Soccer Mommy - Evergreen

Concord / Universal
VÖ: 25.10.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Herbstmeisterin
Soccer Mommy steht exemplarisch für eine Generation junger Songwriter*innen, bei denen man sich manchmal fragt, ob sie ihre Kreativquellen nicht zu schnell ausschöpfen. Mit gerade einmal 25 Jahren hatte Sophie Allison bereits drei gefeierte Alben veröffentlicht und dabei so viele oft schmerzvolle Erlebnisse und Emotionen ans Tagelicht befördert, dass es für ein ganzes Leben reichen würde. Doch genau dieses Leben schert sich selten darum, wie oft es uns schon den Boden unter den Füßen weggezogen hat, und so hat Allison auf ihrer vierten Platte "Evergreen" einen nicht näher definierten persönlichen Verlust zu verarbeiten. Die gemeinsam mit Daniel Lopatin (Oneothrix Point Never) erarbeitete Produktionsfülle des Vorgängers "Sometimes, forever" schraubt sie dafür zurück, setzt auf reduziertere und organische Texturen. Dass Reduktion aber nicht gleich mit demo-ähnlichem Minimalismus gleichzusetzen ist, beweist gleich der Opener.
"Lost" beschränkt sich nämlich nur kurz auf Akustikgitarre und Piano, ehe Streicher dazukommen und dem Song zusammen mit den Drums eine greifbare Wucht schenken. Die instrumentale Dimension ist der inhaltlichen Schwere angemessen, bereut Allison hier ihren Umgang mit der geliebten Person, bei der es sich höchstwahrscheinlich um ihre Mutter handelt: "I've got her name / I've got her picture in a frame / But I don't give her anything / And I never did." Wir, ihre Hörer*innen, sind mit Soccer Mommy großgeworden, haben sie durch die Tumulte der Adoleszenz begleitet und landen nun gemeinsamen an einem Punkt gereifterer Selbstreflexion, die nichts an der Offenheit von früher eingebüßt hat. Der unaufgeregte, dezent psychedelische Dream-Pop von "Some sunny day" vermittelt dieses Ethos ebenso gut wie der späte Hit "Salt in wound", der die Gitarren in bester Neunziger-Manier schweben lässt.
Der Ansatz von "Evergreen" bedeutet schließlich auch nicht, dass Allison die Verstärker ausstöpselt und im Schritttempo unterwegs ist. Im Gegenteil: "Driver" ist einer ihrer rockigsten Songs überhaupt, hantiert Riffs und ein knirschendes Abschlusssolo, um sich trösten und ausbremsen zu lassen: "'Cause my head is a highway all of the time / And the thoughts race through my brain / But it all goes quiet when he says / 'Where are we going now?'" Das gleichsam als Single ausgekoppelte "M" treibt etwas subtiler vorwärts und diffundiert dazu passend in einem Nebel aus Flöten und Streichern – ein mehr als gelungenes wortloses Abbild dieser konturlosen Erinnerungen, bei denen man nicht einmal das durch sie ausgelöste Gefühl wirklich fassen kann. Allison nutzt die orchestralen Aspekte vielfältig und stets durchdacht: In "Anchor" bewegen sich die Bögen auf und ab, um die Bedrohlichkeit dieses ungewohnt experimentellen Tracks zu unterstreichen.
Das emotionale Herzstück des Albums ist indes den Richtlinien der Taylor-Swift-Schule entsprechend an fünfter Stelle platziert und heißt "Changes". Allison legt ihr ganzes Seelenheil in die Saiten, lässt den Refrain in ungeahnte Höhen wachsen und kehrt immer wieder zur leisen Introspektion zurück. Es passt zum Humor der Frau aus Nashville, dass sie direkt im Anschluss "Abigail" hinterherschießt: Mit dicken Synths und der Leichtigkeit der poppigen The Cure verweist sie auf die Dekade vor ihrem eigentlichen Lieblingsjahrzehnt, während sie der titelgebenden "Stardew valley"-Figur ihre Liebe gesteht. Doch selbst einen solchen Spaß-Song durchzieht ein melancholisches Hintergrundrauschen, das der abschließende Titeltrack in den Fokus rückt. Dass Soccer Mommy zum zweiten Mal in Folge ein Album im Herbst veröffentlicht, ergibt Sinn: Die chirurgische Offenlegung ihres Innenlebens spendet wie gewohnt Kraft, die eigenen grauen Wolken beiseitezuschieben.
