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Craig Finn - Always been

Craig Finn- Always been

Tamarac / Membran
VÖ: 04.04.2025

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ein Priester in der Krise

Craig Finn muss eigentlich niemandem mehr beweisen, dass die erzählerische Dichte seiner Songs mit besseren Romanen mithalten kann. Dennoch bezeichnet er sein sechstes Solo-Album "Always been" als seine "narrativste" Platte bisher. Kannte man ihn nicht besser, würde man dahinter einen typischen Promo-Superlativ vermuten, doch Finn hat keineswegs Unrecht. Zum ersten Mal spannt der The-Hold-Steady-Frontmann nämlich kein Panorama desillusionierter Figuren auf, sondern fokussiert von Anfang bis Ende einen einzelnen Protagonisten: einen Geistlichen ohne Glauben, der in bester Craig-Finn-Manier zwischen bröckelnden Beziehungen, Alkoholeinfluss und halbherzigen Aufbruchsversuchen den Sinn hinter dem komplizierten Ding namens Leben sucht. Damit erreicht "Always been", so viel sei vorwegzunehmen, nicht ganz die bewegende Vielschichtigkeit seines Vorgängers "A legacy of rentals", zielt aber ohnehin auf eine andere Grundstimmung ab. Für diese hauptverantwortlich zeichnet sich Produzent Adam Granduciel, der nicht nur selbst an Gitarre und Synths in Erscheinung tritt, sondern auch ein paar seiner The-War-On-Drugs-Kollegen als Backing-Band mitgebracht hat – und Finns Geschichten zumindest auf musikalischer Ebene mit etwas mehr Euphorie und Unbeschwertheit als zuletzt ausstattet.

So reibt sich der Sound auf spannende Weise mit den oft nur wenig Trost spendenden Worten auf. Durch den Opener "Bethany" geistern glückliche Erinnerungen und "Was wäre, wenn?"-Gedanken, doch am Ende bleiben der Frust über eine geheuchelte Profession und eine kaputte Liebe. Die Band spielt dazu einen luftigen, frühlingshaften Rhythmus, und wenn Finn die Erkenntnis "I can see why you no longer want to be with me" ausstößt, kontert Granduciel mit einem alle Zweifel aufwischenden Solo. Im Anschluss folgt fideles Uptempo, während der Erzähler seine Unzulänglichkeiten auf die Außenwelt schiebt und all seine Probleme gelöst sieht, würde er nur mehr mit "People of substance" abhängen. Trotz der bedrückenden Themen versammelt "Always been" ein paar der schmissigsten Nummern aus Finns Solo-Werk. "Luke & Leanna" eröffnet einen Nebenstrang über das titelgebende Paar und gleitet dazu auf Synthies, die den 80er-Springsteen stolz machen würden. Den intensivsten Zug entwickelt das famose "A man needs a vocation", in dem sich Finns ungewohnt melodische Gesangslinien zu richtigen Hooks formen und die Saiten unter der kalifornischen Sonne brutzeln dürfen.

Die großen Refrains hat sich der Mann aus Minnesota inzwischen abgewöhnt, doch auch ohne diese feiert die Musik genug Triumphe, wenn im zu Beginn des nur klavierbegleiteten "Crumbs" der Rest der Band einsetzt oder wenn das von einem kaum vernehmbaren Sam Fender unterstützte "Postcards" seine angestaute Energie in einem endlosen Instrumentalpart entlädt. Wie immer beeindruckt am meisten jedoch Finns Talent, unheimlich nahegehende Schicksale in nur wenigen Zeilen auszudrücken. Ein Stein im Schuh erinnert den Protagonisten in "I walk with a cane" an eine Freundschaft, die ein trauriges Ende nahm: "Dragged him into the bathtub / Let loose the cold water / … / I'm sorry that I left so abruptly / I'm sorry but I really had to run / The paramedics usually know exactly what they're doing / If there's something to be done." Das minimalistische Herzstück "Fletcher's" reiht sich bei Finns großen Spoken-Word-Songs ein, begleitet mit perfekt gesetzten Akzenten und Verschiebungen die zarte Hoffnung, die zwischen dem Elend keimt: "Now my voice was cracking / Pretty close to crying / She put her head against my shoulder / Said, 'The ones that we've known longest can put us down the strongest' / I put my arm around her and we sat and watched the water." Eine kleine Erlösung fürs gebeutelte Herz und der erneute Reminder, dass die Welt ohne Craig Finns Geschichten ein gutes Stück ärmer wäre.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Fletcher's
  • A man needs a vocation
  • Postcards

Tracklist

  1. Bethany
  2. People of substance
  3. Crumbs
  4. Luke & Leanna
  5. The man I've always been
  6. Fletcher's
  7. A man needs a vocation
  8. I walk with a cane
  9. Clayton
  10. Postcards
  11. Shamrock

Gesamtspielzeit: 49:50 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Grizzly Adams

Postings: 5873

Registriert seit 22.08.2019

2025-04-07 17:15:05 Uhr
Einem, dem ich einfach gerne zuhöre, wenn er seine Geschichten erzählt und manchmal auch singt ;-) nicht sein bestes Werk aufs erste Ohr, aber immer noch besser als nur stabil. Bin bei einer 7/10.

Hierkannmanparken

Postings: 2113

Registriert seit 22.10.2021

2025-04-04 09:49:06 Uhr
Tja, wäre Kozelek ein bisschen lieber gewesen, hätte er die War on Drugs auch als Background haben können.

MickHead

Postings: 4578

Registriert seit 21.01.2024

2025-04-04 08:40:38 Uhr
Jetzt komplett bei Bandcamp:

https://craigfinn.bandcamp.com/album/always-been

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28473

Registriert seit 08.01.2012

2025-04-02 19:47:39 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Grizzly Adams

Postings: 5873

Registriert seit 22.08.2019

2025-03-24 17:33:41 Uhr
Vorgemerkt!
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