Doves - Constellations for the lonely

EMI / Universal
VÖ: 28.02.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

The man who told everything
Was eigentlich zum Triumph werden sollte, wurde für Doves zur düsteren Zäsur: Als im Herbst 2020 mit "The universal want" das erste Studioalbum der Briten seit beinahe elf Jahren erschien, kannte die Freude seitens der dürstenden Fanschar keine Grenzen. Besonders, weil besagtes Werk auch qualitativ ganz vorzüglich durchging und eine erholte, erfrischte und inspirierte Band präsentierte. Das Comeback wurde allerdings jäh von persönlichen Dämonen zunichte gemacht: Kurz vor einer ausverkauften Tour zog Sänger Jimi Goodwin die Reißleine, um sich seiner mentalen Gesundheit zu widmen. Zweifelsohne der richtige Schritt. Gleichzeitig aber auch eine erschütternde Erkenntnis, die für Fans, Bandkollegen und Goodwin selbst lange Zeit nur schwer zu verdauen und verarbeiten war. Nach beinahe fünf düsteren und stillen Jahren im Doves-Kosmos leuchtet nun mit "Constellations for the lonely" wieder ein schummriges Licht aus dem Studio. Klar ist aber auch: Goodwin ist weiterhin nicht auf Tour dabei, hier ist längst nicht alles überstanden. Behutsames Rantasten also. Nicht der große Befreiungsschlag.
"If you walk out that door / Then you're walking out forever." Gemäß seiner Entstehungsgeschichte und einem weltpolitisch deprimierenden Releasejahr 2025 ist "Constellations for the lonely" ein düsteres Zeitdokument. Das wird direkt im Opener "Renegade" klar, der zwar durchaus die Trademarks der Briten zitiert, dabei allerdings bewusst "off" wirkt – das Klavier leiert, die Zerre dröhnt, irgendwo säuseln noch ein paar Synths umher. Und über alldem thront Goodwins leicht brüchige, gezeichnete Stimme. Spätestens hier ist klar: Die Doves-Komfortzone hat Narben und Risse, ist nicht mehr das, was sie mal war. Und genau diese kompromisslose Ehrlichkeit macht viele Momente auf dem sechsten Studioalbum des Trios so berührend, so kathartisch. Insbesondere dann, wenn alle Hemmungen fallen: Die Großtat "In the butterfly house" oszilliert irgendwo zwischen dumpfen Gitarrenlicks, entrückten Gesangspassagen und einem nervös drängenden Drum-Beat. "I was in some kind of dream / I lost my mind / In the butterfly house / What have you done?", klagt Goodwin währenddessen direkt aus der Seele in den musikalischen Äther hinaus und füllt damit einen beinahe schon psychedelischen Klangraum, der sich zeitweise anfühlt wie zehn Meter unter der Meeresoberfläche. Gemeinsam mit dem anschließenden, trügerisch-verträumten "Strange weather" zeigt sich die Band – aller Widrigkeiten zum Trotz – beeindruckend inspiriert und kreativ.
"Breathe for me now." Wo sich die erste Albumhälfte mehrheitlich der Dunkelheit hingibt, bemühen sich Doves im weiteren Albumverlauf darum, ein Licht am Ende des Dunkels zumindest anzudeuten. Und damit auch das Klanggewand ein wenig aufzulockern. "Saint Teresa" etwa ist ein elegischer Fünfminüter, der von sanften Gitarren getragen wird und in einen subtil vorgetragenen, aber dennoch irgendwie hymnischen Refrain mundet – durchatmen, abschalten, Hoffnung mitnehmen. Auch "A drop in the ocean" vermag es, eine etwas lichtere Stimmung hervorzuheben, wenn auch etwas ziel- und antriebslos. "One thing that really keeps me going / You've always been on my side / You and me against the world." Der Schein trügt aber selbst in diesen vermeintlich hoffnungsvollen Momenten, wenn nur wenig später das makabre "Orlando" mit Radio-Schnipseln und bizarren Synth-Breaks gezielte Schockmomente einstreut, nur um dann ins hymnische Grande-Finale von "Southern bell" zu münden. "Constellations for the lonely" ist Zeitdokument, Katharsis und Anker für verlorene Seelen gleichermaßen. Mit all den Wirrungen und Sackgassen, die dazugehören. Nicht das beste Doves-Album, sicherlich aber das kämpferischste. Und umso inspirierender. "God knows it ain't easy / But I can't live my days in fear."
Highlights
- Renegade
- In the butterfly house
- A drop in the ocean
- Saint Teresa
Tracklist
- Renegade
- Cold dreaming
- In the butterfly house
- Strange weather
- A drop in the ocean
- Last year's man
- Stupid schemes
- Saint Teresa
- Orlando
- Southern bell
Gesamtspielzeit: 44:55 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Immermusik Postings: 1324 Registriert seit 04.11.2021 |
2025-03-18 09:51:54 Uhr
Bin sehr zufrieden. Schöner Mix aus Dovesklangwelten und Doveshits. |
MickHead Postings: 4187 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-03-07 19:56:50 Uhr
Ganz aktuell:UK Albums Chart # 5 UK Physical Albums Chart # 2 UK Update Albums Chart # 2 UK Albums Sales Chart # 3 UK Vinyl Albums Chart # 2 UK Albums Downloads Chart # 2 Scottish Albums Chart # 1 |
carpi Postings: 1754 Registriert seit 26.06.2013 |
2025-03-05 08:33:01 Uhr
Sehe ich auch so, sehr homogen, von der Atmosphäre her erinnert es mich ein wenig an Thurston Moore - Flow Critical Lucidity und Duster - In Dreams, alles sehr traumwandlerisch (In the butterfly house, A drop in the ocean mit wunderbaren Gitarren, die mich wiederum an die Cocteau Twins erinnern oder auch das fast schon ambienthafte Orlando). Traditionell gibts auch ein paar Hymnen, gleich mit dem Opener Renegade, Saint Teresa oder dem tollen Last year's man. Nach 4-5 Durchgängen klingt das wirklich schön, dranbleiben lohnt sich also. |
afromme Postings: 573 Registriert seit 17.06.2013 |
2025-03-05 00:58:42 Uhr
Bisher wirklich gutes Album, keine Ausfälle, ein zwei große Sachen dabei, will ich gern noch öfter hören. |
jo Postings: 6780 Registriert seit 13.06.2013 |
2025-03-04 15:14:40 Uhr
Prima. Und zu Recht :). Mir gefällt die neue Platte übrigens bisher auch ganz gut. Ich bleib' aber auch erst mal noch dran. |
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Referenzen
Elbow; I Am Kloot; The Electric Soft Parade; Embrace; Ocean Colour Scene; Keane; Oasis; Snow Patrol; White Lies; The Verve; Badly Drawn Boy; The Psychedelic Furs; The Afghan Whigs; Spiritualized; Radiohead; Blur; Coldplay; Ian Brown; Starsailor; Gomez; The Coral; Super Furry Animals; Manic Street Preachers; The Charlatans; Sea Power; The Bluetones; The Go-Betweens; Athlete; Turin Brakes; Mercury Rev; The Divine Comedy; Pulp
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