Highlights
- Driver
- Changes
- Salt in wound
Tracklist
- Lost
- M
- Driver
- Some sunny day
- Changes
- Abigail
- Thinking of you
- Dreaming of falling
- Salt in wound
- Anchor
- Evergreen
Gesamtspielzeit: 41:25 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
qwertz Postings: 1090 Registriert seit 15.05.2013 |
2025-05-24 13:29:55 Uhr
Stattdessen war das erste, das ihr Insta-Account nach ein paar Tagen gepostet hat, Werbung für die Australien-Tour.Ja, fand ich auch komisch. Hatte ein Ticket für Hamburg und die dortige Location ist eine der kleinsten, die es überhaupt gibt. Korrigiert mich gern, aber gefühlt 200 Plätze. Wenn es da an verkauften Tickets gescheitert sein sollte, dann ist das ein ganz schönes Armutszeugnis. Waren wohl alle bei Dua Lipa stattdessen. |
Saschek Postings: 771 Registriert seit 23.07.2018 |
2025-05-24 08:31:16 Uhr
Inzwischen wurde tatsächlich die gesamte Europa-Tour gecancelled. Leider ohne jede Info von offizieller Seite. Stattdessen war das erste, das ihr Insta-Account nach ein paar Tagen gepostet hat, Werbung für die Australien-Tour. Ich verstehe, dass es nicht unbedingt nötig ist, dass sie sich persönlich dazu äußert. Aber wenigstens vom Veranstalter hätte es eine Art Satement geben können. Irgendjemand hat es ja auch geschafft, die Europatermine von ihrer Homepage zu löschen. So wirkt es doch ein bisschen linkisch und unnötig geheimnistuerisch. Ich vermute nun aber in der Tat, dass die Ticketverkäufe deutlich unter den Erwartungen geblieben sind und man sie nicht vor einem halbleeren Saal spielen lassen wollte. Und vermutlich hat sich dann auch die Logistik nicht mehr gerechnet. PomPom-Sqaud mussten beispielsweise gleich ihre ganze Tournee canceln, weil sie es sich nicht leisten konnten. Das haben sie aber eben auch ganz transparent gesagt. So bleibt bei Soccer Mommy am Ende ein seltsamer Beigeschmack, muss ich zugeben ... |
Saschek Postings: 771 Registriert seit 23.07.2018 |
2025-05-17 14:40:08 Uhr
Der Gig in Amsterdam heute scheint auch stattzufinden. Hmm ... |
Saschek Postings: 771 Registriert seit 23.07.2018 |
2025-05-17 14:38:14 Uhr
Ja. Jetzt sehe ich es auch. Nur das mit der ersten Mai-Woche ist komisch. Diese Info stammt ja schon vom 2. Mai. Köln am 4.5. hat beispielsweise stattgefunden. Und danach am 7.5 Bristol. Seit dem gibt es keine weiteren Updates mehr. Offenbar geht gerade einiges schief, bzw. geht es ihr schlecht. Beides wäre blöd. Hoffe auch auf Nach- und vor allem Erholung. Die Infopolitik nervt aber schon etwas ... |
AliBlaBla Postings: 8553 Registriert seit 28.06.2020 |
2025-05-17 14:33:04 Uhr
@SaschekEntschuldige, aber ich blicke auch nicht durch. |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Lucy Dacus; Phoebe Bridgers; Julien Baker; Boygenius; Rilo Kiley; Clairo; Snail Mail; Courtney Barnett; Stella Donnelly; Frankie Cosmos; Florist; Mitski; Julia Jacklin; Nilüfer Yanya; Marika Hackman; Billie Marten; An Horse; Palehound; Stef Chura; Caroline Rose; Indigo De Souza; Jay Som; Samia; Skullcrusher; Japanese Breakfast; Better Oblivion Community Center; Camp Cope; Tomberlin; Cat Power; Big Thief; Adrianne Lenker; Waxahatchee; Maggie Rogers; Slow Pulp; Hatchie
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv



Threads im Plattentests.de-Forum
- Soccer Mommy - Evergreen (40 Beiträge / Letzter am 24.05.2025 - 13:29 Uhr)
- Soccer Mommy - Sometimes, Forever (19 Beiträge / Letzter am 19.11.2022 - 17:15 Uhr)
- Soccer Mommy - Color theory (30 Beiträge / Letzter am 07.07.2021 - 21:22 Uhr)
- Soccer Mommy - Clean (17 Beiträge / Letzter am 01.02.2019 - 19:56 Uhr)
- Soccer Mommy - Collection (3 Beiträge / Letzter am 15.03.2018 - 01:48 Uhr)