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Milliarden - Lotto

Milliarden- Lotto

PIAS / Rough Trade
VÖ: 08.11.2024

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Wozu noch ...

Ein Blick aufs Cover dieser Platte ist interessant: Würden sich Ben Hartmann und Johannes Aue alias Millliarden ein paar fette Goldketten umhängen, Gucci-Sonnenbrillen aufziehen und einschlägig posieren, jede Wette, das vierte Album der Berliner fände sich ungehört in den HipHop-Regalen der Läden wieder. Dabei lagert das Duo die Begrifflichkeiten andersartig: "Lotto" steht für die Unvorhersehbarkeit vieler Dinge im Leben einerseits, andererseits für den Reiz jenes Unbekannten. Musizieren gehört für das Hauptstadt-Duo in jenen spannenden, aber wenig planbaren Kosmos. Wie kommen die neuen Songs an? Wohin geht's für die Band? Hartmann und Aue gibt das ungeschriebene Blatt von morgen ein gutes Gefühl.

Ihre Begeisterung und Freude kommt in der Milliarden-Musik recht klar zum Ausdruck. Ausschweifende Gitarren, melodietrunken, aber doch auch dreckig genug, wie sie uns zu Britrock-Zeiten in den Neunzigen umgarnten, bringt der gelungene Opener "Das erste Mal" mit. Das Piano steht im leicht dramatischen, aber schönen "Wir haben es versucht" im Zentrum. Nicht nur diese beiden Stücke lassen die Berliner im Songwriting reifer wirken als auf früheren Werken. Der balladesken Auskopplung "Halt mich fest an Dir" könnte man Kopistentum vorwerfen, bildet der Song doch mal eben ein Klang-Dreieck aus Selig, Echt und AnnenMayKantereit, doch das Stück bringt Klavier und Hammondorgel in einer durchaus feinen Melange zusammen, garniert von Hartmanns auffälligem Reibeisen-Organ. Auch der Closer "Sternenflimmern" traut sich etwas, schraubt sich behutsam, aber umso nachhallender zur feinen Brit-Hymne empor.

Milliarden blind zu folgen, diese weiterhin irgendwie eigenwillige Band komplett abzufeiern, gelingt nicht vollends. Denn "Lotto" ist hier und da mal ein bisschen drüber. Etwa, wenn es das ausladende "Fürchte Dich nicht" mit dem Kitsch übertreibt. Beinah dreist auch, wie Milliarden sich für den Straßenköter-Punk von "Ach Andi, ach" die Melodie mal eben eins zu eins bei Feine Sahne Fischfilet klauen. Doch ist die Inbrunst, die Konsequenz, die vielen der zehn neuen Stücke innewohnt, irgendwo auch faszinierend. Zum Beispiel, wenn der gute alte Rock'n'Roll so mundet wie im räudigen, von stoischen Drums nach vorn gepeitschten "Mantel". Oder wenn es sich lohnt, den Episoden im nihilistisch angehauchten "Sag' nie die Wahrheit" zu lauschen, samt intensivem Schlusspart. Wozu noch korrekt sein, wenn die mit den Lügen die Menschen fangen? Wozu arbeiten, wenn sich das nicht lohnt, wenn das Geld sich woanders vermehrt, nur die Gutbetuchten weiter vorwärts kommen? Durchaus zentrale Fragen unserer Zeit, die man sich angesichts seiner Erziehung so nie ausgemalt hätte. Und spätestens seit "Kapitulation" wissen wir: Der wirkliche Hauptgewinn kann nie das Geld sein. Denn das ist irgendwo auch bloß "ein Abfallprodukt von Arbeit".

(Eric Meyer)

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Highlights

  • Mantel
  • Sag nie die Wahrheit
  • Sternenflimmern

Tracklist

  1. Das erste Mal
  2. Halt mich fest an Dir
  3. Deine Musik
  4. Mantel
  5. Psychose
  6. Ach Andi, ach
  7. Wir haben es versucht
  8. Sag nie die Wahrheit
  9. Fürchte Dich nicht
  10. Sternenflimmern

Gesamtspielzeit: 37:12 min.

