road", findet auch das mit reichlich Beat und Hall ausgestattete "I'll be there". Das klappt durchaus. Wenn nicht manchmal die Unbeschwertheit gefährlich nahe an die Seichtheit heranrutschen würde.

"Day one" ist so ein Track, der eigentlich nichts falsch macht, aber mit seinem gutgelaunten Tuten und Blippen eine gewisse Penetranz entwickeln kann, die inmitten bereits ähnlich gelagerter Kompositionen schnell den Insulinspiegel in die Höhe treiben kann. Das erwähnte "I'll be there" schafft zwar mit dem "Tell me more / Or tell me nothing"-Mantra eine einprägsame Hook, aber richtig berührend ist das leider nicht. Vieles auf "Fable" operiert mehr an der Oberfläche, was nach der Introspektion von "Sable" sicher Absicht ist, aber nicht selten als Yang zum Yin sehr gewollt wirkt. Zum Glück ist Vernon aber weiterhin ein Könner und hat auch hier glasklare Perlen untergebracht.

"From" bringt echten Bandsound und damit Schwung in die Bude. Wenig später erreicht die Platte ihren emotionalen Höhepunkt im Duett mit Danielle Haim. "If only I could wait" gesteht Vernon und Haim je eine Strophe aus eigener Sicht zu, bevor alles in einem famosen Finale verglüht. Der äußerst wohlige Comedown heißt "There's a rhythmn" – kein Tippfehler – und beschränkt sich auf wunderhübsches, idyllisches Ausklingen mit einem Schuss Dramatik. Die Chöre schaukeln das Ding in Richtung des Outros "Au revoir", das verklärt in den sternenbedeckten Nachthimmel schaut. Dann haben sich doch wieder alle lieb. "Sable, fable" mag ein paar Mal ungewohnt ruckelig im Getriebe sein, letztlich würde gerade durch das tolle Foto-Finish das Fazit aber einen wunderbaren Albumtitel für Bon Iver abgeben: Ende gut, alles gut.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Things behind things behind things
  • S P E Y S I D E
  • If only I could wait (feat. Danielle Haim)
  • There's a rhythmn

Tracklist

  • Part 1
    1. ...
    2. Things behind things behind things
    3. S P E Y S I D E
    4. Awards season
  • Part 2
    1. Short story
    2. Everything is peaceful love
    3. Walk home
    4. Day one (feat. Dijon & Flock Of Dimes)
    5. From
    6. I'll be there
    7. If only I could wait (feat. Danielle Haim)
    8. There's a rhythmn
    9. Au revoir

Gesamtspielzeit: 41:20 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Vive

Postings: 1146

Registriert seit 26.11.2019

2025-04-23 22:13:41 Uhr
kann ja nicht immer alles besser werden

Marküs

Postings: 1440

Registriert seit 08.02.2018

2025-04-23 21:44:00 Uhr
Früher war alles besser

Vive

Postings: 1146

Registriert seit 26.11.2019

2025-04-23 18:26:04 Uhr
dann habe ich gestern Abend das neue Beirut Album gehört und habe das Gefühl bekommen, dass Vernon das Gespür für die Intimen Momente etwas abhanden gekommen ist

diese aussage hat mich dazu verleitet, mal in die beirut reinzuhören, und ich verstehe voll und ganz, was du meinst.
früher war ich bon iver fan, aber ich sehe das genau so wie du. die beirut ist wirklich um einiges more up my alley

Gomes21

Postings: 5521

Registriert seit 20.06.2013

2025-04-23 10:22:51 Uhr
Ich hatte mitlerweile ne recht versöhnliche Meinung, aber dann habe ich gestern Abend das neue Beirut Album gehört und habe das Gefühl bekommen, dass Vernon das Gespür für die Intimen Momente etwas abhanden gekommen ist. Er berührt mich auch textlich nur noch wenig. Es bleibt ein okayes Album, das ich gut hören kann, das mich aber auch an keiner Stelle beeindruckt.

Zappyesque

Postings: 1023

Registriert seit 22.01.2014

2025-04-23 09:51:34 Uhr
Nach recht ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Album leider recht enttäuschend...

Vor allem klanglich das mit Abstand eindimensionalste seit dem Debüt. "Things Behind Things" ist eigentlich ein ganz schöner Staatschuss, mit "Speyside" geht es auch ganz "schön" weiter - ganz schön reicht aber irgendwie auch nicht. "Awards Season" dann schon der Höhepunkt der Platte für mich, mit der toller Gospelkadenz der scheinbar frei umherraunenden Bläser - somit eine wirklich gute EP, dieses sable. Mit "Short Story" geht es etwas formlos weiter, "Everything is peaceful Love" dann eine schöne RNB Nummer, die nach dem ersten Refrain aber wenig Neues zu Tisch bringt. Ich spar mit das weitere Song by Song - Woran es hier krankt ist für mich der Mangel an Tiefgang in den klanglichen Strukturen. Nach drei Durchgängen ist die Entdeckungsreise gefühlt vorbei, was in der Vergangenheit für meine Begriffe zu den Hauptstärken von Bon Iver gehörte - die breit aufgefächerten Klanglandschaften, dynamische Vielfalt im Instrumentarium, subtil hineinproduziert und verwoben. Ein Grund warum "22, a Million" immer noch so interessant bleibt. Dabei hat er hier solch dynamisch arbeitende Kollaborateure wie Mk.Gee und Dijon an Bord, die hier aber wenig zur Geltung kommen. Das Lowlight "From" ist überladen (symptomatisch für alles was Jacob Collier anfasst), "There's A Rhythm" nur halb so gut wie es sein könnte. Fühlt sich wie ein gehemmter The War on Drugs Song an (ich denke da bspw. an "Strangest Thing").

Nunja - vielleicht ändert sich die Meinung ja nachdem man das Ding ein paar Monate liegen gelassen hat noch mal - kommt ja vor. Zu diesem Zeitpunkt bezweifle ich das aber...
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