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Japanese Breakfast - For melancholy brunettes (& sad women)

Japanese Breakfast- For melancholy brunettes (& sad women)

Dead Oceans / Cargo
VÖ: 21.03.2025

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Überm Berg

Michelle Zauner ist eigentlich bereits zu einem anderen Planeten abgehoben, doch mittlerweile macht ihr der eigene Höhenflug Angst. "I was flying too close to the sun, and I realized if I kept going I was going to die", sagt sie in Anlehnung an den Ikarus-Mythos. Die Leaderin des Bandprojekts Japanese Breakfast erfuhr nicht nur mit dessen drittem Album "Jubilee" einen Popularitätsschub, ihre Memoiren "Crying in H Mart" blieben auch 60 Wochen lang in der Bestseller-Liste der New York Times. Um diesen Erfolgen entgegenzuwirken, markiert "For melancholy brunettes (& sad women)" in zweierlei Hinsicht eine Zäsur. Zum einen streicht Zauner den offensiven Synth-Pop und die bunten stilistischen Ausflüge des Vorgängers zugunsten eines zarten Akustik-Pops mit orchestralen Verzweigungen und ein paar entscheidenden Ausbrüchen. Zum anderen rückt der Tod von Zauners Mutter, der im Grunde ihr komplettes Kunstschaffen prägte, ganz klar in den Hintergrund und macht Inspirationen aus der europäischen Hochkultur Platz. Namen wie Degas, Caspar David Friedrich und Thomas Mann fallen im Promo-Text einer Platte, die selbst keinen Deut überladen wirkt, sondern vor einer zurückhaltenden Schönheit erstrahlt.

Sie habe ihre Gitarre vermisst, erklärte Zauner im Vorfeld des Albums, meinte damit aber offenbar nicht primär die elektrische. Der Opener "Here is someone" lässt einen ganzen Wasserfall akustischer Saiten sprudeln, wobei zu den genutzten Instrumenten eine Mandoline ebenso wie eine Sarod, eine indische Langhalslaute, gehört. Das vorab ausgekoppelte "Orlando in love" setzt in Sachen Wohlklang noch einen drauf, verweist mit seiner Percussion und den Panoramen umspannenden Streichern jedoch mehr auf klassische US-Western als auf die italienische Renaissance, aus der das titelgebende Werk stammt. Inmitten dieses fragilen Kontexts wirkt es umso intensiver, wenn Zauner doch die Verstärker anschmeißt. Mit wuchtigen Drums von Matt Chamberlain erzeugt "Honey water" einen raumfüllenden Shoegaze-Strudel, der in der Halbzeit kurz mit ominösem Piano zusammensackt, nur um noch hypnotischer zurückzukommen und seinen Starkstrom-Noise zu entladen. Das hat allerwenigstens "Song des Quartals"-Potenzial.

Der Track ist eine von drei Nummern, die dank handfesterem Rhythmus als Rocksongs durchgehen. Die anderen beiden, "Mega circuit" und "Picture window", schweben allerdings nicht in den Kosmos davon, sondern bleiben mit Country-naher Instrumentierung am Boden, wobei vor allem letzteres mit seinen Slide-Gitarren und dem flehenden Refrain viel Zug entwickelt. Wer Japanese Breakfast hauptsächlich für die Genre-Vielfalt schätzte, könnte mit "For melancholy brunettes (& sad women)" so manches Problem bekommen. Anderen gefällt womöglich genau diese erdige Homogenität der Platte, die im Sinne ihrer Diskografie-Stellung etwas an Mitskis "The land is inhospitable and so are we" erinnert. Angesichts solcher Melodien wie im wundervoll perlenden "Leda" erübrigen sich aber alle derartigen Überlegungen – es ist kaum vorstellbar, dass jedwede Liebhaber*innen guter Musik hier unberührt bleiben.

Bei der stilsicheren Etablierung des Albumsounds ist es dann auch gar nicht mal so erstaunlich, dass ausgerechnet Jeff Bridges in "Men in bars" als Duettpartner auftritt – mit "Crazy heart" und seinem selbstbetitelten Solo-Album hat sich der Schauspieler ja bereits als Americana-Barde profiliert. In der Rolle eines destruktiven Paars wetzen er und Zauner unter der akustischen Sanftheit die Messer, bevor "Winter in LA" mit ausnahmsweise dominantem Piano einen schwelgerischen Oldschool-Soul-Vibe auffährt. Am Ende nutzt "Magic mountain" Manns "Zauberberg" als Metapher für künstlerischen Narzissmus und sorgt trotz Anstrengung eines aufmüpfigen Cellos dafür, dass endgültig die Schwerelosigkeit einsetzt. Wenn Michelle Zauner schon nicht mehr in Sonnennähe emporsteigen möchte, übernehmen es halt ihre Hörer*innen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Orlando in love
  • Honey water
  • Leda
  • Men in bars (feat. Jeff Bridges)

Tracklist

  1. Here is someone
  2. Orlando in love
  3. Honey water
  4. Mega circuit
  5. Little girl
  6. Leda
  7. Picture window
  8. Men in bars (feat. Jeff Bridges)
  9. Winter in LA
  10. Magic mountain

Gesamtspielzeit: 32:28 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

saihttam

Postings: 2624

Registriert seit 15.06.2013

2025-03-25 23:46:06 Uhr
Ich mochte die ersten Durchgänge sehr. Wunderbar wohlige Grundstimmung! Aber ja, die Songs müssen sich noch etwas herausschälen.

Francois

Postings: 1266

Registriert seit 26.11.2019

2025-03-25 09:22:16 Uhr
plätschern triffts gut... Diese besonderen Momente, die es auf Jubilee ja gefühlt in Hülle und Fülle gab, halten sich noch gut versteckt

Lucas mit K

Postings: 91

Registriert seit 19.07.2024

2025-03-25 08:30:35 Uhr
Nach dreimal Hören hat sich seltsamerweise noch nicht so viel herausgeschält. Neben den zwei Vorabsongs sind bisher „Honey Water“ und „Picture Window“ Highlights, die ruhigeren Stücke plätschern noch etwas unscheinbar vor sich hin.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 11383

Registriert seit 23.07.2014

2025-03-21 12:19:45 Uhr
Ich finde das ein bisschen überflüssig, am Releasetag die Alben immer auf bandcamp oder youtube zu verlinken. Wenn man die Sachen zu Release hören möchte, sucht man sie doch sowieso auf den jeweiligen Plattformen heraus.

MickHead

Postings: 4568

Registriert seit 21.01.2024

2025-03-21 11:35:23 Uhr
Jetzt komplett bei Bandcamp:

https://michellezauner.bandcamp.com/album/for-melancholy-brunettes-sad-women
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