Ben Folds - Sleigher
New West / Bertus
VÖ: 25.10.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
Wärme in den Herzen
Spiel uns ein Lied, Piano-Mann, spiel uns ein Weihnachtslied: Bereits in der Vergangenheit hatte uns Ben Folds zwei sehr unterschiedliche saisonale Songs beschert. Im musikalischen Witz "Bizarre Christmas incident" besang er einen mit tödlichen Folgen im Schornstein steckengebliebenen "big fat fuck" von Weihnachtsmann, und für den Soundtrack des Jim-Carrey-Klassikers "Der Grinch" steuerte Folds das mitreißende Klaviergewitter "Lonely Christmas" aus der Perspektive der grünen Kreatur bei. So kommt es zumindest nicht völlig überraschend, dass sich der 58-Jährige nun erstmals auch auf Albumlänge weihnachtlichen Weisen widmet. Folds hatte im Zuge der Veröffentlichung seiner letzten Platte "What matters most" angekündigt, dass "any more of these rock records" künftig nicht zu erwarten seien. "Sleigher" ist jedoch trotz des Gleichklangs des Titels mit dem Bandnamen gewisser Thrash-Metal-Legenden größtenteils gut abgehangener, jazzig angehauchter Elder-Statesmen-Piano-Pop geworden, der sich gut in die Diskografie des US-Amerikaners einfügt.
Weihnachtsplatten leiden ja oftmals darunter, dass eher mäßig originell nur die ewig gleichen modernen Standards von Winterwunderländern oder Rentieren mit roten Nasen nachgesungen werden. Hier sind immerhin nur drei von zehn Songs Coverversionen und zwei davon auch noch angenehm obskur: Burt Bacharachs "The bell that couldn't jingle" bleibt auch in Folds' Adaption äußerst niedlich schwungvoller Pop, und der schlurfende, betont altmodisch arrangierte Swing von "You don't have to be a Santa Claus" über den Stellenwert von Nächstenliebe auch außerhalb der Weihnachtszeit fungiert als feiner Rausschmeißer, der dem selten gehörten Original von The Mills Brothers in nichts nachsteht. "The Christmas song", mit den in der Eröffnungszeile über dem offenen Feuer röstenden Kastanien, hingegen ist doch etwas abgenudelt, wirkt hier dank leichtem Country-Feeling mit Mundharmonika-Solo aber trotzdem einigermaßen charmant.
Und wie machen sich die neuen Stücke des Tastenmagiers so? Der instrumentale Opener "Little drummer bolero" erinnert zart und melancholisch klimpernd an den atmosphärischen Jazz-Soundtrack des Vince Guaraldi Trios zum zumindest in den USA legendären "A Charlie Brown Christmas". Die nächsten drei Songs bilden einen lupenreinen Hattrick bittersüßer Songwriting-Brillanz. Die Weihnachtszeit bildet hier, begünstigt eben durch ihre ritualisierte und repetitive Struktur, den Ausgangspunkt für Reflexionen über den eigenen Platz im Leben, Weiterentwicklung ebenso wie Stagnation und den Fortschritt der Zeit überhaupt. Das gedämpfte "Sleepwalking through Christmas" erzählt mit bluesigen Akzenten davon, vor lauter Einsamkeit nach einer schmerzhaften Trennung nicht wirklich geistig anwesend zu sein. Das Thema der Vergänglichkeit greift auch das schmerzhaft schöne, mit Streichern veredelte Album-Highlight "Me and Maurice" auf, das sich hinter Sternstunden wie "The luckiest" nicht zu verstecken braucht. Und von Sinn und Wahnsinn weihnachtlicher Familienzusammenkünfte berichtet "Christmas time rhyme" entspannt groovend und augenzwinkernd versöhnlich: "You're all fuckin' freaks, but we're family / So we do what it takes to be in one place, if just for a day." Auch das romantische Duett "We could have this" mit Lindsey Kraft ließe selbst dem Grinch das Herz erweichen. Mit einem kräftigen "Bah, humbug", den harschen Worten des literarischen Weihnachtsskeptikers Ebenezer Scrooge, sei einzig "Xmas aye eye"bedacht: Die KI-unterstützte Hyperpop-Albernheit fällt tonal völlig aus dem Rahmen und stört dabei den Flow des Albums doch spürbar. Doch Schnee drüber, denn "Sleigher" sei Scrooge, dem Grinch und allen Anderen für diese Zeit des Jahres künftig glühweinwärmstens empfohlen.
Highlights
- Sleepwalking through Christmas
- Me and Maurice
- Christmas time rhyme
Tracklist
- Little drummer bolero
- Sleepwalking through Christmas
- Me and Maurice
- Christmas time rhyme
- Waiting for snow
- We could have this (feat. Lindsey Kraft)
- The Christmas song
- The bell that couldn't jingle
- Xmas aye eye
- You don't have to be a Santa Claus
Gesamtspielzeit: 34:09 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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jo Postings: 6636 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-12-18 15:47:39 Uhr
Ja, irgendwie auch typisch. Sonst aber wirklich ein schönes Album. |
Obrac Postings: 2527 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-12-18 13:45:44 Uhr
@Machina: Absolut. Manchmal bricht bei ihm irgendwie so eine Art Tourette-Syndrom durch. |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33930 Registriert seit 07.06.2013 |
2024-12-18 13:38:45 Uhr
Schönes Album. Nur kein Plan was "Xmas aye eye" soll. Hätte man gern als Hidden Track oder sowas nutzen können. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27853 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-12-12 20:58:15 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Ina Simone Mautz Postings: 15 Registriert seit 12.06.2013 |
2024-09-25 22:34:18 Uhr
Große Vorfreude! |
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Referenzen
Ben Folds Five; Fear Of Pop; Billy Joel; Elton John; Jamie Cullum; Randy Newman; The Divine Comedy; Brian Wilson; Joe Jackson; Rufus Wainwright; Sufjan Stevens; Jens Lekman; Badly Drawn Boy; Father John Misty; Duke Special; Elvis Costello; They Might Be Giants; Burt Bacharach; The Bens; Prefab Sprout; The New Pornographers; Ben Kweller; Cake; The Decemberists; The Shins; Andrew Bird; Pete Yorn; Joseph Arthur
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