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Mia Morgan - Silber

Mia Morgan- Silber

Wiedergänger / Recordjet
VÖ: 21.03.2025

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Verballert

Auf klarer Linie zwischen Zuckerwatte und Presslufthammer: Mia Morgan hat keinen Bock mehr auf Labels wie "harmlos" oder "nur halb so edgy, wie sie sein will", sondern geht voll-frontal in die Offensive. "Ein Herz aus Gold und Rosen" tarnt sich noch kurz als balladesker Songwriter-Einstieg, dann kommt die Kasselerin auf der Abrissbirne sitzend durch die Wand gekracht und rockt auch den Rest des Hauses in Grund und Boden. Hut ab: Das von Lyschkos Lukas Korn produzierte und unter anderem auch unter Beteiligung von Van Holzens Florian Kiesling entstandene "Silber" ist vor allem prall und bombastisch – und am Ende irgendwo auch das erste Nu-NNDW-Crossover-Album für die Generation Z. Denn Morgan pflügt einmal quer durch ihr Archiv an 2000er-Referenzen, das Ganze klingt trotz Pomp und Pathos dennoch stellenweise so, als sei es nur am heimischen Rechner entstanden, und selbstverständlich wird es auch wieder mit hochaktuellen textlichen Perspektiven gefüttert. Das nennt man dann wohl "postmodern" oder so – in erster Linie aber ist es völlig schmerzbefreit und nimmt keine Rücksicht auf Verluste.

Der Spagat zwischen Gen-Z-Themen und Millennial-Sounds allein ist dabei aber noch lang kein Garant für den ganz großen Erfolg. Bretthart-technoides Geballer geht nämlich auf zweierlei Art. Während "Niemand" durch einen brutalen Text glänzt – warum den erlittenen Schaden durch den toxischen Ex der Unfairness halber nicht an einen unschuldigen Dritten vererben? –, geht der Inhalt bei "(Spielen mit den großen) Jungs" bei all der Irritation, dass der Song nach einer gottlosen Fusion aus Nine Inch Nails und Babymetal klingt, dezent flöten. Richtiger Glitch ist dann auch "Teil der Maschine" nicht, aber es steuert unbeirrt darauf zu. "Alles, was mich menschlich macht, verachte ich", deklariert Morgan hier noch kühl, gibt sich ansonsten aber nur allzu menschlich und verwundbar. Der tadellose Pop-Rocker "Echo" bringt dieses Ding mit der verdammten Selbstliebe wunderbar treffend auf den Punkt, und auch "Indeinerhaut" wäre für eine Nacht so gern jemand anders. "1000 kleine Tode" spielt derweil mit religiöser Symbolik, handelt im Endeffekt aber auch bloß von wahnhafter Unbelehrbarkeit und der bittersüßen Selbstzerstörung, die alle einseitig Verliebten so gut kennen.

Schön: "Gift" bleibt beim 80er-Glitzer-Synthpop und wird nicht durch eine Todesschwadron aus Riffs und Breaks niedergewalzt. Zuvor versucht sich "Trostpreis/Schwert" an einem hochintensiven, ambient-artigen Zwischenspiel. "Silber" bereitet sich auf diese Weise behutsam auf seine größte Überraschung vor: Mit "VaterMutterTochter" gelingt Morgan mit gehörigem Abstand ihr bisher allerbester Song, eine zutiefst berührende Abhandlung über familiäre Rollenbilder und Erwartungshaltungen in fünfminutiger Alternative-Schwermut. Irre. Bei dieser Eleganz ist es zu verkraften, dass sich eine etwas langweiligere Komposition wie "Flügel voller Teer" auf das Album geschlichen hat oder der dicke Band-Sound gerade beim Semi-Titeltrack "Silbertablett" doch arg danach klingt, als hätte man bei Cubase und Co. das Tool "amtlicher Rock-Song" eingestellt. Für den fies-simplen Ohrwurm "Mitten in den Massen" lässt Morgan den Baseballschläger am Ende ebenfalls in der Tasche. "Silber" mag ein wenig überladen sein und als Songzusammenstellung auch nicht perfekt. In seiner schonungslosen Aufrichtigkeit und dem Willen zum kleinen Stilbruch ist es allerdings auch außerordentlich ergreifend und mutig.

(Ralf Hoff)

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Highlights

  • Niemand
  • 1000 kleine Tode
  • VaterMutterTochter
  • Echo

Tracklist

  1. Ein Herz aus Gold und Rosen
  2. Silbertablett
  3. Niemand
  4. 1000 kleine Tode
  5. (Spielen mit den großen) Jungs
  6. Teil der Maschine
  7. Indeinerhaut
  8. Trostpreis/Schwert
  9. Gift
  10. Flügel voller Teer
  11. Mitten in den Massen
  12. VaterMutterTochter
  13. Echo

Gesamtspielzeit: 42:30 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Edrol

Postings: 565

Registriert seit 19.10.2018

2025-03-23 10:22:58 Uhr
Rein subjektiv sagte mir der Sound von "Gruftpop" und "Fleisch" mehr zu, aber ich mag auch dieses Album. Was "VaterMutterTochter" angeht, muss ich dem Rezensenten klar zustimmen - ein 10/10-Song. Für das Album würde ich eine knappe 7/10 geben.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 11383

Registriert seit 23.07.2014

2025-03-19 20:10:36 Uhr
Oh, gar nicht mitbekommen, dass es ein neues kommt. Bin gespannt.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28471

Registriert seit 08.01.2012

2025-03-19 19:36:55 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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