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Perfume Genius - Glory

Perfume Genius- Glory

Matador / Beggars / Indigo
VÖ: 28.03.2025

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Auf dem Boden der Tatsachen

"Can I move forward without knowing specifics?", fragt Mike Hadreas im Opener "It's a mirror" auf dem siebten Perfume-Genius-Album "Glory". Es passt zu seiner Musik. Die Zeit von homogenen Frühwerken wie "Learning" und "Put your back in 2 it", die noch mit Fokus auf Klavier und Vocals auskamen, ist längst vorbei. Seine nachfolgenden Werke wirken oft, als hätten sie kein Zentrum, weil sie sich ungern auf einen Stil festlegen, und trotzdem scheinen sie unbeirrt ein Ziel zu verfolgen. Das gilt auch für diese elf Songs. Klar, "Me & Angel" ist trotzdem ein sehnsuchtsvolles Liebeslied, getragen durch zarte Percussion und eben die schwarzweißen Tasten, die die Welt bedeuten – das kann Hadreas immer noch. Auch "Dion" schreitet als getragener Piano-Walzer durch Sonnenstrahlen in verrauchten Zimmern. "Glory" bewegt sich jedoch sonst in eine ganz andere Richtung. "It's a mirror" schielt mit seinem Fokus auf Gitarren zu Folk und Country hinüber, traut sich zum Höhepunkt aber auch, an Lautstärke zu gewinnen. "It's a mirror, holy terror / Taking focus off the horizon / It's a chorus reaching for us / Swarming locusts wherever you go." Puh.

"No front teeth", das Duett mit Aldous Harding, hält sich ebenfalls lieber an Sechssaiter und lässt zum Finale sogar ein besonders verzerrtes Exemplar durch die Gegend heulen, als Abschluss für diesen fantastischen Doppelschlag zum Albumauftakt. Hier haben sich zwei sympathische und äußerst talentierte Weirdos gefunden. "Better days / Nothing touch me / Let it take everything that I love", ertönt es glockenhell von Harding. "Glory" beschäftigt sich an einigen Stellen mit Verlust oder Verlustängsten. Auf dem Cover scheint sich Hadreas diesen Gefühlen quasi lethargisch zu ergeben, liegt auf dem Boden wie von einer riesigen unsichtbaren Hand dort abgelegt. Aus dieser Pose kommt womöglich ein Stück wie "Capezio", das sich in reduzierter Repetition übt, während Hadreas im Falsett darübersingt. Ein gewisser "Jason" taucht nach "Set my heart on fire immediately" erneut auf: "Holding my breath on the other side of Jason / And then she tells me to stop / It only works when someone is between us / I took a scribbled note / In the Capezio."

Mysterien wie diese durchziehen "Glory". Obwohl es wieder etwas zugänglicher als seine Vorgänger, insbesondere der Kunst-Pop von "Ugly season", daherkommt, ist es keinesfalls einfach zu durchschauen. Das fidel hoppelnde "In a row" weiß trotz allem nicht, wie es sich aus seiner misslichen Lage befreien soll: "Locked inside a moving car / Flopping in the trunk / [...] / I hear murmurs from the front, broken up / I don't even know what's going on / Isn't that something?" Das beruhigte "Left for tomorrow" zeichnet mit "The other end is just heavy breathing / I bury the phone in Clover" ebenfalls seltsame Bilder, bevor ein greller Ton sich in den Vordergrund schält. Mysteriös ist auch "Hanging out" geraten, klapprige Percussion und konspiratives Flüstern inklusive. "Glory" lebt von solchen Miniaturen, die eine kleine, atmosphärische Welt in sich aufbauen. In der man rätseln darf, was "I saw every quarterback crying" für eine Bedeutung haben mag.

"Time, it makes a clean heart / When you're miles away from it all / And the dream is gone", gibt Hadreas im dreivierteltaktierenden "Clean heart" zu spärlichen Drums zu Protokoll. Da sind sie wieder, die Dinge, die verloren gehen, die Träume, die zerplatzen. "Glory" kann, gerade weil es so häufig auf typisch US-amerikanische Stile schielt, durchaus als Kommentar zum Zeitgeschehen aus Hadreas' Brille interpretiert werden. Die Hilflosigkeit von "In a row", das Klammern an den Liebsten in "Me & Angel", die emotionale Abkapslung von allem, das wegnehmen will, in "No front teeth". Er ist natürlich viel zu clever, um nur eine eindimensionale Deutungsweise zuzulassen, sodass "Glory" mit Sicherheit auch in anderen Zeiten Bestand haben wird. Für den Moment tröstet es, ohne Augenwischerei zu betreiben. "Broken apart and shining" – jetzt und immer.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • It's a mirror
  • No front teeth (feat. Aldous Harding)
  • Left for tomorrow
  • In a row

Tracklist

  1. It's a mirror
  2. No front teeth (feat. Aldous Harding)
  3. Clean heart
  4. Me & Angel
  5. Left for tomorrow
  6. Full on
  7. Capezio
  8. Dion
  9. In a row
  10. Hanging out
  11. Glory

Gesamtspielzeit: 41:20 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Lucas mit K

Postings: 91

Registriert seit 19.07.2024

2025-04-05 11:49:36 Uhr
Gestern nach mehrmaligem Hören hat es gezündet. Tolles Album. Vielleicht ein oder zwei ruhige Stücke zu viel. Hätte mir gern mehr im Stile des Openers gewünscht. Aber das ist Meckern auf sehr hohem Niveau.

Highlights: Die ersten beiden, „Me & Angel“, „Left For Tomorrow“, „Capezio“.

Bei „Hanging Out“ musste ich an Low denken, besonders die letzten beiden Alben.

MickHead

Postings: 4577

Registriert seit 21.01.2024

2025-04-05 11:19:23 Uhr
It's A Mirror live bei Jimmy Fallon

https://www.youtube.com/watch?v=SMKaccS9ZFc

humbert humbert

Postings: 2479

Registriert seit 13.06.2013

2025-04-04 18:15:08 Uhr
Schönes Album wieder. Ich finde aber Ugly Season noch etwas besser, da es einfach spannendere Song hatte.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 34602

Registriert seit 07.06.2013

2025-04-03 00:09:06 Uhr
Mega tiefenentspanntes Ding irgendwie.

MrMan

Postings: 238

Registriert seit 05.09.2019

2025-04-03 00:04:29 Uhr
Ab "Full On" ist es wirklich stark, davor schon sehr gut.
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