U2 - How to re-assemble an atomic bomb
Island / Universal
VÖ: 22.11.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Alles weird, gut.
Hoppla, was bratzt denn da ins Ohr? Die neue Garage-Rock-Sensation? Irgendein staubiges Demo aus den 80ern? Ne, ne. Das ist obskures Material von der selbsternannten größten Band der Welt zu einer Zeit, als sie wieder genau nach diesem Titel strebte. Für U2 war "How to dismantle an atomic bomb" in 2004 das bislang letzte Mal, dass sie sich tatsächlich mit neuer Musik in den Köpfen der Massen festsetzen konnten – gemeint ist natürlich die Single "Vertigo". Jenes zwar dümmstmögliche, aber verteufelt effektive Stück Geradeaus-Rock ist vermutlich der letzte U2-Song, den mehr als zwei von 100 Leuten, die wir gefragt haben, kennen. Das zugehörige Album war dann zwar nur "All that you can't leave behind" mit etwas rauerem Ton und tendenziell schwächeren Songs, für zehn Millionen verkaufte Einheiten weltweit reichte es aber dennoch. Zum 20-jährigen Jubiläum hat das Quartett nun teils schon in anderer Form veröffentlichte, teils komplett unbekannte Stücke aus der Zeit kompiliert und als sogenanntes "Shadow album" namens "How to re-assemble an atomic bomb" zusammen mit dem (sehr behutsam) remasterten Original re-released.
Der schmissige damalige Bonustrack "Fast cars" ist bei dieser Wiederveröffentlichung offiziell als Teil des Hauptalbums deklariert, sodass "How to re-assemble an atomic bomb" in der Folge mit der eingangs beschriebenen kratzigen Attacke in Form von "Picture of you (X+W)" beginnt – und sich Melodie und Text von "Fast cars" kurioserweise gleich noch einmal wiederholen, nur mit mehr Riffing und weniger Rhythmusbetonung. Zwar löst sich die zeternde Strophe in einem schönen Refrain auf, aber so ungeschliffen hat man U2 selten gehört, schon gar nicht im 21. Jahrhundert. Es bleibt nicht die einzige launige Merkwürdigkeit. "Happiness" probt ein rhythmisches Hüpfen samt Shouts im Refrain – seltsam vertraut wirkt das, bis man sich erinnert, dass Franz Ferdinand im gleichen Jahr ihr Debüt samt "Take me out" veröffentlicht haben. "Happiness is for those who don't really need it", singt Bono, bevor er die Punchline raushaut: "Stop talking! / I'm talking to you! / Start walking! / We'll make it through!" Übrigens ist es nicht das einzige Mal, dass die titelgebende "atomic bomb" in den Lyrics auftaucht – scheinbar Überrest eines verworfenen Konzepts? "Tell me why there needs to be a 21st century", bemerkt er noch lakonisch.
Den Vogel schießt aber definitiv "Treason" ab. Die exotische Percussion, die bekloppten "Ay-ay-ay"-Chöre im Refrain oder der halb geschriene Rap (!) in der Bridge tragen eine Weirdness in sich, die in absolut positiver Weise an den Wagemut von U2 in den 90ern erinnert. Der keyboardgetriebene Rock in Kombination mit Bonos Vocal-Phrasierung in "Evidence of life" wirkt dagegen eher, als wäre Morrissey bei The Dandy Warhols eingestiegen. Auch interessant. Das knapp zweiminütige "Theme from 'The Batman'" ist ein eher unbedeutendes Instrumental und leider trotz des Titels kein Vergleich zu den Soundscapes des Passengers-Album "Original soundtracks 1" mit Brian Eno. Nicht alles ist jedoch so experimentell. "Luckiest man in the world" sucht ganz einfach eine hübsche Melodie und dehnt sich darüber aus, noch besser macht es das tolle "Country mile" mit den wundervollen Gesangsharmonien im Refrain – ein klassischer, schöner U2-Track. In die gleiche Kerbe schlägt auch die sehr gelungene ursprüngliche "Vertigo"-B-Seite "Are you gonna wait forever?", die wie einiges auf "How to re-assemble an atomic bomb" ein paar der lahmeren Enten auf dem Originalalbum hätte ersetzen sollen.
