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Heisskalt - Vom Tun und Lassen

Heisskalt- Vom Tun und Lassen

Munich Warehouse / Membran
VÖ: 24.01.2025

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Es ist möglich

"Doch permanent bleibt die Hoffnung / Dass ich eines Tages / Wirklich zurückkomm' / Und nichts mehr wie's war ist": Heisskalt haben ihr einst in "Zweifel" gegebenes Versprechen wahrgemacht und sind nach sechs Jahren aus dem vorzeitigen Ruhestand zurückgekehrt. Was wäre Indie-Deutschland auch ohne diese Band, die sich so herrlich ungern an irgendwelche Regeln hält? "Vom Tun und Lassen", trotz der eigentlich unsäglichen Vokabel dann doch irgendwo ein "Comeback-Album", hängt genau in der Schwebe zwischen den existenziellen Berserkern von "Vom Wissen und Wollen" und der reduzierten Experimentierfreudigkeit von "Idylle". Pop? Dient maximal noch als Katalysator. So geradeheraus wie im Vorboten "Wasser, Luft und Licht", der lediglich durch einen kleinen Noise-Einschub kurz aus der Fassung gerät, zeigt sich das vierte Werk der Stuttgarter*innen sonst nie. Eher operieren Heisskalt mitunter an purstem Postrock beziehungsweise -hardcore mit manchmal gar gewissem Ambient-Charakter – und, wie eh und je, am offenen Herzen.

Einzig "Vampire" wandelt noch auf betretenen Pfaden, ansonsten geht die Band aber den entscheidenden Schritt weiter. So unterlegt zum Beispiel "Lehnen im Licht" entrücktes Gitarrenflirren mit einem stampfenden Rhythmus, der in einen knallharten Hardcore-Ausbruch mündet. Allen herausgespielten Feinheiten mit wieder zwei Sechssaitern zum Trotz sind Heisskalt deutlich rifforientierter unterwegs, als man erwartet hätte – auch das scheint ein Überbleibsel aus der "Idylle"-Ära. Exemplarisch hierfür steht "Sommer", das angetäuschte Festivaltauglichkeit und Feelgood-Atmosphäre aber durch seinen lyrischen Twist bricht. Mathias Bloechs Texte werden ohnehin immer abstrakter und schwieriger zu entschlüsseln. So kann "Dieses Gefühl" so manches sein, der Sänger überlässt ihm jedenfalls das Steuer und gibt die Kontrolle nur allzu gern ab, während die Musik dazu sanftmütig wie nie wird und somit den wohl sensibelsten und am meisten entschleunigten Heisskalt-Track bislang entstehen lässt. Der gewaltige Opener "Alle Zeit" kreiert eine ähnliche Aura der Ungreifbarkeit, spricht vom Treibenlassen und vom Hinnehmen der Dinge. Der einstige "Bewegungsdrang" ist einer beunruhigenden Lethargie gewichen.

Zumindest zeitweise. Die bewusst umständlich gehaltene Dampframme "Mit Worten und Granaten" ist brachial wie nie und lässt somit den wohl härtesten Heisskalt-Track bislang entstehen: "In meinen Armen weint die sterbende Zeit / Um jede neue Möglichkeit." Angesichts der allgemeinen Aussichtslosigkeit ob des zerstörerischen Treibens der Menschen bleiben nur der größtmögliche Einsatz um sich selbst sowie der Appell, sich die eigene Machtlosigkeit zumindest niemals einzugestehen. Denn was die Leute vermutlich eigentlich wollen und worin alle ungeachtet ihrer Verschiedenheiten dennoch verbunden sind, wagt sich "Heim" anschließend zu lediglich zartem Gitarrentröpfeln zu erörtern. Liebeslied oder soziologische Abhandlung? Nicht nur als später Ruhepol der definitive Gänsehaut-Moment des Albums, zumal die Band hier schon beinahe nach minimalem Elektro klingt.

Wenn "Teilchen" dann mithilfe von sperrigen Sprachbildern und tatsächlich programmierten Sounds im ausladenden Finale nach den Sternen greift, hat man den tonnenschweren Brocken, der dieses Album ist, fast überstanden. Und ist sich auch bewusst, dass man sich nicht zwangsläufig auf unmittelbare emotionale Reaktionen verlassen kann, sondern sich stattdessen vieles erst erarbeiten muss. Heisskalt haben einst kurz im Mainstream "Hallo" gesagt und dessen Schwung mitgenommen, seitdem bespielen sie ihre ganz eigene Nische und verteidigen diese auch nach ihrer Rückkehr vehement. "Vom Tun und Lassen" vereint alle Stärken der Band, ohne auf Fan-Service auszuweichen, und entwickelt sie in eine in sich geschlossene Richtung weiter. Das ist herausfordernd und anspruchsvoll, aber weder prätentiös noch unnötig verkopft. Sondern schlichtweg große Kunst.

(Ralf Hoff)

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Highlights

  • Lehnen im Licht
  • Mit Worten und Granaten
  • Heim
  • Teilchen

Tracklist

  1. Alle Zeit
  2. Vampire
  3. Lehnen im Licht
  4. Wasser, Luft und Licht
  5. Sommer
  6. Dieses Gefühl
  7. Vom schlimmsten
  8. Mit Worten und Granaten
  9. Heim
  10. Teilchen

Gesamtspielzeit: 43:21 min.

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User Beitrag

Affengitarre

User und News-Scout

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Registriert seit 23.07.2014

2025-02-16 10:18:34 Uhr
Haha, ja, da gehe ich auch wieder komplett mit. Die beiden Vorgänger hatten größere Albumhighlights, aber als Gesamtwerk sehe ich das hier auch nur hinter der "Vom Wissen..". Dass die Band nicht enttäuscht, war mir schon klar, aber dass das Album so gut geworden ist, freut mich dann schon sehr.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 34223

Registriert seit 07.06.2013

2025-02-15 21:06:58 Uhr
Tolles Album. "Heim" und Closer inzwischen auch bei den Highlights. Zweitbestes Album der Band wohl ziemlich sicher.

The MACHINA of God

User und Moderator

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Registriert seit 07.06.2013

2025-02-06 01:15:46 Uhr
"Heim" nimmt mich inzwischen auch sehr mit. Album explodiert derzeit eh bei mir. Das ist alles so gut.

The MACHINA of God

User und Moderator

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Registriert seit 07.06.2013

2025-02-06 00:42:12 Uhr
Der Opener ist so wunderbar. Der wird mit jedem Mal einfach immer besser. Wie so vieles auf dem Album.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 11313

Registriert seit 23.07.2014

2025-01-30 12:00:32 Uhr
Da gehe ich bisher total mit, auch bei den Highlights. Vielleicht noch „Heim“ und den Closer dazu, die mag ich auch sehr gerne.
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