Anika - Abyss

Sacred Bones / Cargo
VÖ: 04.04.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Oh, make me over
Kommt die Rockmusik zurück? Fragt sich das der Musikjournalismus nicht alle paar Jahre? Oft mit den Einschubworten "wirklich", "doch nochmal", "eines Tages" oder "endlich". Leser von Plattentests.de wissen es selbstverständlich besser: Die Rockmusik war niemals weg. Trotzdem ist in letzter Zeit durchaus und gerade bei Musikerinnen eine Häufung rockorientierter Platten zu erkennen, gerne auch mit direktem oder indirektem Bezug auf die 90er-Jahre. Ein gutes Beispiel dafür bietet die neue Platte von Anika.
Annika Henderson, Britin mit Berlin als Wahlheimat, hat seit ihrem vor 15 Jahren erschienenen Debütalbum trotz überschaubar wirkender Diskografie eine ziemliche musikalische Entwicklung genommen. Nahm sie damals in kürzester Zeit mit Unterstützung von Geoff Barrow – der ursprünglich eine Sängerin für sein Projekt Beak> gesucht hatte – eine kurze, bewusst eckige Platte auf, die außerdem zu mehr als der Hälfte aus Coverversionen bestand, tobte Anika sich anschließend im Bandgefüge mit Exploded View aus, bevor sie elf Jahre später mit "Change" ihr zweites Album veröffentlichte. Immer noch kantig, aber mit mehr Elektronik, mehr Sound, mehr Spannung. Vielleicht fehlten hier und da noch die markanten Songs. Die gibt es nun endlich auf "Abyss".
Was alle drei Platten eint: Die Künstlerin bevorzugt den direkten Weg zur finalen Aufnahme. So wurde das Ganze in den berühmten Berliner Hansa Studios ohne große Nachbearbeitung live aufs Tape gebannt. Unterstützt durch Martin Thulin, ihren Bandkollegen bei Exploded View, und befreundete Musiker an den Instrumenten, war der Blick in den Abgrund in wenigen Tagen im Kasten. Und dieses Rohe hört man auch. Nur mit einer neuerdings verstärkten Konzentration auf gitarrenorientierte Sounds. Grunge, Indie, 90er. Anika hat viel "Celebrity skin" von Hole gehört, sagt sie. Passt. Auch wenn sie natürlich nicht nach Courtney Love klingt, sondern nach wie vor eher nach einer modernen Nico mit mehr Gesangstalent.
Allen voran – oder eher allen davon? – stürmt das mitreißende "Walk away". Drängende Gitarren, scheppernde Drums, ein Mittelfinger an den Antagonisten, aber ein Refrain zum Niederküssen. Der Opener "Hearsay", eine Abrechnung mit allerlei (medialen) Manipulationen, ist ähnlich dynamisch und mit post-punkigem Basslauf unterwegs. Der Titelsong erinnert dagegen neben den erwähnten Hole an die frühe PJ Harvey, und auch Patti Smith ist nicht weit weg. Während "Into the fire" eine willkommene Atempause gewährt, löst "Oxygen" mit einem irgendwie unrunden Beat unruhigen Puls aus. "Out of the shadow" gönnt sich 50 Sekunden Intro – und hämmert dann in zwei Minuten alles zu Brei. Und weil alles gerade so aufgewühlt ist, thematisiert "One way ticket" gleich noch den aufkommenden Neofaschismus. Nicht einmal der "Last song" lässt viel Entspannung zu. Wie gut, dass danach mit dem luftigen "Buttercups" doch noch ein Stück zum Runterkommen einlädt. Solange man nicht nachgrübelt, ob die Ranunkeln wirklich zu einem erfreulichen Anlass mitgebracht wurden.
Highlights
- Hearsay
- Abyss
- Walk away
- Oxygen
Tracklist
- Hearsay
- Abyss
- Honey
- Walk away
- Into the fire
- Oxygen
- Out of the shadows
- One way ticket
- Last song
- Buttercups
Gesamtspielzeit: 36:00 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Hierkannmanparken Postings: 2113 Registriert seit 22.10.2021 |
2025-04-12 10:40:53 Uhr
Mir gefällt's auch richtig gut! Hat was von Jefferson Airplane (besonders Walk Away), und ich mag diesen vollen Bassgitarrensound, der dann zb im Abyss-Refrain schön reinhaut. |
ijb Postings: 7001 Registriert seit 30.12.2018 |
2025-04-09 15:15:54 Uhr
Ja, ich verstehe das auch als mantra-haft / hypnotisch und finde das auch nicht so nervig wie bei Popsongs, die als Hymne konzipiert sind, aber dann ausgerechnet im Refrain mit Einfallslosigkeit underwhelmen, ad hoc fallen mir ein paar Hits von den Manic Street Preachers ein oder leider auch ein paar Songs vom späten Phillip Boa. |
Vive Postings: 1133 Registriert seit 26.11.2019 |
2025-04-09 11:15:32 Uhr
glaub aber das soll genau so mantra-haft sein |
Lichtgestalt User Postings: 6379 Registriert seit 02.07.2013 |
2025-04-09 11:08:27 Uhr
Etwas habe ich zu kritisieren, ist aber jammern auf hohem Berggipfel:Textlich wird in den Refrains etwas zu sehr auf Wiederholung gesetzt, Beispiele Hearsay, Oxygen oder One way ticket. Das könnte variabler sein. |
Vive Postings: 1133 Registriert seit 26.11.2019 |
2025-04-09 08:11:39 Uhr
come as you are in this wilderness |
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Referenzen
Exploded View; Chelsea Wolfe; PJ Harvey; Hole; Nico; Pip Blom; Cate Le Bon; Angel Olsen; Sky Ferreira; Sophie Hunger; Billy Nomates; Marissa Nadler; Daughter; Blood Red Shoes; Jenny Hval; Melissa Auf Der Maur; Torres; Emma Ruth Rundle; Nabihah Iqbal; Throwing Shade; Beach House; HVOB; Purity Ring; Mazzy Star; Slowdive; My Bloody Valentine; Let's Eat Grandma; Japanese Breakfast; Porridge Radio; Imogen Heap; Dillon; Low; The Mary Onettes; Patti Smith; Geoff Barrow; Mueran Humanos; The Pleasure Majenta; Bauhaus; The Velvet Underground
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