FACS - Wish defense

Trouble In Mind / Cargo
VÖ: 07.02.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Emotionen auf Widerruf
Blöd für Disappears: Kaum war 2012 der exquisite Longplayer "Pre language" erschienen, gingen die Chicagoer ihres Drummers verlustig, indem das damalige Sonic-Youth-Mitglied Steve Shelley seinen Hut nahm. Sechs Jahre später das Gleiche: Der Name FACS war gerade entkorkt, weil das finale, nicht minder großartige Disappears-Album "Irreal" dem düster wühlenden So-was-wie-Indie-Rock der Anfangstage kaum mehr ähnelte – prompt stieg Bassist Jonathan van Herik aus. Nach drei Platten mit Alianna Kalaba ist van Herik nun wieder am Start und das Line-Up das ursprüngliche, aber zur Ruhe kommt das Trio nicht. Wie auch angesichts einer Welt, die mit den Spätfolgen der Pandemie und wiedererstarktem (Rechts-)Populismus hadert? Ganz zu schweigen vom Ruf "Da isser wieder!", der Anfang 2025 durchs Weiße Haus hallt.
Die möglichen Konsequenzen von Letzterem scheinen FACS irgendwie geahnt zu haben. Zumindest könnte man die One-Off-Single "North America endless" nachträglich auch als Kommentar zu neuerlichen territorialen Expansionsplänen hören, obwohl die Eurythmics-Coverversion "Take me to your heart" auf der B-Seite eine gewisse Pop-Affinität verriet. Doch auch ein eisiges Liebeslied ändert nichts an der Zeile "Love / This weapon is absolute" – die ersten Worte, die Brian Case auf "Wish defense" sprechsingt, ehe später mit "No feeling is final" ein Zitat von Rainer Maria Rilke folgt. Emotionen auf Widerruf bleiben das einzige Tröstliche, das sich FACS hier gestatten, während van Herik den spukigen Post-Psych "Talking haunted" mit raumgreifendem Wobbeln einleitet. Musik zu persönlichen und globalen Plagen, die sich auf ein dickes Ende gefasst macht.
Doch auch der Mittelteil fährt massiv auf, wenn FACS zwischen orchestraler Gitarren-Häckselei, Drone-Rauschen und Noah Legers ausgefuchsten Schlagzeug-Patterns planvolle Haken schlagen. Zumal auch das mit dem Indie-Rock nicht ganz vom Tisch ist und "Wish defense" kantige Rückgriffe auf die bisherige Diskografie enthält. Tatsächlich leistet sich das Titelstück ein zwar ruppiges, jedoch in den Riff-Details beinahe reizend harmonisches Gerumpel, das unter anderem auch an Sonic Youth gemahnt, nachdem "Ordinary voices" samt rotierenden Rhythmen splitternd an einer sechssaitigen Soundwand zu zerschellen drohte. "A room" gibt sich sogar ansatzweise groovy – wenigstens so weit, wie Cases mattes Sinnieren über "Lives I've lived in this room" erlaubt. Denn was nützt schon ein aufgehobener Lockdown, wenn man am liebsten gar nicht mehr nach draußen will?
Und allmählich wird klar, dass der Titel von Album Nummer sechs als verbogene Umdeutung des oft dezent inhaltsleeren Ausspruchs "Be careful what you wish for" funktioniert. FACS unterfüttern diese verklausulierte Warnung mit aller gebotenen Wucht, die man nach den bang zerdröhnten Schluss-Tracks des Vorgängers "Still life in decay" kurzzeitig verloren glaubte. Und trieb den dortigen Wummer-Hit "When you say" noch Ex-Mitglied Kalaba mit giftig angerissenem Bass voran, lässt sich auch van Herik nicht lumpen und hat das gelegentlich überbordende "Sometimes only" ebenfalls fest im Griff. Gleich zwei älteren Großtaten nickt der recht fluffige Closer "You future" zu: dem ähnlich betitelten "All futures" von "Negative houses" sowie "Power", einem Highlight aus Disappears' Meisterwerk "'Era". Und gerade diesem kommt "Wish defense" ziemlich nahe. Gut für FACS, gut für uns.
Highlights
- Ordinary voices
- Wish defense
- Sometimes only
Tracklist
- Talking haunted
- Ordinary voices
- Wish defense
- A room
- Desire path
- Sometimes only
- You future
Gesamtspielzeit: 30:33 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Glufke Postings: 991 Registriert seit 15.08.2017 |
2025-02-15 11:43:01 Uhr
Sehe ich ähnlich, ich versuche es mit jedem Album der Band, aber es macht leider nicht Klick. |
Vive Postings: 1063 Registriert seit 26.11.2019 |
2025-02-15 08:07:04 Uhr
musikalisch sehr interessant, aber dieser anti-gesang geht mir auf die nerven. |
tomfun Postings: 2 Registriert seit 19.12.2024 |
2025-02-08 21:21:03 Uhr
Großartiges Album. Und noch besser: Morgen live auf der MS Stubnitz in Hamburg! |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28240 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-02-08 20:16:05 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
MickHead Postings: 4023 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-02-08 14:28:57 Uhr
Jetzt komplett bei Bandcamp:https://wearefacs.bandcamp.com/album/wish-defense |
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Referenzen
Disappears; Shellac; Open Head; My Disco; Eros; Sonic Youth; Thurston Moore; Kim Gordon; Beak>; Exploded View; Suuns; A Certain Ratio; Chrome; The Fall; Gang Of Four; Wire; Elegiac; Clinic; Preoccupations; Holy Fuck; These New Puritans; Moin; Raime; Liars; Black Midi; Model/Actriz; Robocobra Quartet; Oneida; Young Widows; Swans; Gilla Band; Squid; Ditz; Cola; Ought; Omni; Television; Fugazi; French Toast; Bailterspace; Pere Ubu; This Heat; Q And Not U; Les Savy Fav; Brainiac; 31Knots; White Wine; Unwound; Slint; Grooms; Traams; Aua; Zahn; Velcros; DNA; Theoretical Girls; Mars; The Paper Chase; The Ponys; 90 Day Men; Milemarker
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