Bad Bunny - Debí tirar más fotos

Rimas / The Orchard
VÖ: 05.01.2025
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10

Zwischen Sehnsucht und Salsa
Bad Bunny macht weiterhin, was er will. Und bleibt dabei der größte Popstar der Welt, das weiß Benito Ocasio auch selbst ganz genau. Ein guter Zeitpunkt also, um mit "Debí tirar más fotos" nun sein bisher, nach eigener Aussage, persönlichstes Album zu bringen. Übersetzt heißt das ungefähr "Ich hätte mehr Fotos machen sollen", womit die Stoßrichtung der Platte sich bereits abzeichnet. Also weniger Reggaeton-Banger für die Charts, auch Trap-Elemente sind nur spärlich vorhanden. Dafür bietet dieses Album mehr Tiefgang und Nostalgie, es ist eine originelle Liebeserklärung an Puerto Rico, inklusive eines Rückblicks auf die eigenen Wurzeln. Dazu kommen traditionelle, erlesen ausgewählte Sound-Muster aus der Heimat, namentlich Salsa, Jíbaro und Plena. Durch diese Klänge, zwischen denen die unverwechselbaren Rap-Parts ebenfalls noch melodischer klingen, scheint das gesamte Album von melancholischen Heimwehgefühlen begleitet zu sein, obwohl die Stimmung eher belebt als runterzieht. Muss man auch erstmal schaffen.
Die Lead-Single "El club" fasst gut zusammen, worum es hier grundsätzlich geht. Auch wenn der Titel anderes vermuten lässt, doch der Party-Sound weicht recht schnell einer hypnotischen Kollektion aus House-Einflüssen und Fragmenten der erwähnten Latin-Genres. Und "Baile inolvidable" geht sogar noch einen Schritt weiter: Ein bittersüßer Song, irgendwo zwischen Salsa und modernem Dembow, klingt ungefähr. als würde man einen längst vergangenen, aber unvergesslichen Sommerabend noch einmal durchleben. Klingt insgesamt mehr nach Buena Vista Social Club auf einer HipHop-Jam statt nach Rap, aber genau diese einzigartigen Momente sind die Highlights der Platte. Richtig interessant wird es, wenn Bad Bunny seine sozialkritische Seite vertieft. So ist "Lo que pasó a Hawaii" ein mahnender Song, der die Gentrifizierung Puerto Ricos anprangert und die Frage aufwirft, wie viel Heimat noch in dem Land steckt.
Auch das Intro "Nuevayol" greift politische Themen auf, wie das Leben zwischen zwei Welten. Mit einer nostalgischen, fast jazzigen Note behandelt der Track puerto-ricanische Communitys in New York, es geht oft um Identität und Entwurzelung. Gleichzeitig dienen diese Motive als roter Faden des Albums, also das ständige Oszillieren zwischen Stolz und Wehmut, zwischen Liebe und Verlust, Heimweh und Aufbruchsstimmung. Der introspektive Fokus steht Ocasio prächtig, der sich immer weiter vom Image des Partyhit-Garanten entfernt. Wenn man der Platte überhaupt etwas vorwerfen möchte, dann die manchmal etwas zu willkürlich gesetzten Pausen und dass die spärlichen Features zwar durchweg nicht schlecht klingen, doch hin und wieder deplatziert wirken. Dies geht so weit, dass "Café con ron" eigentlich hauptsächlich von der Musikgruppe Los Pleneros De La Cresta getragen wird, während Omar Courtz und Dei V bei "Velda" für die stärksten Rap-Parts des gesamten Albums verantwortlich sind.
