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Porridge Radio - Clouds in the sky they will always be there for me

Porridge Radio- Clouds in the sky they will always be there for me

Secretly Canadian / Cargo
VÖ: 18.10.2024

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Erschöpfung und Widerstand

Während der Aufnahmen zum vierten Porridge-Radio-Album sei Dana Margolin nach einigen Takes einfach auf dem Boden zusammengebrochen, "so aufgewühlt war ich". Wer die Musik der Brightoner Band kennt, findet diese Promo-Text-Anekdote wahrscheinlich gar nicht so abwegig. Ohne Hemmungen und Zugeständnisse befördert Margolin regelmäßig ihre tiefsten Seelenlasten nach draußen, während ihre Mitstreiter*innen der Intensität dieses Gesangsvortrags gerecht zu werden versuchen. Die Zusammenbrüche erscheinen aber auch nachvollziehbar angesichts der vorhergegangenen Arbeitsdichte. Das Jahr 2022 war ein geschäftiges für Porridge Radio, die nicht nur das vielgepriesene "Waterslide, diving board, ladder to the sky" veröffentlichten, sondern auch ausgiebig tourten. Margolin war von alldem so ausgelaugt, dass sie ihre Kreativität zunächst in andere Bahnen lenken musste, indem sie malte, Gedichte schrieb und einen BBC-Radio-Soundtrack komponierte. Durch das strategische Herunterdrehen aller Regler fanden Porridge Radio den Zugang, um gestärkt wieder zurückzukommen. "Clouds in the sky they will always be there for me", das in einem abgelegenen südenglischen Studio entstand, bildet die Erschöpfung gleichermaßen ab wie den Widerstand dagegen.

So beginnt der Opener "Anybody" behutsam und nur von Synth-Wolken begleitet, ehe die Drums einsetzen, Vocal-Tracks miteinander verschmelzen und Margolin immer entschlossener wird. "And I am not somebody in between / I am everyone and everything / And I will run until I can reach you / And I will run until I will leave you", singt sie da mit einer kaputten Wucht, wie sie etwa Modest Mouse in den Neunzigern kanalisierten. Das krachige Finale des Songs ebnet "A hole in the ground" den Weg, das mit zitterndem Beat, Orgel und seufzenden Bläsern das Zeugnis einer Band ablegt, die konstant nach vorne drängt – und dabei Margolins eindrückliche Bildsprache gekonnt in Szene setzt. "Take off all my clothes and run to your house / Where in place of a door is hole in the ground / And I fill it with salt, the hard bits of my heart / They fall into the hole and they tear it apart." Da können auch die "Lavender raspberries" des anschließenden Drei-Minuten-Erdrutschs nur in sommerlicher Ehrfurcht erstarren. Der stürmische Albumstart kulminiert im Trennungsmanifest "God of everything else", das mit Akustikgitarre und Streichern eine zärtliche Melancholie umschreibt, bevor Margolin die Wut darüber herausschreit, welche Macht die Abwesenheit einer Person über sie haben kann: "I wake up choking on dreams of you / I wake up crying from loving you."

Bevor die zweite Hälfte der Platte etwas zur Ruhe kommt, setzt "You will come home" noch einmal alles aufs Spiel, wenn seine Explosion nach zweieinhalb Minuten den Aufnahmeraum beinahe zum Einsturz bringt. Was Porridge Radio bei allem berechtigten Lob stets begleitete, waren leise Vorwürfe der Repetition, sowohl auf musikalischer als auch auf textlicher Ebene. "Clouds in the sky they will always be there for me" wird solche nicht aus der Welt schaffen, entlarvt sie jedoch einmal mehr als Kritik, die am Ziel vorbeischießt. Margolins Songs suchen nicht nach Hooks, cleveren Wortspielen oder Abwechslung um der Abwechslung willen, sondern nach einem unmittelbaren Ausdruck, der einen wie eine Welle von den Füßen reißt, wenn man sich mit offenen Armen ans Ufer stellt. So begeistert "Pieces of heaven", gerade weil es sich dem offensichtlichen Ausbruch verweigert, um die Resignation seines endlos wiederholten Mantras zu spiegeln: "Grown tired of waiting / And tired of wanting you." Und wenn "Sick of the blues" nicht im Schmerz, sondern im lebensfreudigen Selbstliebetaumel den Vorhang zuzieht, fühlt es sich aufrichtig verdient an. "I'm sick of the blues / I love you more than anything", lauten die letzten Zeilen eines Albums, das nur kollabiert, um die Schönheit der Welt von einem anderen Blickwinkel aus zu betrachten.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Anybody
  • Lavender raspberries
  • God of everything else
  • You will come home

Tracklist

  1. Anybody
  2. A hole in the ground
  3. Lavender raspberries
  4. God of everything else
  5. Sleeptalker
  6. You will come home
  7. Wednesday
  8. In a dream I'm a painting
  9. I got lost
  10. Pieces of heaven
  11. Sick of the blues

Gesamtspielzeit: 40:37 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

manukaefer

Postings: 263

Registriert seit 16.06.2013

2024-10-28 14:41:47 Uhr
"God of Everything Else" hat schon Song des Jahres Potential.

saihttam

Postings: 2513

Registriert seit 15.06.2013

2024-10-28 13:55:33 Uhr
Cool! Beim Konzert am 18.12. im Schlachthof ist auch noch Tapir! mit dabei, allerdings nur solo. Dennoch ein Pflichttermin!

Hierkannmanparken

Postings: 1484

Registriert seit 22.10.2021

2024-10-23 18:58:52 Uhr
Mein Problem ist, dass sie manchmal stimmlich schon am abdrehen ist, bevor ich irgendwie weiß, worum es geht. Viele Texte bleiben doch sehr abstrakt. Das lässt mich etwas ratlos zurück.

God of Everything Else ist da anders. Interessant finde ich die Lyrics:
Wishin I was somebody else
You always said that I'm too intense
It's not that I'm too much
You just don't have the guts

Ich finde, hier entsteht eine Metaebene, wo sie die ZuhörerInnen adressiert, die von ihrer Art zu singen irritiert sind. ^^

Arne L.

Postings: 1310

Registriert seit 27.09.2021

2024-10-23 16:40:00 Uhr
Ist mir beim ersten Album gar nicht so aufgefallen, aber Dana Margolin klingt öfters wie Amanda Palmer.

Glufke

Postings: 700

Registriert seit 15.08.2017

2024-10-21 20:01:48 Uhr
Ich bin gerade ein bisschen süchtig nach diesem Album, obwohl es ja auch ein bisschen unspektakulär ist. Klingt nach einem Slow Burner, was ja prinzipiell was gutes ist.

Mein Favorit ist aktuell "God of Everything Else".
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