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Circuit Des Yeux - Halo on the inside

Circuit Des Yeux- Halo on the inside

Matador / Beggars / Indigo
VÖ: 14.03.2025

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Tonnenschwere Leichtigkeit

Haley Fohr war noch nie dafür bekannt, Musik für das nächste Sommerpicknick zu machen, doch "Halo on the inside" ist die Dunkelheit bereits in den Entstehungsprozess eingeschrieben. Das achte Album ihres Projekts Circuit Des Yeux entwickelte sie nachts alleine in ihrem Kellerstudio, was hörbare Auswirkungen auf dessen Sound hat. Nach der orchestralen Farbvielfalt von "-io" setzt die US-Amerikanerin auf höllisch verzerrten Industrial-Art-Pop, der die Ästhetik einer Chelsea Wolfe mit der tanzbaren Zugänglichkeit von Fohrs Alter Ego Jackie Lynn koppelt. Es ist müßig zu erwähnen, dass auch dieser Stilwechsel ohne Substanzverlust gelingt. Egal, in welchem Kontext Fohr ihre außergewöhnliche, oktavenüberspannende Stimme in Szene setzt, sie formt daraus etwas komplett Eigenes und erschafft detailverliebte, herausragend komponierte Musik, die sie wie das Einfachste der Welt aus dem Ärmel schüttelt.

Die Leichtigkeit hinter ihrem Kunstschaffen ist umso erstaunlicher bei dem tonnenschweren Eindruck, den viele der Songs von "Halo on the inside" hinterlassen. Der Opener "Megaloner" schleppt seinen stoischen Beat durch zerklüftete Geräuschwüsten, bevor sich der Refrain mit gleißenden Gothic-Synths doch dem Pop öffnet. Direkter in den Körper strömt nur das clubtaugliche "Truth", das kompromisslos nach vorne pulsiert, während es allerlei instrumentale Einsprengsel auseinanderzureißen versuchen. Ein ungewohntes Hörerlebnis auf einer Circuit-Des-Yeux-Platte, allerdings auch nachvollziehbar im Angesicht der Hinwendung zu griffigeren Strukturen, die Fohr bereits auf dem Vorgänger einleitete. Der Unvorhersehbarkeit der Stücke steht diese freilich nicht im Weg. "Skeleton key" beginnt als Piano-Lament, unternimmt Ausflüge in Achtziger-Flächen und Streicher-Ekstase, nur um sich einsam mit einer Akustikgitarre zu verziehen. Dann kreischt plötzlich eine Elektrische los und eröffnet ein Finale voll kathartischer Verzerrung, die Fohrs Partner Alan Sparhawk sicher abnicken würde. Überwältigend gut.

Textlich regieren trotz der düsteren Grundstimmung weitaus weniger Unsicherheiten als zuvor, was an der befreienden Wirkung von Fohrs musikalischer Metamorphose liegen mag. "In the absence of fear I found the intimate beat of sex, love and melody", sagt sie zur Albumentstehung, "Figure out sound to let us free", singt sie in der ersten Strophe des Stahlwolle-Raves "Canopy of Eden". Dessen Hook "I can make a radio break" wirkt im Hinblick auf ihre Stimmgewalt ebenfalls herrlich selbstironisch. Dazu passt, dass es mit "Cathexis" auch einen akustischen Auflockerer gibt – zumindest entwickelt sich der Song nach seiner mysteriösen ersten Hälfte dorthin, wenn die erstaunlich hellen Gitarren immer weiter nach oben treiben. Im Titel verweist der Track im Übrigen auf die Freudsche Objektbesetzung und beweist, dass die intellektuellen Überbauten von Fohrs Musik für deren Erschließung nicht zwingend durchdrungen werden müssen.

Stattdessen kann man sich ganz von ihr vereinnahmen und in neue Bewusstseinssphären katapultieren lassen. Nachdem es mit schweren Tastenanschlägen und einem nervösen Beat viel Anlauf genommen hat, scheint "Organ bed" eine Sternenexplosion zu vertonen, die ein Saxofon durch schmelzende Synth-Panoramen schleudert – der dramatische Höhepunkt der Platte, in dessen Anschluss der verglühte Ambient von "It takes my pain away" nur noch durchlüften kann. Es ist eine neue Kinetik, die Fohr schon auf "-io" und "Jacqueline" ergriffen hat und die "Halo on the inside" um weitere wunderschöne Fratzen ergänzt. "It will rock you", heißt es unter dem Feedback-Stakkato von "Anthem of me" – wer hätte gedacht, dass dieser Satz je auf ein Album von Circuit Des Yeux zutreffen würde?

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Megaloner
  • Skeleton key
  • Truth
  • Organ bed

Tracklist

  1. Megaloner
  2. Canopy of Eden
  3. Skeleton key
  4. Anthem of me
  5. Cosmic joke
  6. Cathexis
  7. Truth
  8. Organ bed
  9. It takes my pain away

Gesamtspielzeit: 40:56 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

humbert humbert

Postings: 2473

Registriert seit 13.06.2013

2025-03-19 22:08:50 Uhr
Für mich ist das eher ein schwächeres Circuit Des Yeux-Album.
Mir fehlt bisschen die Eleganz und Wucht von Liedern wie 'Neutron Star' aus dem Vorgängeralbum.
Ich würde mich aber mal wieder auf ein Jackie Lynn-Album freuen, denn damit hatte ich damals Haley Fohr entdeckt (Direkt zu Beginn der Pandemie mit ihrem zweiten Album als Jackie Lynn).

@ijb
Danke für den Link zum TV-Interview. War sehr interessant.

MickHead

Postings: 4120

Registriert seit 21.01.2024

2025-03-17 10:32:01 Uhr
Das Erste: Coolste Alt-Stimme der Pop-Welt

https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/Circuit-des-Yeux-100.html

Laut.de 4/5

https://laut.de/Circuit-Des-Yeux/Alben/Halo-On-The-Inside-124997

Klaus

Postings: 10492

Registriert seit 22.08.2019

2025-03-15 13:53:16 Uhr
Eben gehört.
Die 8,2 (also eine 9) kann ich absolut nachvollziehen.

MickHead

Postings: 4120

Registriert seit 21.01.2024

2025-03-15 12:47:17 Uhr
Spiegel Online - Album der Woche

Borcholte gibt 8.3/10

https://www.spiegel.de/kultur/musik/circuit-des-yeux-jennie-chris-imler-edwyn-collins-abgehoert-album-der-woche-a-b94dfb11-2546-4a0c-a5c5-08f87c8db5d9

MickHead

Postings: 4120

Registriert seit 21.01.2024

2025-03-14 11:10:09 Uhr
Jetzt komplett bei Bandcamp:

https://circuitdesyeux.bandcamp.com/album/halo-on-the-inside
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