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Psychic Graveyard - Wilting

Psychic Graveyard- Wilting

Artoffact
VÖ: 07.06.2024

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Hübsch, aber hässlich

Vogelscheuche müsste man sein. Klingt auf Anhieb nach einer wenig erstrebenswerten Daseinsform, ist aber genauer betrachtet nicht das Schlechteste: Man ist an der frischen Luft, hat nicht viel zu tun und Feuer ist das Einzige, vor dem man sich in Acht nehmen muss. Zumindest sieht so ein immerwiederkehrender Traum von Eric Paul aus, der natürlich nicht ohne eine gewisse Fratzenhaftigkeit abgeht – doch die ist der Frontmann von Psychic Graveyard ohnehin gewohnt, da er zuvor gemeinsam mit Gitarrist Paul Vieira bei den übergeschnappten Noise-Punks Doomsday Student spielte. Die sorgten zuletzt 2015 auf "A self-help tragedy" für wüst entstellte Bombentrichter wie "Angry Christmas" oder "The first trip", die man nur gelegentlich als Songs missverstehen konnte. Und wie das farbenfroh-klobige Cover zeigt, treibt's die Nachfolgeband kaum weniger bunt.

"Wilting" ist bereits der vierte Psychic-Graveyard-Longplayer und plündert wie seine Vorgänger zusehends bei Industrial, abgesägtem Techno und verwildertem Synth-Pop, zu dem man auf dem Friedhof für Durchgedrehte prima die Rabatten zertrampeln kann. Dafür verantwortlich zeichnet neben dem inzwischen auch an den Keyboards (hyper-)aktiven Vieira vor allem der aus San Diego rekrutierte Elektroniker Nathan Joyner, der grob sprotzende Sounds und Sequenzen aus seinen kurz vor dem Kabelbrand stehenden Maschinen quetscht. Manchmal genügen Andeutungen: Durch den aufgeräumten, schlanken Opener "Your smile is a hoax" ziehen sich kleine, gemeine Kriechstrom-Details, der punkende Fuzz-Bass der rasanten Vogelscheuchen-Vertonung "Stuffed with secrets" treibt blecherne Störgeräusche vor sich her. Fast perfekt, Herr Landschaftsarchitekt.

Als "A walk through hysteria park", wie einst ein Doomsday-Student-Album hieß, eignet sich "Wilting" bei aller relativen Eingängigkeit freilich trotzdem. Besonders, wenn das panische Noise-Rock-Ungetüm "Heads are turning" mit zwirbelnden Kreisch-Riffs und zerspantem Backbeat alles auf links zieht, was in wenig mehr als zwei Minuten nicht auf den Bäumen ist, oder wenn im sabotierten Elektro-Boogie "Lives the size of an eyelash" die Fahrt von Anfang an mutwillig rückwärts geht. Das kraftvolle Gepauke von Drummer Charles Ovett hält den Laden dabei trotz aller verquerer Strukturen jederzeit zusammen, während Paul mit lakonisch quäkendem Organ von Pyromaninnen im Kindesalter und Erfahrungen mit seinem autistischen Sohn erzählt oder amerikanische Zivilisationskrankheiten in surrealen Bewusstseinsströmen diagnostiziert. Bis die Ohren SOS fiepen.

Warum Psychic Graveyard nach dem schnittigen Auftakt auch derart Hässliches auf "Wilting" packen? Weil es schön ist. Sowohl das durchgeschmorte Buntmetall-Chaos von "Broke all their ladders" als auch das schadhafte Sludge-Gebrutzel "Scar in the shape of the United States". Hits sucht man jedoch besser woanders: etwa beim perkussiven Stampfer "Haunted by your bloodline", der sein Knartz IV offenbar längst verfeiert hat und sich für nichts mehr zu schade ist: "I want your heartbreak to be televised." Oder in den überblubbernden Acid-Lines des fantastischen "Handcrafts our happiness", ehe sich "Bellow's funeral home" zum Schluss ungewohnt versöhnlich auf den Weg allen Fleisches macht – vorbei an krautifizierten Motorik-Rhythmen und tröstlich sirrenden Shoegaze-Gitarren. Haben wir uns verdient nach einem so verstörenden wie faszinierenden Album.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Your smile is a hoax
  • Lives the size of an eyelash
  • Haunted by your bloodline
  • Handcrafts our happiness

Tracklist

  1. Your smile is a hoax
  2. Eyes are turning
  3. Stuffed with secrets
  4. Sword through my neck
  5. Lives the size of an eyelash
  6. Broke all their ladders
  7. Haunted by your bloodline
  8. Scar in the shape of the United States
  9. Handcrafts our happiness
  10. Bellow's funeral home

Gesamtspielzeit: 36:11 min.

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Armin

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2025-01-03 19:32:41 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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