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Eros - Your truth is a lie

Eros- Your truth is a lie

Downwards
VÖ: 01.11.2024

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 3/10

Die Kellermenschen

Das Leben ist eine Baustelle. Einst der Titel eines recht liebenswerten deutschen Spielfilms über orientierungslose Jungmenschen in der Großstadt, später um den englischen Zusatz "and so are we" ergänzt eins der vielen Schlagworte, mit denen die Slogan-wütige Mediengruppe Telekommander um sich warf. Und Boris Wilsdorf? Der lebt zwar nicht auf einer Baustelle, aber bestreitet zumindest seinen Lebensunterhalt mit einer solchen. Genauer gesagt mit dem andereBaustelle Tonstudio, zu dessen (Stamm-)Gästen der Berliner unter anderem Einstürzende Neubauten und Swans zählt. Und seit einiger Zeit auch die Australier My Disco, die spätestens ab ihrem 2019er-Meisterwerk "Environment" nicht mehr für streng strukturierten Post- und Noise-Rock, sondern für metallverarbeitende Ambient-Drones mit spukigen, alles Licht schluckenden Raumforderungen stehen.

Zuletzt auf "Alter Schwede", das neben dem bizarren Zulassungsstellen-Stahltanz "StVO" sogar einen Track namens "Baustellenlüftung" enthielt. Und am Ende waren Frontmann Liam Andrews und Wilsdorf am Mischpult so im geräuschigen Flow, dass es wie von selbst weiterging. Diesmal unter dem Namen Eros und unter Mittun von Karl O'Connor – als Regis und mit British Murder Boys nicht nur holzharter Industrial-Techno-Musiker, sondern auch Macher von My Discos Label Downwards Records. Kein Wunder, dass es auf "Your truth is a lie" nicht nur scheppert, kabelt und morpht, sondern auch planvoll poltert und rigide rummst. Und greift Andrews beim Opener "Cut from the soul" tieffrequenzig in seine vier Saiten, stehen plötzlich wieder Alben wie "Paradise" oder "Little joy" im Raum, auf denen man My Disco beinahe für eine Post-Punk-Band hätte halten können.

Jedoch nur kurz, denn sobald der erste gravitätische Akkord der gastierenden Marc-Almond-Pianistin Anni Hogan niedersaust, O'Connor zu synthetischem Rauschen dicke Beats rausholt und Andrews' Bandkollege Rohan Ribeiro eine schnittige Percussion-Einlage vollführt, weiß man, dass auf "Your truth is a lie" alles passieren kann. Hauptsache, es ist schummrig und wuchtig zugleich – und trifft ins finstere Herz der elektronischen Klangerzeugung. "The light is mine" will mit maßvollem Geschepper zu Beginn sogar eine magenschonende Version von My Discos "An intimate conflict" sein, ehe die Maschinen hochfahren und die osmanische Trichteroboe Zurna jenseitige Qualitäten addiert – als wäre das noch nötig bei dem akustischen Schwarzlicht, das Eros in die Atmosphäre drücken. Oder in einen wummernden Schwitzkeller, wo man die Luft längst schneiden kann.

Kein Grund zur Beruhigung also: Die von ständig aufploppenden Kreischsägen zerteilte Minimal-Skizze "Let love decide" zweifelt so lange am Wesen zarter Gefühle, bis sie in sich zusammenfällt, "The healing waters" funktioniert auch dank Andrews' rumorendem Bass ähnlich gnadenlos. Der federnde Ruhepol "Schlag, spiel mir in die Hände" hingegen inszeniert mit der Berliner Schrauberin Rosa Anschütz am Mikro ein lautmalerisches Ad-Lib-Mantra – köstlich außerirdisch und eine prima Startrampe für die verschlankte Version des bereits auf der 2022er-EP "A Southern code" vertretenen "Crawling man". Die trumpft mit Elektro-Triebwerk, Prengel-Riff und türkischer Tröte noch einmal mächtig auf, ehe das Titelstück bang verhallt. Im Kopf dreht sich dieses abgedunkelte, wunderbar suggestive Album aber noch einige Zeit weiter. Inklusive Baustellenlärm, versteht sich.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • The light is mine
  • Schlag, spiel mir in die Hände (feat. Rosa Anschütz)
  • Crawling man

Tracklist

  1. Cut from the soul
  2. The light is mine
  3. A Southern code
  4. Let love decide
  5. The healing waters
  6. Schlag, spiel mir in die Hände (feat. Rosa Anschütz)
  7. Crawling man
  8. Your truth is a lie

Gesamtspielzeit: 46:16 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Boris Wilsdorf

Postings: 1

Registriert seit 20.12.2024

2024-12-20 14:54:53 Uhr
Vielen vielen Dank für diese illustre Rezension. Voll getroffen und super recherchiert.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27813

Registriert seit 08.01.2012

2024-12-19 20:25:53 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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