Apsilon - Haut wie Pelz
Four / Sony
VÖ: 04.10.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Pa ins Herz
Ist 2024 ein gutes Jahr für Deutschrap? Das kommt auf die persönlichen Vorlieben an. Wer großmäuliges Flexen und markige Ansagen bevorzugt, der kann mit diesem Release-Jahr hochzufrieden sein. Olexesh, Fard und Farid Bang haben ihre Fans bereits mit neuen Alben versorgt. Fler und Baba Saad werden noch folgen. Sogar die Altvorderen des vor Testosteron triefenden Straßenraps, Bushido und Kollegah, grüßen mit neuen Veröffentlichungen vom Pavianfelsen. Dazu blödeln sich Sido und Ski Aggu an der Seite des wiederauferstandenen Kalauerkönigs Stefan Raab in die Single-Charts. Pa aufs Maul? Bitte, gerne. Apsilon schlägt in seinem Debütalbum "Haut wie Pelz" ganz andere Töne an.
Dem jungen Rapper gelingt es, Street-Credibility mit klugen und reflektierten Zeilen zu vereinen. Geboren in Schöneberg und aufgewachsen in Moabit, ist Apsilon durch und durch Berliner Junge. Die Stadt spielt für ihn eine wichtige Rolle. Darauf deuten bereits die Songtitel "Lost in Berlin" und "BSR", Abkürzung für die Berliner Straßenreinigungsbetriebe, hin. Die Identifikation mit der Hauptstadt und der eigenen Hood scheint aus einem tiefen Gefühl der Heimatlosigkeit zu resultieren. Der 27-Jährige ist Sohn türkischer Eltern, fühlt sich aber weder im Land am Bosporus, noch in Deutschland willkommen. Im Eröffnungstrack "Koffer" schildert Apsilon eindrücklich die migrantische Sichtweise auf das Integrationsversagen der deutschen Gesellschaft: "Wenn Deutschland mich wieder ansieht / Und sagt, mein Herz hat keinen Platz hier / Wenn die Wolken übers Land ziehn / Mein Nachbar keine Menschen, sondern nur sein Land liebt." Der Track ist Bekir G. gewidmet, einem türkischstämmigen Taxifahrer, der 1998 von einem Fahrgast in Kreuzberg ermordet und im Kofferraum seines Fahrzeugs zurückgelassen wurde. "Haut wie Pelz" ist kein Konzeptalbum im klassischen Sinne, wirkt durch seine melancholische Grundstimmung und die wiederkehrenden Motive aber in sich geschlossen und durchdacht.
Die gesellschaftskritischen Zeilen schreien danach, hasserfüllt und aggressiv rausgespuckt zu werden. Apsilon rappt aber meist zurückgenommen und nachdenklich. Den abgeklärten Rap-Stil legt er nur in seltenen Fällen ab: "Kopf im Nacken" ist ein Track, bei dem er mit verzweifelter Stimme die tägliche Ablehnung beschreibt. Beim trotzigen "Brustumfang" macht er seinem Frust zähnefletschend Luft. Für die Beats auf dem Album ist Apsilons jüngerer Bruder Arman zuständig. Doch auch Bazzazian, Haus-und-Hof Produzent von Haftbefehl, hat mitgearbeitet und Tracks wie "Reiche Freunde" und der Großstadtromanze "Grau" seinen charakteristischen Sound verpasst. Bei letzterem übernimmt Paula Hartmann den weiblichen Gesangspart. Eine sehr gute Wahl – nicht nur für die Multiplikation der Streamingzahlen. Das klischeefreie Liebeslied "Augen in der Nacht" wird von Rayan, dem Sänger des gehypten Pop-Duos Blumengarten, veredelt. Beim völlig ohne Beat auskommenden "Baba" erzählt Apsilon von seinem Vater. Dessen Männlichkeitsbild stand ihm bei der Erziehung seiner beiden Söhne im Weg und verbat es ihm, sich verletzlich zu zeigen. Dazu lässt sich Apsilon im Musikvideo von seinem Großvater rasieren. Die Intimität von Video und Text sind absolut berührend und treffen ins Herz. Auch das kann Deutschrap im Jahr 2024 also sein.
