Lady Gaga - Mayhem

Streamline / Interscope / Universal
VÖ: 07.03.2025
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Dance in the dark
Man muss nur zur rechten Zeit geboren werden. Als ich Kind war, kam noch regelmäßig jedes Jahr mindestens ein neues Album von Rolf Zuckowski heraus, während Die Schlümpfe bekannte Hits verballhornten. Die Hochphasen von New Metal und meiner Pubertät fielen in etwa zeitlich zusammen, damit gaben sich sinnlose Wut und stumpfes Edgelord-Verhalten die Hand. Kurze Zeit später entdeckte ich richtige Musik, gerade als die Indie-Welt in der ersten Hälfte der 2000er-Jahre den größten Einfluss auf den Mainstream nehmen konnte. Und zur Zeit meines Coming-outs zu Studiumszeiten war großflächiger EDM der Stil der Stunde und Lady Gaga mit ihrem Debüt "The fame" an der Speerspitze. Klar, zu "I wanna take a ride on your disco stick" rieb es sich im Zappelschuppen unglaublich gut aneinander, während Frau Germanotta kurz darauf mit dem angedunkelten, aber nicht minder hitlastigen "The fame monster" bewies, dass man sie als Künstlerin ernst nehmen muss. Genau hierhin kehrt sie über 15 Jahre später mit "Mayhem" zurück: verdammt eingängige Songs, die thematisch leicht abseitig daherkommen, aber nie ihr Ohrwurm-Potenzial dafür opfern – zu einer Zeit, in der Unbeschwertheit absolute Mangelware ist und man gern alles um sich herum beim Tanzen vergessen möchte. Und sei es nur um den Staubsauger rum. Was ich damit sagen will: Es trifft gerade absolut einen Nerv.
Opener und Single "Disease" verbindet bereits unnachahmlich dieses zwingende Element mit typischen Gagaismen wie "Poison on the inside / I can be your antidote tonight" – nie so düster wie gewollt, sinnlos, aber es klingt gut. Wenn sie in der Coda wie eine wildgewordene Banshee durch das Chaos schreit, fährt es aber dennoch einmal kalt den Rücken runter. Dieser Song wird jedoch direkt im Hattrick gleich getoppt. "Abracadabra, amor, ooh-na-na / Abracadabra, morta, ooh-ga-ga" könnte kein deutlicherer Rückgriff auf "Bad romance" sein, und das Erstaunliche ist, dass "Abracadabra" sich dank fantastischem Refrain und schön querschießender Bridge sogar mit diesem Klassiker messen kann. "Garden of Eden" packt gleich noch eine großartige Melodie obendrauf und versetzt mindestens in den siebten Pop-Himmel, während "Perfect celebrity" sich zu herrlich bratzigen Gitarren ein weiteres mal den Schattenseiten des Ruhms widmet: "Choke on the fame and hope it gets you high / Sit in the front row, watch the princess die." Das macht einfach unfassbar viel Bock.
"Mayhem" hält zwar nicht durchgehend die wirklich schwindeligen Höhen des Anfangs, reißt aber trotzdem nicht ab. "Zombieboy" sehnt sich nach einem halb zerfallen(d)en Lover, der Sound pivotiert zu moroderndem Disco. Es warten noch mehr Ungeheuer, etwa der Werwolf in der dramatischen Ballade "The beast", der mit "You can't hide who you are / Eleven fifty-nine" beschworen und begehrt wird. "Killah" ergeht sich in trockenem Funk, "Shadow of a man" klingt dagegen eher, als ob sie sich erneut einen Fleisch-Dress für die nächste Gala zurechtzimmert, jedenfalls surrt es im finalen Refrain so wie beim Metzger. Das beschwingte "Don't call tonight" lässt nicht nur an ihr eigenes "Alejandro" – und damit ABBA – denken, irgendwo tief drin hallt auch ein melodisches Echo von A-Has "The sun always shines on T.V." nach. Das täuschendste Halloween-Kostüm trägt Gaga jedoch im ziemlich todsicheren Hit "How bad do u want me": Wäre dieser Song in das Vault von Taylor Swifts "1989" geschmuggelt worden, niemand würde auch nur eine Augenbraue hochziehen. Und das Ding in die Highlights aufnehmen.