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User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27676

Registriert seit 08.01.2012

2024-11-06 20:06:46 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27676

Registriert seit 08.01.2012

2024-08-15 20:25:25 Uhr - Newsbeitrag


Milliarden - Mantel

Das neue [PIAS] Germany-Signing Milliarden präsentiert mit "Mantel" einen neuen Song aus dem kommenden Album "LOTTO", das am 8. November erscheinen wird.

Das Sterben eines Elternteils hat der Pubertät ein paar tiefe Narben verpasst und eine Trauerkultur losgetreten. Alle Erinnerungen an jene geliebte Person sind von Schmerz und Ohnmacht besetzt. Erst als das Erzähler-Ich merkt, dass es ein Glücksfall ist, ausgeraubt zu werden, wirft es einen anderen Blick auf die lebenslange Trauerdroge. Davon wegzukommen bedeutet, atmen zu können. Am Ende fleht es: Räumt mir satten Ratte den Keller bitte leer!
Milliarden sind ab November auch auf großer Tour im deutschsprachigen Raum unterwegs. Alle Termine findet Ihr weiter unten in den Tourdaten. Und: Die Band hat das Artwork für das Album "LOTTO" noch einmal überarbeitet. Nebenstehend ist die neue, aktualisierte Version.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27676

Registriert seit 08.01.2012

2024-07-21 18:06:44 Uhr - Newsbeitrag
Milliarden - Lotto

Alles steht zur Disposition, immer und überall. Was heute gegeben ist, nimmt morgen eine andere Form an; weniger greifbar, fast unsichtbar. So gesehen wurde das neue Milliarden-Album "LOTTO" (8. November über [PIAS] Germany) klug betitelt. Die "richtigen" Zahlen von heute sind die "falschen" von morgen.



Oder, um es aufs Langspielplattenformat zu übertragen: Das Musikmachen spielt auf Zeit und vermeintlichen Gewinn, sehnsüchtig voller Vorfreude. Das Spielen mit Möglichkeiten zeichnet den eigentlich sandkornkleinen Song groß. Haben, halten, loslassen, neufinden – die "LOTTO"-Songs haben ihren Ursprung in dem Begehr, etwas sagen zu wollen, das man versteht, ohne zu wissen, was es ist. Ben Hartmann und Johannes Aue sind weniger Autoren, die Geschichten kreieren und konstruieren als vielmehr Musikmaler ihrer Erlebniswelten. Da das Leben kein Vakuum duldet, gibt´s auf "LOTTO" verstörend schöne Bilder zu entdecken, vielschichtig und doch sorglos-mutig gepinselt. Wie beim ersten Mal.

Musikmachen ist seit jeher ein Glückspiel. In manchen Protagonisten der Pop-Historie lässt es regelrechte Spielsucht erkennen. Hartmann und Aue gibt das ungeschriebene Blatt von morgen ein gutes Gefühl. Der Albumtitel "LOTTO" beschreibt entsprechend vielmehr die Sehnsucht nach dem Ungewissen als das eigentliche Glücksspiel. Der wirkliche Hauptgewinn kann nie Geld sein. Es ist ein Abfallprodukt von Arbeit.

Offenherzig, beinahe eingängig steht die erste Single "Das erste Mal" am Anfang des "LOTTO"-Wegs. Frei von krachenden Rabauken-Gitarren und doch radikal drückt das Stück den Wunsch danach aus, Zeit dehnen zu können. Die Lust darauf, Fristen- und Termindiktaten zu entkommen, mag arglos erscheinen. Die Utopie, Vergänglichkeit mit einem Lachen wahrzunehmen, birgt jedoch die Chance, zu ihr tanzen zu können.


PM kommt mit Verspätung, ich war einige Tage in der Pause und arbeite jetzt die Mails ab.
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