Albrecht Schrader - Albrecht Schrader

Krokant / Indigo
VÖ: 28.02.2025
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Auf Wolke sieben
Darf man in diesen wilden, bösen und unklaren Zeiten wirklich Easy-Listening-Musik machen? Mitten während die Weltordnung wankt, die Geopolitik Amok läuft und die Schurken überall das Ruder übernehmen? Ist das nicht billige Weltflucht, Hedonismus, voll und ganz unbotmäßig? Ja, die Frage könnte sich angesichts des neuen Albrecht-Schrader-Albums durchaus stellen. Denn was Schrader und die Seinen hier treiben, ist ein geradezu frivol-gutgelaunter Gegenentwurf zu Doomscrolling, Debatte, Zank und Zwietracht. Und das noch dazu in gewisser formaler Strenge: So werden die acht eigentlichen Songs von Opener ("Die Musik beginnt") und Closer ("Die Musik hört") umarmt, welche mit fast deckungsgleicher Musik und lediglich ein- beziehungsweise ausleitenden Worten aufwarten. Ja, man könnte schon fast von einem Konzeptalbum sprechen.
Nun haftet jener Darreichungsform des Konzeptalbums ja (meist zu Recht) immer etwas Verknörmelt-Akademisches an: Da geht's oft um die ganz großen Themen, mit musikalischer Wucht, textlicher Verve und einem erheblichen Quantum an Gravität. Genau diesen Weg beschreitet Albrecht Schrader aber nicht. Im Gegenteil: Was hier abgeliefert wird, ist lupenreiner Easy Listening im Wortsinne, aber auf außerordentlich hoher musikalischer, kompositorischer und auch produktionstechnischer Flughöhe. Schrader vereint mit verspielter Lässigkeit den Dadaismus eines PeterLicht oder Helge Schneider mit dem Charme eines Götz Alsmann – und höchst raffinierten Arrangements, wie man sie bei Erdmöbel oder auch den frühen Manfred-Krug-Scheiben ("Ein Hauch von Frühling" etc.) schätzte, ja liebte.
Die schillernd-synthieske Achtziger-Jahre-Ästhetik im Opener schickt somit glücklicherweise auf die falsche Fährte: Es folgen kompositorisch saucoole Songs mit reduziertem, aber umso mehr groovendem Schlagzeug, gewitztem Bassspiel und raffinierten Elektronik-Elementen. Textlich scheint hier und da Max Goldt Pate zu stehen. Manches ist herrlich platt ("Mir geht der Wind durchs Haar – mir geht es wunderbar"), manches ebenso lustig wie wahr: So beherbergt die unverstellte Ode an die Unvernunft "Zwanzig Jahre Nikotin" eine stringente Argumentation, warum und wie man jetzt aber mal subito mit dem Rauchen anfangen sollte – begleitet von elfengleichen Hintergrundgesängen und komplett bekifften Harmonien. Und man erinnert sich mit Schrader wehmütig an die eigenen Anfänge des Zigarettendrehens: "Bei den ersten klappt's nicht immer – dafür kann man öfter ziehen." Wahr, so wahr.
Es wäre aber definitiv zu einfach und noch dazu grundverkehrt, dieses Album einfach nur in die Kategorie "Quatsch" einzuordnen. Dafür ist es erstens musikalisch viel zu stark, zweitens darf man immer mal wieder kurz und hell bei einer besonders gelungenen Textzeile auflachen – und dann wird es kurz vor Schluss bei aller Leichtfüßigkeit nochmal ernst: Schrader und zahlreiche Gäste – unter anderem Saskia Lavaux, Nicola Rost und Dirk von Lowtzow – stellen die vielleicht gar nicht so ironisch gemeinte Sinnfrage im Stück "Ist Musik noch unser Ding?" Womit wir wieder beim Anfang wären: Darf man in diesen Zeiten Easy Listening machen? Und ob. Wenn's so gut ist, dann muss man!
Highlights
- Zwanzig Jahre Nikotin
- Gefühle in Deutschland
- Ist Musik noch unser Ding?
Tracklist
- Die Musik beginnt
- Ich bin nicht sicher, ob das an Hamburg liegt
- Wofür die Liebe sich noch lohnt
- Zwanzig Jahre Nikotin
- Der andere Junge
- Gefühle in Deutschland
- Ist Musik noch unser Ding (feat. Saskia Lavaux, Das Paradies, Resi Reiner, Rocko Schamoni, Malonda, Nicola Rost, Dirk von Lowtzow)
- Du teilst Dich auf
- Ich lese was hinein
- Die Musik hört auf
Gesamtspielzeit: 41:01 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Immermusik Postings: 1344 Registriert seit 04.11.2021 |
2025-03-30 08:41:55 Uhr
Ganz mein Ding. Schön prefab sproutig. Für mich sein bestes Album. |
Hierkannmanparken Postings: 2100 Registriert seit 22.10.2021 |
2025-03-04 14:18:09 Uhr
"Ist Musik noch unser Ding" ist schon ein starker Song, werde mir das Album mal ganz anhören. |
oldschool Postings: 771 Registriert seit 27.04.2015 |
2025-03-02 09:24:08 Uhr
mal reingehört...finde das recht anstrengend |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28468 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-02-24 19:53:38 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
PeterLicht; Sebastian Krämer; Bernd Begemann; Götz Alsmann; Nationalgalerie; Die Heiterkeit; Rocko Schamoni; Locas In Love; Element Of Crime; Erdmöbel; Die Türen; Manfred Krug; Felix Meyer; Max Schröder & Das Love; Tocotronic; JaKönigJa; Herr Nilsson; Flowerpornoes; Tom Liwa; Helge Schneider; Blumfeld; Herrenmagazin; Maike Rosa Vogel; Rio Reiser; Hildegard Knef; Thommie Bayer; Florian Glässing; Die Regierung; Foyer Des Arts; Tame Impala; Niels Frevert; Tiemo Hauer; Jansen; Tele; Spaceman Spiff; Jan Plewka; Die Höchste Eisenbahn; Stereo Total; Fraktus; Nils Koppruch; Moritz Krämer; Prefab Sprout; Serge Gainsbourg; Gisbert zu Knyphausen; Max Prosa; Charles Aznavour; Jacques Brel; Kante; Sport; Kid Kopphausen; Ja, Panik
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