Alles funktioniert. "Mayhem" ist all das, was man sich von einem Lady-Gaga-Album in 2025 erhoffen konnte, und mehr, nachdem "Chromatica" mit seinen French-House-Anleihen schon eine sehr erfreuliche Entwicklung war. Selbst ein mutmaßlicher Betriebsunfall hat ein positives Outcome: Das Bruno-Mars-Duett "Die with a smile" wirkt, als ob es durch seinen Status als Nummer-Eins-Hit in einem "Ööhh, na gut"-Move ans Ende der Platte getackert wurde – viel zu leise, weil man noch nicht mal die Lautstärke an den Rest angepasst hat. Und doch schmiegt sich die Soft-Rock-Nummer sehr hübsch an das vorige Klavier-Drama "Blade of grass" an und ist ein überraschend runder Abschluss für Gagas bestes Album seit (oder wahlweise hinter) "The fame monster". Es ist wieder an der Zeit, unterm Stroboskop Schwachsinn wie "Hold my in your heart tonight / In the magic of the dark moonlight" oder "Put your paws all over me, you zombie boy!" zu schreien und dabei den Exorzismus zu tanzen. Wie zu besseren Zeiten. Wir haben es uns verdient.
Highlights
- Abracadabra
- Garden of Eden
- Perfect celebrity
- How bad do u want me
- Don't call tonight
Tracklist
- Disease
- Abracadabra
- Garden of Eden
- Perfect celebrity
- Vanish into you
- Killah (feat. Gesaffelstein)
- Zombieboy
- LoveDrug
- How bad do u want me
- Don't call tonight
- Shadow of a man
- The beast
- Blade of grass
- Die with a smile (with Bruno Mars)
Gesamtspielzeit: 53:12 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28276 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-03-12 13:13:25 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
fuzzmyass Postings: 18282 Registriert seit 21.08.2019 |
2025-03-12 10:26:03 Uhr
Gestern Disease gehört - guter Song, der den unguten Geschmack von Abracadabra wegwischen konnte... etwas NIN/Reznor Stil, Closer Beat unter dem ganzen, etwas NIN-typisches Klavier zwischendurch - teilweise etwas zu große Referenzen, aber dennoch sehr gut umgesetzt und arrangiert... das Album habe ich noch nicht geschafft, aber die Tage dann evtl. |
Kojiro Postings: 4261 Registriert seit 26.12.2018 |
2025-03-12 10:19:18 Uhr
Größter Kritikpunkt vermutlich das hintere Drittel. Hier hätte man kürzen müssen. Vor allem den Song mit Mars hätte ich nicht gebraucht. Wird das Jahr sicherlich noch sehr oft laufen, die Platte. |
Kojiro Postings: 4261 Registriert seit 26.12.2018 |
2025-03-12 10:05:12 Uhr
How Bad Do You Want Me beginnt wie Kraftwerk und wird dann ein Swift-Song. Inzwischen locker eine 8,5. Zu viele kleine schöne Referenzen an die Musikwelt. |
Francois Postings: 1246 Registriert seit 26.11.2019 |
2025-03-11 21:49:20 Uhr
Das mit den 80ern kann ich bestätigen, ein wenig Madonna Einfluss ebenfalls hörbar. How bad do you want me auch ein Highlight |
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Referenzen
Dua Lipa; Marina; P!nk; Demi Lovato; Olivia Rodrigo; Robyn; Katy Perry; Chappell Roan; Ellie Goulding; Sia; Madonna; Miley Cyrus; Taylor Swift; Lily Allen; Nelly Furtado; Sabrina Carpenter; Ariana Grande; Meghan Trainor; Foxes; Lorde; Halsey; Gwen Stefani; Hailee Steinfeld; Carrie Underwood; Martina McBride; Shania Twain; Tove Lo; Carly Rae Jepsen; Florence & The Machine; Alessia Cara; Charli XCX; Jessie J
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