Highlights
- Lost in Berlin
- Grau (feat. Paula Hartmann)
- Baba
Tracklist
- Koffer
- Lost in Berlin
- Kopf im Nacken
- Grau (feat. Paula Hartmann)
- So leicht
- Haut wie Pelz
- Reiche Freunde (feat. Boondawg)
- Sag Bescheid
- Augen in der Nacht (feat. Blumengarten)
- BSR
- Baba
- Brustumfang
- Friedensnobelpreis (feat. Caney030)
- Outro
Gesamtspielzeit: 37:22 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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eric Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 2856 Registriert seit 14.06.2013 |
2024-10-10 14:39:43 Uhr
Wie gesagt: Stell dir einfach vor, dass die Skala bei 8 endet, 9 und 10 bleiben reserviert für Alben, die Redakteure einfach besonders feiern. So verkehrt ist die "Übersetzung" gefühlt nicht. :) Wobei wir die 9/10 durchaus nicht soo selten dabei haben. |
Kiezgrün Postings: 38 Registriert seit 29.05.2023 |
2024-10-10 13:58:18 Uhr
Um mal zum Album zurück zu kommen: Die aktuelle Folge des Machiavelli-Podcasts zum Album kann ich sehr empfehlen: https://www1.wdr.de/radio/cosmo/podcast/machiavelli/machiavelli-deep-dive-apsilon-haut-wie-pelz-100.html |
harvey Postings: 11 Registriert seit 26.08.2019 |
2024-10-10 12:11:09 Uhr
Außerdem werde ich mir fortan die Skala als Pilzrahmsuppen unterschiedlicher Qualität vorstellen. Vielen Dank für eure Arbeit. |
Christopher Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 3726 Registriert seit 12.12.2013 |
2024-10-09 18:55:07 Uhr
Die Diskussion um die Bewertungsskala ist wahrscheinlich so alt wie die Seite. Die Nummern drücken primär die Meinung des Rezensenten / der Rezensentin aus. Nicht mehr, nicht weniger.Meiner 9er waren z.B. Alben, die mich zum damaligen Zeitpunkt geflasht haben. Die 10 ist hier eher ein Meme. Seit der Gründung der Seite wurde sie 20x vergeben - und davon sind die Hälfte der 10er aus den ersten Jahren und nochmal 3 oder 4 für Reissues / Livealben. Wie gesagt: Stell dir einfach vor, dass die Skala bei 8 endet, 9 und 10 bleiben reserviert für Alben, die Redakteure einfach besonders feiern. |
harvey Postings: 11 Registriert seit 26.08.2019 |
2024-10-09 16:23:05 Uhr
Eine 10 ist also ein Meilenstein - stellt sich nicht für gewöhnlich erst im Nachhinein heraus, ob etwas ein Meilenstein ist. Genauer gesagt: war. Und eine 9 ist ein Meisterwerk. Und die Skala endet bei 8 - bei "sehr gut", oder? Und eine 7 ... ist auch sehr gut - also ... eine 8? Oder steht eine 7 für "nicht ganz so sehr gut"? Ich verstand die 7 eher immer als "obere Mittelklasse". Klingt polemisch, ist nicht sdo gemeint. Ich finde diese Zuordnung durchaus interessant. Ein erstgemeinter Vorschlag: Wie wäre es, wenn das eher ungewöhnliche Verhältnis der Bewertungen zu ihren Bedeutungen irgendwo auf der Seite prominent platziert werden würde?Und was ist überhaupt eine 3? Vielen Dank noch für die 500 Rezensionen. |
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Referenzen
Gianni Suave; Ansu; RapK; Wa22ermann; Ahzumjot; BRKN; Boondawg; Shogoon; OG Keemo; Paula Hartmann; RIN; Zartmann; Levin Liam; Xaver; Symba; Kwam.E; 01099; Carlo5; Makko; Tom Hengst; Grim104; Goldroger; Disarstar; Tua; Pashanim; BHZ; Kummer; Sierra Kidd; Chefket; Tarek K.I.Z.; Kasi
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- Apsilon - Haut wie Pelz (21 Beiträge / Letzter am 10.10.2024 - 14:39 Uhr)