Im Zeichen der Drei

Fast eine Reunion: Wie es bei allseits verehrten Gruppen oft vorkommt, taten sich Lush 2015 nach rund zwei Jahrzehnten wieder zusammen. Das jedoch vornehmlich für Konzerte, und als nach nur einer neuen EP der Bassist ein Jahr später wieder ausstieg, hatte sich die Band, die etwa zeitgleich mit Slowdive himmlisch umflorten Shoegaze etablierte und später eine Brit-Pop-Wurmkur durchlief, endgültig erledigt. Nicht jedoch die Laufbahn von Sängerin Miki Berenyi: Die rief wenig später mit Lebensgefährte Kevin McKillop das Quartett Piroshka ins Leben und 2022 das nach ihr benannte Trio, das sich zunächst durch Coverversionen von Lush-Material hervortat. Auch keine rechte Lösung: Die frühere Co-Frontfrau Emma Anderson fehlte, Original-Drummer Chris Acland beging schon 1996 traurigerweise Selbstmord. Doch auch zu dritt musiziert es sich prächtig.

Mit komplett neuem Material, versteht sich. Auch wenn ihre alte Band immer noch in Berenyis Kopf herumspukt. Nebst sozialen Ungerechtigkeiten, der besorgniserregenden (Um-)Weltlage und nagenden Gedanken zur Vergänglichkeit. "Why, when even as a vivid memory makes me smile / I can feel a wave that makes the tears spring in my eyes?" fragt "Kinch" und gedenkt dabei gleichermaßen des verstorbenen Vaters und des früheren Mitmusikers. Dazu beschreibt die Gitarre feinsinnig perlende Texturen, die weich auf flauschigen Keyboards landen, während das Schlagzeug aus dem Nebenraum herüberweht und sich die Stimme körperlos und melancholisch standhaft zu gleichen Teilen über den traumwandlerischen Song legt. Wie bei Lush eben – nur ganz anders, denn McKillop kannte man bisher vor allem von Moose und Bassist Oliver Cherer im Grunde gar nicht.

Im gediegenen Alter von weit über 50 verzichten Berenyi und Kollegen allerdings wohlweislich darauf, die späten Achtziger herbeizuhalluzinieren und potenziell dröhnende Desaster mit komprimiertem Studio-Apparat zu übertünchen. Ebenso wenig hat es "Tripla" nötig, 30 Jahre nach Cool Britannia sorglose Popowackler wie "500 (Shake baby shake)" oder "Single girl" vorzutäuschen, zumal den späten Lush die sardonischen Gemeinheiten "Ladykillers" und "Ciao!" stets besser standen. Stattdessen spricht respektive flötet "8th deadly sin" direkt zu Beginn warnende Worte, lässt das gebremste Riff-Schreng zackig verhallen und macht es sich auf der Keyboard-Auslegeware ungemütlich. Da wird Dream-Pop zum Albtraum mit skelettierten Bäumen, sterbenden Bienen und Meeren voller Plastik – und der formschöne Opener zum sanft harmonierenden Mahnpark.

Trotzdem täuscht Berenyis Stimme nicht immer darüber hinweg, dass "Tripla" auch kratzbürstig kann. Nach dem flockig bei Trance und Trip-Hop wildernden "Vertigo" strebt "Gango" samt Prengel-Bass und Synth-Sirene einem tosenden Finale entgegen, und auch der tolle Groover "Big I am" beweist mit präzisen Psych-Gitarren und funky Geklapper eine geerdete Grandezza, die in jüngeren Jahren wohl Empowerment hieße. Das gekippte "A different girl" hingegen betrauert zementierte Klassenunterschiede und bleibt dennoch stolz wie Oskar. Abteilung: Some girls are bigger than others. Umso mehr ins Fleisch schneidet das tighte, rhythmische Zischeln von "Hurricane", ehe sich gegen Ende weichstichige Streicherflächen die Ruhe antun und das illustre Trio das Debüt von Berenyis dritter Band-Inkarnation würdevoll beschließt. Aller guten Dinge sind nämlich? Genau.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

• 8th deadly sin
• Kinch
• Big I am

Tracklist

1. 8th deadly sin
2. Kinch
3. Vertigo
4. Gango
5. A different girl
6. Big I am
7. Hurricane
8. Manu
9. Ubique

Gesamtspielzeit: 40:43 min.

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Referenzen

Lush; Piroshka; Moose; Emma Anderson; All Seeing Dolls; Another Sky; The Organ; Chastity Belt; Deary; Beach House; Cocteau Twins; Mazzy Star; Slowdive; The Soft Cavalry; Minor Victories; Mojave 3; Maria Somerville; Galaxie 500; Postcards; Widowspeak; A Sunny Day In Glasgow; Asobi Seksu; Glazyhaze; Terraplana; Chorusgirl; Letting Up Despite Great Faults; Swirlies; Whitelands; Fazerdaze; Desperate Journalist; Porridge Radio; Moreish Idols; NewDad; Dream Wife; Goldfrapp; Yeah Yeah Yeahs; Republica; Elastica; Sleeper; Echobelly; Kenickie; The Sundays; Cranes; One Dove; Dot Allison; Dubstar; School Of Seven Bells; Curve; Chapterhouse; My Bloody Valentine; Pale Saints; Drop Nineteens; Peel Dream Magazine; Loop; Love Spirals Downwards; Malory; Blushing; Pinkshinyultrablast; Astrobrite; Bria Salmena; Supergrass; Modern English

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• Miki Berenyi Trio - Tripla (14 Beiträge / Letzter am 24.04.2025 - 15:57 Uhr)

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