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Bartees Strange - Horror

Bartees Strange- Horror

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 14.02.2025

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Nackte Angst, zieh Dich an

"Wird das nun was mit dem großen Durchbruch?", fragte Kollege Holtmann in seiner Rezension zu Bartees Strange' "Farm to table". So richtig bejahen lässt sich die Frage drei Jahre später nicht, unbekannter ist der in Oklahoma aufgewachsene US-Amerikaner in der Zwischenzeit aber nun auch nicht geworden. Neben Tour-Supports für Boygenius, The National oder Clairo steuerte er diverse Soundtrack-Beiträge bei, unter anderem zum großartigen Sundance-Hit "I saw the TV glow". Darüber hinaus lachte er sich mit Jack Antonoff einen namhaften neuen Kumpel an, der in seiner Mission, alle Alben der Welt mitzuproduzieren, auch "Horror" zur finalen Form verhalf. Stranges dritte Platte trägt dabei sein Ethos des Eklektizismus weiter: Indie-Rock, HipHop, Elektro-Pop und allerlei anderes Gedöns koexistieren friedlich miteinander, schließlich sind Genre-Schubladen eh nur was für Kleingeister. Im Kontrast zu den Vorgängern wirken die Brüche hier allerdings weniger hart, "Horror" schleift seine Songs zu etwas mehr Gleichförmigkeit ab, was keineswegs negativ gemeint ist. Im Gegenteil sorgt diese Ästhetik dafür, dass die unterschiedlichen Strömungen kohärent zusammenfließen und Strange der Sache mit dem Durchbruch in einer gerechten Welt noch ein Stück näherkommen sollte.

Sehnsucht bleibt dabei das dominante Gefühl bei dem Mann, der seit seiner Kindheit verschiedenen Ängsten ausgesetzt war und schon früh seine Emotionen durch Horrorfilme kanalisierte. Die Gitarren des eröffnenden "Too much" drängeln gleich nach draußen, doch anstatt das Gaspedal komplett durchzudrücken, lässt Strange den Track in einen immer aggressiver werdenden Rap-Part kippen. Im Anschluss beweist der psychedelische Funk-Brocken "Hit it quit it", dass Parliament-Funkadelic nicht zu Unrecht im Promotext vorkommen. Weil "Horror" zu großen Teilen Vergangenheitsbewältigung ist, habe sich Strange hier explizit von der Lieblingsmusik seines Vaters inspirieren lassen. Die ebenso erwähnten Fleetwood Mac geistern durch das halbakustisch perlende "Sober", das mit zitternder Inbrunst von der Unmöglichkeit singt, seinen Liebeskummer nicht im Alkohol zu ertränken. Zärtlicher wird's mit der Ballade "Baltimore", die im Engtanz-Tempo das Licht dimmt und den Country-Regler mit Slide-Gitarren und nicht namentlich genannter Gastsängerin hochdreht – bis ein unmenschlich verzerrtes Solo Starkstrom durch die Prärie jagt. Alle Teile dieses ersten Albumdrittels fügen sich so passgenau ineinander, dass man die vielen stilistischen Richtungswechsel kaum bemerkt.

Die größten Einzelhighlights kommen jedoch etwas später. "Wants needs" reißt einen gleich mit den ersten Riffs von den Füßen, tankt in einer Sample-durchsetzten Dreampop-Bridge kurz Energie, um später ein furios getrommeltes Finale rauszuhauen. Der Club-Pumper "Lovers" sucht wie zuletzt FKA Twigs die Erlösung auf der Tanzfläche, während er seine Kinetik mit mysteriösen Tiefenschichten untergräbt und somit gleichzeitig verschwitzt und unterkühlt wirkt. Den emotionalen Höhepunkt bildet "17", das Streicher-unterstützt unschöne Erinnerungen ans Tageslicht hebt und in einem mächtigen Shoegaze-Finish jeden Schmerz rauslässt. In solchen Momenten sollte Strange' Musik eigentlich bei allen offenen Ohren Resonanz finden – da braucht es die etwas ungelenken Stadion-Gesten des finalen "Backseat Banton" gar nicht, auch wenn der Track diese dankenswerterweise selbst unterläuft. Nach Album Nummer drei sollte endgültig klar sein, dass der Wunsch, Strange möge sich doch endlich mal auf einen Stil konzentrieren, vollkommen fehlgeleitet ist. In genau diesem Akt des Nicht-Festlegens arbeitet er seine Identität immer konturierter aus und wird sich sicherlich nicht verbiegen, um dem Erfolg hinterherzujagen. Das wäre ja auch der wahre Horror.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Sober
  • Wants needs
  • Lovers
  • 17

Tracklist

  1. Too much
  2. Hit it quit it
  3. Sober
  4. Baltimore
  5. Lie 95
  6. Wants needs
  7. Lovers
  8. Doomsday buttercup
  9. 17
  10. Loop defenders
  11. Norf gun
  12. Backseat Banton

Gesamtspielzeit: 42:21 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Ralph mit F

Postings: 700

Registriert seit 10.03.2021

2025-02-16 20:30:48 Uhr
Nichts als Liebe für "I Saw the TV Glow". Dann muss ich hier doch mal reinhören.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28240

Registriert seit 08.01.2012

2025-02-16 19:12:15 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

MickHead

Postings: 4023

Registriert seit 21.01.2024

2025-02-12 19:12:50 Uhr
Letzter Song vor dem Release "Backseat Banton"

https://youtu.be/DALcyKGM7nE?si=PNhrA3E3u1ZjjOtj

MickHead

Postings: 4023

Registriert seit 21.01.2024

2025-01-14 23:26:24 Uhr
Neuer Song "Wants Needs"

https://youtu.be/336FlFNZ2og?si=B7Yam1WOsoTxnnAH

MickHead

Postings: 4023

Registriert seit 21.01.2024

2024-10-01 23:59:37 Uhr
Der in England geborene amerikanische Indie Musiker "Bartees Strange" aus Mustang, Oklahoma, kündigt für den 14.02. sein 3 Studioalbum "Horror" an. Es folgt auf "Farm To Table" von 2022.
2 Songs sind bereits geteilt.

"Sober"

https://youtu.be/BpKlfahD0ZQ?si=K8XJCxjh8mFwtI5v

"Lie 95"

https://youtu.be/Oy8UA9PueR8?si=eBFVj6ap7dn0DcK4

"Horror" bei Bandcamp

https://barteesstrange.bandcamp.com/album/horror
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