Trotzdem überzeugen unterm Strich alle Songs, auch die anderen beiden Features, wobei "Perfumito nuevo" mit Singer-Songwriterin RaiNao durch die interessanten Stimmungswechsel und die Kompatibilität der Beteiligten am meisten hermacht. Ein weiterer Höhepunkt ist der Titelsong "Dtmr", wo sich die Sehnsucht nach der heimischen Vergangenheit abwechselt mit den Wundern der Gegenwart, wie zum Beispiel der Tatsache, dass Bad Bunny jüngst Onkel wurde. Dabei betont er ganz klar auch, was seine größte Motivation zur Musik ist, nämlich "für Reggaetón, Salsa, Bomba und Plena", also aus Liebe zur Sache. Spätestens nach diesem Album eine mehr als glaubwürdige Herangehensweise, "Debí tirar más fotos" ist dehalb so stark, weil es keine bloße Rückschau bietet, sondern Erinnerungen feiert, Bad Bunnys Heimat würdigt und nach wie vor – vielleicht sogar am wichtigsten – Musik aus Puerto Rico und der Karibik allgemein neues Leben eingehaucht hat. Eigentlich tragisch, dass auch dieses so gelungene Werk hierzulande wieder eine Randnotiz bleibt.
Highlights
- Baile inolvidable
- Perfumito nuevo (feat. RaiNao)
- El clúb
- Dtmf
Tracklist
- Nuevayol
- Voy a llevarte pa PR
- Baile inolvidable
- Perfumito nuevo (feat. RaiNao)
- Weltita (feat. Chuwi)
- Veldá (feat. Omar Courtz & Dei V)
- El clúb
- Ketu tecré
- Bokete
- Kloufrens
- Turista
- Café con ron (feat. Los Pleneros de la Costa)
- Pitorro de coco
- Lo que le pasó a Hawaii
- EoO
- Dtmf
- La Mudanza
Gesamtspielzeit: 60:02 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Rhyton Postings: 1283 Registriert seit 26.09.2024 |
2025-02-11 09:58:23 Uhr
"Eigentlich tragisch, dass auch dieses so gelungene Werk hierzulande wieder eine Randnotiz bleibt."Schreibt er und gibt 7/10 :D |
Rhyton Postings: 1283 Registriert seit 26.09.2024 |
2025-02-11 09:55:16 Uhr
Ich finds erstmal überraschend gut, weniger Fickmusik als ich erwartet hab. Damit ich Fan werde müsste er noch den gleichen Sprung wie Rosalia mit Motomami machen, also sein Genre etwas verlassen zugunsten eines internationaleren Klanges, ist mir etwas zu viel Buena Vista Social Club. Aber muss auch nicht sein, gibt ja auch so vermutlich 500 Mio Menschen denen es genau so gefällt. |
DerPostmann Postings: 58 Registriert seit 14.06.2013 |
2025-02-11 09:20:34 Uhr
Ich hab´s jetzt noch mal mit ihm versucht, aber werde mit seinem Gesangsstil einfach nicht warm. Seine Stimmmodulationen erinnern mich an Mumble-Rap, irgendwie seelenlos und repetitiv. Was teils auch für die mit Effekten zugetackerte Produktion gilt. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28017 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-01-31 20:24:57 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10364 Registriert seit 26.02.2016 |
2025-01-25 10:19:30 Uhr
Wird kommen, aber dauert wahrscheinlich noch. |
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Referenzen
RaiNao; Chuwi; Luar La L; Omar Courtz; Los Pleneros De La Cresta; Dei V; Mora; Anuel AA; Ozuna; Ñengo Flow; Rosalía; Myke Towers; Young Miko; Bryant Myers; Arcángel; Yovngchimi; J Balvin; Karol G; Paolo Londra; De La Ghetto; Daddy Yankee; Quevedo; Lunay; Sech; Eladio Carrion; Rauw Alejandro; Drake; Nicky Jam; Burna Boy; Cypress Hill; Damian Marley; Wizkid; Digital Jet; Frank King; La Pacienca; Nico Baran; Hydro; Twobitmario; Sean Turk; Frankie Boy; ; Mick Coogan; Tego Calderón; Travis Scott; Grupo Frontera; Tainy; Tony Dize; Buscabulla; Jhayco; Nio Garcia; Mambo Kingz; Aventura; El Alfa; Aidan J Cullen; Smash David; Saox; Julito; Tyler Spry; Digital Jet; Foreign Teck; Justi Barreto; Mvsis; Richi Lopez
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