Fucked Up - Another day
Fucked Up
VÖ: 09.08.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Was vom Tage übrigblieb
Fünf Sekunden Feedback-Quietschen, dann legt Jonah Falco los und trommelt einen vor Energie berstenden Dreiminüter nach vorne. Fucked Up bestätigen gleich im Opener "Face", wo sie sich in der ersten Hälfte der 2020er verorten. In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Quin- bis Sextett aus Toronto als eine der spannendsten Bands an der Schnittstelle von Hardcore-Punk und Indierock etabliert, und erschuf aus ihren Stilgrenzen auflösenden Ambitionen gleich mehrere Meisterwerke. "One day" machte dahingegen die Reduktion zum Konzept, indem die Bandmitglieder ihre jeweiligen Parts innerhalb von 24 Stunden komponierten und aufnahmen, was in einem geradlinigen Gaumenreiniger nach dem überbordenden "Dose your dreams" resultierte. Weil ihnen dieser Ansatz so gefiel, machen's Fucked Up auf dem passend betitelten und nur anderthalb Jahre später veröffentlichten "Another day" gleich noch einmal. Die Platte klingt beinah noch straighter als ihr Vorgänger, bereitet erneut riesengroßen Spaß und schafft das Kunststück, die musikalische Hochklasse der Band auch in ausnahmslos simplen Rocksongs zur Geltung zu bringen. Und doch fühlt es sich bei Fucked Up auf hohem Niveau zum ersten Mal so an, als würden sie sich wiederholen.
Weiterentwicklung ist hier aber eh nicht das Programm, stattdessen geht es um Gemeinschaft und das Gefühl, zusammen allen Beschwernissen des Lebens trotzen zu können – was kurioserweise zum Ausdruck kommt, obwohl der Fünfer wieder alles getrennt aufnahm. "Stimming" beginnt mit seltsam anmutenden Vocal-Fetzen, bevor sich die Gitarren in bester Fucked-Up-Manier umeinanderschlingen und Damien Abraham eine von den Füßen reißende Hymne über die Kraft des Musikmachens unter Freund*innen in den Nachthimmel keift. Das größte Highlight "Tell yourself you will" verbindet diese Wucht mit famosen Melodien, Call-and-response-Shouts und einem dezenten Synth-Puls, der sich fast durch den ganzen Track zieht. Die hier thematisierten Götter finden im Saiten-Gewitter von "Divining gods" Nachhall, das es zur menschlichen Natur erklärt, sich von überhöhten Leitfiguren in die Irre führen zu lassen. "We're the ones that will burn it all down", verkündet "Paternal instinct" noch pessimistischer – natürlich in Form eines keineswegs defätistischen Mitgröl-Refrains, der sich aus einer beatlosen Strophe schält und damit einen der seltenen Momente der Tempovariation auf dem Album markiert.
"Another day" ist mit Haut und Haaren lebensbejahend. Das macht programmatisch der Titeltrack deutlich, wenn er mit Thin-Lizzy-Gitarren den Glanz des Alltags-Struggles hervorhebt: "On another day / We're rising and falling / On another day / Trying to get the small wins." Der Closer "House lights" erinnert nicht nur aufgrund der Leuchtkraft seines Titels an den "David comes to life"-Rausschmeißer "Lights go up", sondern entlässt uns auch mit ähnlicher Power in eine schmerzvoll-schöne Welt: "It's got its problems and the world is full of strife / But you fight to find the joy before they bring up the house lights." Da lässt es sich problemlos verzeihen, dass das gemäßigtere "More" ein paar kleine Längen hat – oder dass Kreativkopf Mike Haliechuk mit dem poppigen "Follow fine feeling" an vorletzter Stelle wieder einen Song mit seinen Lead-Vocals platziert, der aber nicht die Klasse des grandiosen "Cicada" vom Vorgänger erreicht. Ein bisschen müssen Fucked Up durchaus darauf achten, qualitativ nicht abzurutschen, schließlich haben sie nur drei Monate nach "Another day" schon den Nachfolger "Someday" rausgehauen, der trotz mehr Gesangsabwechslung klar das schwächste Werk des Trios ist. Ein kurzer Blick auf frühere Großtaten beseitigt jedoch alle größeren Zweifel – es muss sie vielleicht nur jemand daran erinnern, dass man Musik auch in mehr als 24 Stunden aufnehmen kann.
Highlights
- Stimming
- Tell yourself you will
- House lights
Tracklist
- Face
- Stimming
- Tell yourself you will
- Another day
- Paternal instinct
- Divining gods
- The one to break it
- More
- Follow fine feeling
- House lights
Gesamtspielzeit: 37:02 min.
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User | Beitrag |
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MickHead Postings: 3105 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-01-16 16:15:40 Uhr
Am 14.03. komm über Sub Pop die 7" Single Disabuse b/w Self-Driving ManErster Song " Disabuse" https://youtu.be/RXiNKqwthyc?si=xkqp1QYp7JK6w6Xx |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27844 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-01-03 19:31:48 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. "Vergessene Perle 2024". Meinungen? |
Hierkannmanparken Postings: 1785 Registriert seit 22.10.2021 |
2024-08-26 10:14:32 Uhr
Kommt mir vor wie aus einem Guss. Die Songs haben alle ein ähnliches Energielevel bis auf Paternal Instincts. Finde ich ein bisschen ermüdend.Produktionstechnisch finde ich das Album gut. Die Vocals wirken nicht wie ein Fremdkörper. Bei David Comes to Life empfand ich das immer so. Mein eines Highlight bisher ist Stimming. Macht Spaß, die Lyrics gefallen mir und der Song hat einen richtig schönen Abschluss! |
kusubi Postings: 1586 Registriert seit 17.12.2019 |
2024-08-23 12:38:28 Uhr
Habe das Erscheinen total verpasst. Die "one day" hatte jetzt keine riesige Halbwertszeit bei mir. Bin trotzdem auf die neue gespannt. Richtig schlecht können die gar nicht |
Hierkannmanparken Postings: 1785 Registriert seit 22.10.2021 |
2024-08-22 22:28:31 Uhr
Stimming ist ja schön! Dazu könnte man sich glatt zum Altar durchpogen! |
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Referenzen
Titus Andronicus; The Clash; Sick Of It All; Perfect Pussy; The Bronx; The Menzingers; Drug Church; Militarie Gun; Scowl; Hot Water Music; Against Me!; ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead; Viagra Boys; Pissed Jeans; Hot Snakes; Quicksand; Fireside; Cancer Bats; Ceremony; Fugazi; Propagandhi; Refused; Hüsker Dü; Minutemen; Black Flag; Gallows; Touché Amoré; Turnstile; Pup; The Armed; The Blood Brothers; Cave In; Baroness; The Hold Steady; Broken Social Scene
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