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Manu Chao - Viva tu

Manu Chao- Viva tu

Because / Al!ve
VÖ: 20.09.2024

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Bello Chao

Mit Manu Chaos Debüt "Clandestino" kam 1998 so etwas wie ein Kultalbum der globalisierungskritischen Bewegung in die Welt. Sein frischer, eklektischer Stil formulierte ein lebensbejahendes Manifest internationaler Solidarität, das auf europäischen Festivals genauso Resonanz fand wie bei Subcomandante Marcos in den Wäldern von Chiapas. Und, ja, mit freundlichen Songwriter-Klängen und doch im Geiste des Punk erklärte: Eine andere Welt ist möglich. Eine Vierteldekade später wirken viele dieser Träume einmal mehr erdrückt vom Zynismus der herrschenden Klasse. Doch war das je grundlegend anders? Idealismus ist jedenfalls nichts für Nostalgiker, findet Chao, und schreibt, inzwischen knapp jenseits der 60 Lenze, weiter seine Lieder. "Viva tu" ist dabei tatsächlich seine erste Platte seit 16 Jahren, macht musikalisch wenig neu und wirkt vielleicht gerade darum wie eine notwendige frische Brise.

Die meisten der 13 Songs greifen auf ein einfaches, vertrautes Grundgerüst zurück: Eine klare Gitarrenmelodie erzeugt sacht wogende Rhythmen, warme Klavierakkorde und Percussion gesellen sich dazu, gesampelte Soundfetzen und dezente Electronica würzen Chaos Gesang. Der Titeltrack "Viva tu" wirkt dabei auch thematisch wie eine Fortsetzung des alten Hits "Me gustas tu" und präsentiert ein sehnsüchtiges Liebeslied, das "Du" und "Ich" über das Subjekt hinaus transzendiert– in die Hoffnung, anders miteinander leben zu können. Doch die ersten Minuten prägt auch eine etwas andere Grundstimmung: "La couleur du temps" zieht diagnostisch Bilanz, spricht vom Gestank des Geldes und bekennt am Ende erschöpft, im Stehen einschlafen zu können. Und schon den Akkorden des Openers "Vecinos en el mar" wohnt eine bluesige Melancholie inne, die erst aufgebrochen wird, wenn drollige Soundeffekte sie besprenkeln. Die tanzen und wuseln im Übrigen durch das ganze Album wie kleine Tierchen und begleiten seine Stationen.

"This is just a collective suicide", heißt es im Angesicht der Klimakrise kurz darauf in "River Why", dann fragt Chao allegorisch: "Is there a bridge over the River Why?" Der imaginierte Zusammenbruch des Tower of London figuriert als Kollaps kolonialistischer Insignien, doch bleibt Chaos Haltung nachdenklich. Das ändert sich mit den beiden Duetten auf "Viva tu", die intergenerationaler kaum angelegt sein könnten. Da wäre zum einen das optimistische Country-Stück "Heaven's bad day" mit dem 91-jährigen Bruder im Geiste Willie Nelson, zum anderen der Auftritt der 30-jährigen Schauspielerin und Rapperin Laetitia Kerfa, die in "Tu te vas" mit warmer Stimme die einprägsamste Hook des Albums singt und sich mit Chaos Spoken-Word-Passagen abwechselt. Angesichts des reduzierten Klangbilds verblüfft einmal mehr die Vielstimmigkeit und -seitigkeit der Songs, die in Sprache und Genre viel Gelände besiedeln.

Chaos Multilingualität ist bekanntlich eines der Markenzeichen seiner künstlerischen Handschrift, auch auf "Viva tu" singt er wahlweise auf Spanisch, Französisch, Portugiesisch und Englisch. Während "Cuatro calles" sich der lateinamerikanischen Erzählkunst des Nueva Canciòn hingibt und wie einst Victor Jara oder Silvio Rodriguez die Tragik in der Lebensfreude erspürt, begleitet "São Paulo Motoboy" zu soften Reggaeton-Einflüssen den halsbrecherischen Arbeitsalltag von Motorradkurieren in Brasiliens größter Metropole. "Tom et Lola" erkundet eine cineastische Liebesgeschichte zu Tango-Elementen, bevor der Reggae von "Lonely night" vielleicht ein wenig die Kitschgrenze einreißt. Egal, denkt man sich bei dieser munteren Reise um die Welt im Zeichen kollektiver Verwandtschaft. "No estamos solos / Agua que mata la muerte no se compra con nada", heißen die letzten Worte auf "Viva tu", gesprochen von einer Frauenstimme, ein Klangfetzen. Wenn dieser Gedanke im berührend schönen "Tantas tierras" ausklingen darf, hat einen der Eindruck längst erfasst, es hier mit Menschen zu tun zu haben, denen man gerne lauscht. Mit denen man Zeit verbringen will, weil sie Gutes im Sinn haben.

(Viktor Fritzenkötter)

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Highlights

  • Viva tu
  • Tu te vas (feat. Laeti)
  • Tantas tierras

Tracklist

  1. Vecinos en el mar
  2. La couleur du temps
  3. River why
  4. Viva tu
  5. Heaven's bad day (feat. Willie Nelson)
  6. Tu te vas (feat. Laeti)
  7. Coraçao no mar
  8. Cuatro calles
  9. La colilla
  10. São Paulo motoboy
  11. Tom et Lola
  12. Lonely night
  13. Tantas tierras

Gesamtspielzeit: 38:19 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

musie

Postings: 3993

Registriert seit 14.06.2013

2024-11-14 09:56:06 Uhr
Für mich ist das Album auch eine der positiven Überraschungen des Jahres. Vielleicht gar nicht so übel an der Wintersonne, mal schauen.

Francois

Postings: 1115

Registriert seit 26.11.2019

2024-11-14 09:26:45 Uhr
was perfect day sagt!

Perfect Day

Postings: 703

Registriert seit 18.01.2014

2024-11-13 21:09:20 Uhr
Ein Album, wie ein vertrauter Freund. War ein treuer Begleiter in diesem Herbst. Schön, dass es hier noch eine Würdigung findet.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27656

Registriert seit 08.01.2012

2024-11-13 20:39:35 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Francois

Postings: 1115

Registriert seit 26.11.2019

2024-10-01 10:17:41 Uhr
wird das nicht rezensiert?

Jedenfalls ein schönes "Spätwerk"... gleitet wunderbar dahin.

Ich hoffe sehr auf eine Europatour
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