Warhaus - Karaoke moon
PIAS / Rough Trade
VÖ: 22.11.2024
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Sechs Richtige ohne Zusatzzahl
Woran es jeweils liegen mag, dass sich einzelne Mitglieder von Bands zu einer parallelen Solokarriere entscheiden, hat vielfältige Gründe. Balthazar aus Belgien beispielsweise sind seit 2004 aktiv und verbinden in schöner Regelmäßigkeit ihre Studioalben mit Tourneen – man hat damit, sollte man meinen, grundsätzlich gut zu tun. Sänger Maarten Devoldere ist das Dasein als Frontmann offenkundig nicht erfüllend genug, denn seit 2016 besticht er mit bemerkenswerten Veröffentlichungen unter dem Namen Warhaus. Kriegerisch geht es hier nicht zu, ruhige Töne dominieren das ausgesprochen poppige Klangbild mit souligen Anleihen. Die drei bisherigen Longplayer "We fucked a flame into being", "Warhaus" und "Ha ha heartbreak" sorgten für viel Zustimmung, und es ist zu erwarten, dass auch "Karaoke moon" in dieser Hinsicht auf ein dankbares Publikum trifft.
Das neueste Warhaus-Album setzt zunächst einmal die altbewährte Kunst fort, mit einem famosen Opener zu glänzen. "Where the names are real" entwickelt einen unwiderstehlichen Sog, von dem man sich nur allzu gern mitreißen lässt. "Babe I'm in love with you", schmachtet der Sänger sein Gegenüber an, um rasch hinterherzuschieben: "I promise you, no dirty tricks." Devoldere bleibt bei aller Betonung der wahren Liebe inhaltlich dem Gewohnten treu, singt über "We're a strip club, honey / Where the names are real" und bringt gleich im ersten Stück das Wort "pornography" unter. Das alles trägt er mit einer verblüffenden Gelassenheit vor, ein Crooner noch immer und immer mehr, der bei Leonard Cohen und Nick Cave stets gut zugehört hat. Und dessen erzählerisches Ich Zeilen singt / spricht / atmet, bei denen man nicht immer sicher sein kann, wie viel Ironie sich tatsächlich in ihnen verbirgt. "It takes a man to love you" in "Jim Morrison" ist so ein Fremdschammoment auf den ersten Blick, den er in der Folge jedoch so fortsetzt: "So what was I supposed to do with you babe / I know you love your combination of poetry and jazz / Well I'm eloquent, but not that eloquent / I can state something profound about your tits and ass."
Der flämische Musiker bleibt also schwer (be)greifbar. Das geschickte Spiel mit den Perspektiven, der Abwechslungsreichtum in den musikalischen Details, die Bezugnahme auf kleine und große Themen: Wieder einmal lädt Devoldere zur Entdeckungsreise mit Langzeitwirkung ein. Wir begegnen Hermann Hesse in "Zero one code", wenn er singt: "It's a story about two men / But if we're honest, well then / Goldmund gets more pages than his friend." Orchestral wird es in "Hands on a clock", rein instrumental bei "Jackie N.", man lauscht davor und danach mit großer Aufmerksamkeit Devolderes Erzählungen, der sich hier als jemand erweist, der seine Musik voll und ganz unter Kontrolle hat. Mittendrin, aber stets höflich und zurückhaltend agierend mischt Sylvie Kreusch wieder am Mikrofon mit und versorgt die Songs mit einer Zutat, die bei genauerer Betrachtung so fehlen würde, wie es beim Vorgänger der Fall war.
Eine weitere Person, die an der Entstehung des vierten Warhaus-Albums beteiligt war, gehört explizit hervorgehoben: Produzent Jasper Maekelberg besaß die Chuzpe, sein Gegenüber nach Vorlage der ersten Demos freundlich, aber bestimmt beiseitezunehmen. Das könne er doch besser, lautete kurz gefasst der Rat an den Musiker. Statt auf stur zu schalten oder auf den ursprünglichen Ergebnissen des kreativen Schaffensprozesses zu beharren, machte sich Devoldere nochmal ans Schreiben und Komponieren. Gemeinsam brachten sie "Karaoke moon" schließlich im Verlauf mehrerer Monate im Studio im belgischen Brügge zum Strahlen. Wie groß Maekelbergs tatsächlicher Anteil am Ergebnis ist, muss unbeantwortet bleiben. Zu etwas Schlechterem haben seine kollegialen Hinweise aber wohl kaum geführt, denn die großen Qualitäten des Musikers kommen auf "Karaoke moon" voll zum Tragen. Das gilt sogar für Momente wie in "The winning numbers", wenn Devoldere stilvoll die sechs Gewinnzahlen vom Tage vorträgt. Was die Souveränität, mit der sein Soloschaffen inzwischen hell leuchtet, nun wiederum für seine Band Balthazar bedeutet, muss deren nächste Veröffentlichung zeigen. Seiner Kreativität scheinen keine Grenzen gesetzt.
Highlights
- Where the names are real
- What goes up
- Zero one code
- I want more
Tracklist
- Where the names are real
- No surprise
- What goes up
- Jim Morrison
- Jacky N.
- Zero one code
- Hands of a clock
- The winning numbers
- I want more
- Emely
Gesamtspielzeit: 42:59 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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MickHead Postings: 2704 Registriert seit 21.01.2024 |
2024-11-27 12:11:32 Uhr
Laut.de 4/5https://www.laut.de/Warhaus/Alben/Karaoke-Moon-124428 Platten vor Gericht: https://plattenvorgericht.blogspot.com/2024/11/warhaus-karaoke-moon.html Gaesteliste.de: https://www.gaesteliste.de/review/show.html?id=99006298&_nr=22855 |
joseon Postings: 794 Registriert seit 04.09.2023 |
2024-11-22 12:34:22 Uhr
Wie erwartet wieder sehr toll geworden. Nur mit dem Instrumental kann ich aktuell noch nicht so viel anfangen |
Kalle Postings: 424 Registriert seit 12.07.2019 |
2024-11-14 20:46:25 Uhr
Die Vorfreude auf das Album wächst nach dieser Rezension. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27676 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-11-13 20:41:48 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Kalle Postings: 424 Registriert seit 12.07.2019 |
2024-10-09 17:19:25 Uhr
@hoschi+1 |
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Referenzen
Balthazar; Sylvie Kreusch; Leonard Cohen; Serge Gainsbourg; Arno; dEUS; TaxiWars; Arab Strap; J. Bernardt; Matthew E. White; Tindersticks; Lambchop; Benjamin Biolay; Peter Doherty & Frédéric Lo; Arctic Monkeys; Jarvis Cocker; Jonathan Bree; Nick Cave & The Bad Seeds; Bill Callahan; Tom Waits; Rustin Man; Andrew Bird; Other Lives; Tamino; The Slow Show; The National; Matt Berninger; Baxter Dury; Rhye; Sade; Marvin Gaye; Nadine Shah; Mattiel; Jamie Woon; Beck; Barry Manilow; Radiohead; The War On Drugs; Father John Misty; Sophie Hunger; Dekker; Other Lives; Christian Kjellvander
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