Letztlich macht diese "Schattenplatte" etwas mehr Laune als das eigentliche Album und lädt auf jeden Fall dazu ein, sich aus beiden Tracklists ein Werk zu basteln, das "All that you can't leave behind" sogar in die Tasche gesteckt hätte. Vorausgesetzt, das Ganze wäre beim Mixing noch etwas vereinheitlicht worden. Die gelegentliche Überproduktion auf "How to dismantle an atomic bomb" weicht hier einer Rohheit, stellenweise leider auch klarer Unfertigkeit, die diese Songs durchzieht. Deutlich wird das bei dem Song, der auf beiden Alben vorhanden ist. "All because of you" war in der Ursprungsfassung grell und gleißend, die Version, die "How to re-assemble an atomic bomb" abschließt, hat dagegen einen seltsamen Mix, bei dem die Gitarre zwischen zu laut und zu leise schwankt und der Refrain ohne Punch daherkommt. Der Mehr- und Erkenntniswert ist begrenzt. Möglich aber, dass der Song sowieso nur als verschmitzter Gag in diese Gaudi integriert wurde. Schließlich heißt er "All because of you 2". See what they did there?
Highlights
- Picture of you (X+W)
- Treason
- Country mile
- Are you gonna wait forever? (Re-assemble edition)
Tracklist
- Picture of you (X+W)
- Evidence of life
- Luckiest man in the world
- Treason
- I don't wanna see you smile
- Country mile
- Happiness
- Are you gonna wait forever? (Re-assemble edition)
- Theme from 'The Batman'
- All because of you 2
Gesamtspielzeit: 40:18 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33876 Registriert seit 07.06.2013 |
2024-12-31 00:45:03 Uhr
Wird mal so gehört. "Treason" mag ich schon mal. |
Huhn vom Hof Postings: 7430 Registriert seit 14.06.2013 |
2024-12-21 14:54:52 Uhr
Am liebsten höre ich diese Tracklist:1. Vertigo 2. Miracle Drug 3. Sometimes You Can't Make It On Your Own 4. Love And Peace Or Else 5. Treason 6. Country Mile 7. Happiness 8. Mercy 9. Crumbs From Your Table 10. One Step Closer 11. Original Of The Species 12. Fast Cars 13. Yahweh |
juwe82 Postings: 68 Registriert seit 14.04.2020 |
2024-12-19 22:29:37 Uhr
Nach der Rezi direkt am Reinhören- und? Gefällt tatsächlich, irgendwie unerwartet und nostalgie Vibes. Das letzte U2 Album dass ich gehört habe war All that you can leave behind... |
Huhn vom Hof Postings: 7430 Registriert seit 14.06.2013 |
2024-12-19 21:09:47 Uhr
Ich muss mir die "neue" Version von "Are You Gonna Wait Forever?" mal anhören - die B-Seite damals war jedenfalls nix. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33876 Registriert seit 07.06.2013 |
2024-12-19 20:51:14 Uhr
Schöne Headline, schöne Rezension. Jetzt hab ich auch mal Lust, das Ding zu hören. |
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Referenzen
Passengers; Coldplay; INXS; Bruce Springsteen; Sting; Simple Minds; Manic Street Preachers; R.E.M.; The Cranberries; Peter Gabriel; Kodaline; The Cult; Journey; Elton John; Counting Crows; The Killers; Snow Patrol; Dave Matthews Band; Dire Straits; Oasis; Tom Petty And The Heartbreakers; Sinéad O'Connor; The Verve; Foo Fighters; Mumford & Sons; Crowded House; Elbow; The Pretenders; Rod Stewart; Bryan Adams; Thirteen Senses; Kings Of Leon; Fleetwood Mac; The Wallflowers; Midnight Oil; Texas; Stereophonics; Matchbox Twenty; The Waterboys; The Beatles; Queen; The Rolling Stones; Goo Goo Dolls; Traveling Wilburys; Johnny Cash; REO Speedwagon
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