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Jethro Tull - Curious ruminant

Jethro Tull- Curious ruminant

InsideOut / Sony
VÖ: 07.03.2025

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Mit leichter Hand

Machen wir uns nichts vor. Die Band, die heute als Jethro Tull agiert, hat nicht so viel mit der Gruppe zu tun, die vor einigen Jahrzehnten mit Alben wie "Aqualung" oder "Thick as a brick" wahre Meilensteine der Musikgeschichte veröffentlichte. Aber mal ehrlich – eine Band, die 1967 ihr Debüt veröffentlichte, hat dazu wohl auch jedes verdammte Recht. Auch wenn es immer mal wieder Menschen gibt, die dem unumstrittenen Bandchef Ian Anderson allen Ernstes vorwerfen, dass eine Band namens Jethro Tull doch wohl bitte nicht ohne den legendären Gitarristen Martin Barre existieren dürfe. Und dabei locker unterschlagen, dass Barre erst zum zweiten Album "Stand up" zur Band stieß. Aber das nur am Rande.

Viel bemerkenswerter ist doch, dass Anderson im hohen Alter von 77 Jahren förmlich vor Kreativität zu sprühen scheint und mit "Curious ruminant" bereits das dritte Album innerhalb von vier Jahren veröffentlicht. Die Tatsache, dass dabei auf diverse ältere Songideen zurückgegriffen wurde, ist dabei wahrlich kein Makel. Zumal sich der Schotte deutlich introvertierter, die Lyrics viel persönlicher zeigen als noch mit den quasi-religiösen Konzepten von "The zealot gene" und "RökFlöte". Nicht ohne eine gewisse Ironie, denn schon beim Opener "Puppet and the puppet master" kokettiert er mit der Rolle als Frontmann auf der Bühne, der wie ein Puppenspieler die Massen unterhalten kann, gleichzeitig aber selber eine Puppe ist, die immer weiter getrieben wird. "The pay is not too bad", augenzwinkert Anderson – so kann man's auch sehen.

In dieser Rolle als Storyteller fühlt sich der Frontmann mittlerweile sichtlich wohl, zumal immer wieder deutlich wird, dass sein Gesang dem Alter und seiner angeschlagenen Lunge mittlerweile Tribut zollen muss. Das macht allerdings überhaupt nichts, liefert seine Begleitband doch den passenden, wenn auch filigranen Rahmen für seine Geschichten. Der Titelsong, der mit eben jenen Denkprozessen als Songwriter kokettiert, wartet mit einer dezent rockigen Note auf, über die die ikonische Querflöte immer wieder perlende Akzente setzen kann, "The tipu house" kommt trotz der bitteren Lyrics geradezu leichtfüßig daher, während "Over Jerusalem" einen geradezu verzweifelten Blick auf die Zerrissenheit der umkämpften Metropole wirft: "Angry gods of retribution, driving hate without solution / City, home to all who came and ever will."

Eine echte Überraschung bewahrt sich das Album allerdings bis kurz vor Schluss auf. In all den Jahren haben Jethro Tull bis auf die nur durch die Vinyl-Seiten getrennten "Thick as a brick" und "A passion play" kaum mit Longtracks experimentiert, und nun, im Spätherbst der Karriere, läuft "Drink from the same well" erst nach 16 Minuten aus. Kein verzwicktes Arrangement, keine satirischen Betrachtungen über vermeintlich jugendliche Lyriker oder Fabeln über Hasen, die ihre Brille verlieren wie auf jenen Alben – was hier passiert, ist schlicht der Status Quo, zu dem Jethro Tull als Band und Ian Anderson als Künstler noch imstande sein können. Mag sein, dass hier adoleszente Ruppigkeit fehlt, der Song eher an ein gemütliches Sofa denn an orgiastische Soli in verschwitzten Clubs erinnert. Doch genau diese Entschleunigung tut gut, lässt innehalten und genießen. Und lässt einem wunderbaren Künstler zuhören, der unfassbar viel erreicht hat, den nur noch die pure Freude am Musikmachen antreibt. Ob nun mit oder ohne den alten Weggefährten von damals, ist dabei herzlich egal, solange Ian Anderson weiter solche Kleinodien wie "Curious ruminant" veröffentlicht.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Curious ruminant
  • The tipu house
  • Drink from the same well

Tracklist

  1. Puppet and the puppet master
  2. Curious ruminant
  3. Dunsinane hill
  4. The tipu house
  5. Savannah of Paddington Green
  6. Stygian hand
  7. Over Jerusalem
  8. Drink from the same well
  9. Interim sleep

Gesamtspielzeit: 50:34 min.

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User Beitrag

Der_Lichtblick

Postings: 3

Registriert seit 06.05.2020

2025-03-04 09:52:31 Uhr
Neben den beiden erwähnten Klassikern würde ich aber unbedingt noch "Baker Street Muse" nennen, wenn es um Long-bzw. Ü-16-Min.-Tracks von JT geht.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28327

Registriert seit 08.01.2012

2025-03-03 20:40:25 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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