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Fritzi Ernst - Jo-Jo

Fritzi Ernst- Jo-Jo

Bitte Freimachen / Membran
VÖ: 06.12.2024

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Alleine zu zweit

So eine Trennung ist doch gar nicht so übel. Man muss nicht mehr ans Telefon gehen, kann in Ruhe Bauch-weg-Training machen, auch wenn man nicht recht weiß, für wen eigentlich, und stellt plötzlich fest, dass selbst kochen doch gar nicht so schwer ist, wie man immer dachte. Dankbare Situation also – bis wieder Lethargie und heulendes Elend anklopfen. Friederike – Hörer*innen dürfen Fritzi zu ihr sagen – Ernst weiß das nur zu gut. Zum Beispiel im Titelstück ihres zweiten Albums, das die frühere Hälfte von Schnipo Schranke über weite Teile mit ihrem geschätzten Klavier bestreitet. Und mit einer Menge Weltschmerz, noch nicht runtergebrachtem Beziehungsmüll sowie liebevoll gegossenen Neurosen und Raumforderungen der Seele. Ähnlich wie auf dem Debüt "Keine Termine", zu dem sich Kollege Meyer gar leise Sorgen um die Paderbornerin zu machen schien.

Doch bitte nicht anrufen, schreiben oder faxen: Unserem Empfinden nach geht es Fritzi Ernst gut. Also im Großen und Ganzen. Und das ist das Allermindeste, was die Frau verdient hat, die auf "Rare" das wundervoll kaputteuphorisierte Gefühlschaos "Gast" oder den epochalen Unfall-Hop "Murmelbahn" sang – das herzlichste, ulkigste und tröstlichste Lied über Depressionen, das jemals geschrieben wurde. Was sich als grenzwertiger Fäkal-Pop tarnte, verhandelte nämlich nicht weniger als die großen Dinge des Daseins – Liebe, Sex, Tod, Starglanz – auf nur einem einzigen Blatt Toilettenpapier mit niedlichen Badeenten drauf. "Jo-Jo" funktioniert nun ähnlich, und auch kann man als scheinbar tumber Rezensent (etwas Selbstkritik wird ja wohl erlaubt sein) ob der damaligen, zu niedrigen Punktwertung den chronisch selbstkasteienden Piano-Hit "Ich bin so dumm" bestens nachvollziehen. Same here, Fritzi.

Denn man kann es drehen und wenden, wie man will: Das Leben ist und bleibt ein Scheißhaus. Wäre da nicht die die "Süße Musik", von der Ex-Gefährtin Daniela Reis samt Ehegatte beim neuen Duo Ducks On Drugs schwärmt. Die zu ersinnen, hilft immer, wie "Ich steh im Bett" wortreich belegt: "Ich schaue suchend in die Finsternis / Weiß genau, dass da irgendwo die Lösung ist / Hinter meiner Stirn wird es gleich passieren / Ich werde was kreieren, ich liebe mein Gehirn." Klingt doch schon besser – fast so gut wie das knuffige Synth-Uptempo des quietschend frohgemuten "Ich steh im Bett". Und schon macht sich das ungelenk, aber immerhin solide neben sich herwankende "Kratzer" mit kleinem Gitarrenriff und albernen "Oopsi"-Einwürfen über eigene und fremde Unzulänglichkeiten lustig, statt sie zu betrauern. Manchmal kann die Welt auch schön sein.

Und wenn Ernst zu elektronischem Grollen überlegt, ob sie "Schreien oder schweigen" soll und im Schunkler "Ja ich pfeif auf Deine Regeln" ihre Beerdigung herbeihalluziniert, ist das nicht etwa bedenklich, sondern ein stolzer kleiner Ausdruck von Selbstermächtigung. Gleiches gilt für die Coverversion von Tears For Fears' "Mad world", die hinter dem Original zurückbleibt, es aber so feinfingrig wie auf einem Spielzeug-Keyboard nachspielt. Und Daniela Reis? Der weint "Nie drüber gelacht" ein Tränchen nach und liebäugelt schüchtern mit einer Schnipo-Schranke-Reunion. Bis es so weit ist, bleibt ein reizendes Album – und im versöhnlichen Closer eine neue alte Liebe: "Ich fühl mich wie im Märchen, wir sind wieder ein Pärchen / Du spielst verliebt mit meinen Härchen, jetzt ist wieder alles klärchen." Ein Satz, den eigentlich nur Berthold Heisterkamp darf. Und Fritzi Ernst.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Ich bin so dumm
  • Ich steh im Bett
  • Schreien oder schweigen
  • Kratzer

Tracklist

  1. Jo-Jo
  2. Ich bin so dumm
  3. Ich steh im Bett
  4. Schreien oder schweigen
  5. Nie drüber gelacht
  6. Kratzer
  7. Ja ich pfeif auf Deine Regeln
  8. Alarm Alarm
  9. Mad world
  10. Märchen

Gesamtspielzeit: 29:19 min.

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User Beitrag

Armin

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Registriert seit 08.01.2012

2024-11-30 22:46:06 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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