Jonathan Hultén - Eyes of the living night

Kscope / Edel
VÖ: 31.01.2025
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Der Weg ist das Ziel
Als Jonathan Hultén 2020 seinen Ausstieg bei Tribulation ankündigte, war bei allem vordergründigen Erstaunen schnell klar, dass die Band im Grunde zu klein für ihn geworden war. Gegründet 2001 als Thrash-Metaller unter dem Namen Hazard, neu formiert 2004 als Tribulation, begannen die Schweden mit knallhartem Death Metal, bis Hultén mehr und mehr düster-rockige Elemente ins Songwriting einbrachte. Die Entscheidung, sich musikalisch komplett vom Metal zu lösen und sich als Singer-Songwriter im Umfeld von Folk, dezenten Elektro-Klängen und Ambient-Flächen zu bewegen, konnte als Konsequenz nur bedeuten, die Karriere ohne jegliche Begleitmusiker fortzusetzen. Das erste Album "Chants from another place" zeigte Hultén 2020 dann als Gesamtkunstwerk, als ätherisch-androgynes Wesen mit minimalistischen Sounds zu ergreifenden Lyrics.
Vor diesem Hintergrund die ersten Songs des Zweitwerks "Eyes of the living night" als opulent zu bezeichnen, ginge trotzdem zu weit. Sanft perlende Keyboards läuten den Opener "The saga and the storm" ein, legen dann den Teppich aus, über den Hulténs Gesang hineinschwebt, während weit, weit im Hintergrund gar noch leise ein Gitarrenriff zu hören ist. Verbunden mit einem langen Instrumental-Part, wirkt der Song somit wie eine würdevolle Ouvertüre für das folgende Hörerlebnis. Fenster schließen, Licht dimmen, Kopfhörer auf. Die Welt für 43 Minuten verlassen und eintauchen in eine Platte, die bei jedem Durchgang immer weiter in ihren ganz eigenen Bann zieht.
Die entrückte Ruhe ist nur die Fassade für Hulténs unglaubliche Bandbreite. Da klagt der 35-Jährige zu Beginn von "Afterlife" so eindrücklich wie sein Landsmann Jonas Renkse von Katatonia, dort könnte man bei "Falling mirages" meinen, der Geist von Nick Drake wäre im Studio erschienen. Bei "Riverflame" klingt der Schwede wiederum so fragil, als bestünde er aus hauchfeinem Porzellan, doch das folgende "The dream was the cure" fängt diese zerbrechliche Stimmung auf, marschiert entschlossen voran, als wollte es ein für allemal den Ausweg aus allem Elend zeigen. Diese Ambivalenzen ziehen sich über die gesamte Albumlänge, setzen immer wieder Reizpunkte. Fangen aber diese Reize umgehend wieder ein und nehmen wieder für den weiteren Weg an die Hand.
Und genau deshalb kann neben den weichen Soundteppichen plötzlich das wiegenliedartige, mit dezenten Beatles-Anleihen versehene "Song of transience" direkt neben dem radikal reduzierten Piano-Instrumental "Through the fog, into the sky" existieren, welches den Boden bereitet, auf dem "Dawn" zu einer wunderbaren, bittersüßen Ballade heranwachsen kann. Am Ende jedoch zeigt sich Hultén bei aller fragilen Düsternis zuversichtlich, lässt "Starbather" optimistisch die Tür öffnen. "Don't despair, my friend / Remember, dreams never end / A circle, closed now, begins again / A spiral path through the world." So fragil "Eyes of the living night" auch beginnen mag, so rockig endet diese Reise. Wohin sie den Künstler selbst führt, bleibt ungewiss. Aber man möchte nach dieser Erfahrung nichts lieber tun, als diese Reise zu begleiten.
Highlights
- Afterlife
- Riverflame
- The dream was the cure
- Starbather
Tracklist
- The saga and the storm
- Afterlife
- Falling mirages
- Riverflame
- The dream was the cure
- Song of transience
- Through the fog, into the sky
- Dawn
- Vast tapestry
- The ocean's arms
- A path is found
- Starbather
Gesamtspielzeit: 43:19 min.
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- Jonathan Hultén - Eyes of the living night (1 Beiträge / Letzter am 16.02.2025 - 19:11 Uhr)