Desperate Journalist - No hero
Fierce Panda / Cargo
VÖ: 27.09.2024
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Maximale Katharsis
Mit Desperate Journalist lässt es sich wunderbar in den Kaninchenbauten des Internets versinken. Schon der Bandname nimmt Bezug auf eine The-Cure-Obskurität, die entstand, als Robert Smith und Co. die Lyrics von "Grinding halt" bei einer Live-Performance zur Rasur eines missgünstigen Kritikers abwandelten. "No hero", der Titel von Album Nummer fünf, basiert laut Frontfrau Jo Bevan auf einem gleichnamigen Anti-Western, wobei die Google-Suche nur einen südafrikanischen Film aus dem Jahr 1992 ausspuckt, der nicht einmal einen Wikipedia-Artikel hat. Vielleicht wäre ein klares Statement wie beim Vorgänger "Maximum sorrow!" die bessere Wahl gewesen, verdient sich die Musik von Desperate Journalist schließlich weiterhin jedes Ausrufezeichen. Das Londoner Quartett ringt seinem von mehr Synths als sonst durchzogenen Post-Punk die höchstmögliche Intensität ab und schreit große Emotionen in die Welt, ohne je ins Overacting zu driften.
"Verrückter und poppiger" als die vorige solle nach Bevan jede neue Platte ihrer Band werden. "No hero" löst dieses Versprechen nicht ein – da die Stärken von Desperate Journalist nicht gerade in der eingängigen Craziness liegen, eine nicht unerfreuliche Nachricht. Stattdessen kriecht die unterkühlte Achtziger-Gitarre im Opener "Adah" gleich vom ersten Anschlag an unter die Haut, während Bevan die Silben in bester Björk-Manier über die gesamte dunkle Moorlandschaft ausdehnt. Mit dem Bass-Einsatz gewinnt der ohnehin schon mitreißende Song an weiterer Zugkraft, ehe das mehrstimmige Finale den Deckel draufsetzt. Noch besser macht es der Titeltrack, der ohne Umschweife losgaloppiert, einen von Synth-Streichern emporgehobenen Mega-Refrain in die Stratosphäre schickt und alles mit ätherischer Grazie ausklingen lässt. Die Katharsis bleibt das größte Faustpfand der Band, ihre Musik spült den Körper mit so viel Nachdruck durch, dass man danach erstmal seine Knochen sortieren muss.
Nach der gleichsam furiosen Single "Afraid" erlebt das Album einen Bruch. Die Songs werden länger und elektronischer, allerdings kaum schwächer. "Comfort" beweist dreieinhalb Minuten lang, dass Desperate Journalist eine hervorragende Synth-Pop-Band abgegeben hätten, nur um dies mit einer Runde Noise-Schleudergang wieder zu relativieren. "Underwater" taucht in hochnervösen, von einem zitternden Drumcomputer aufgeschäumten Gewässern ab, nachdem "Silent" die Gitarren zuvor in einer abgründigen Hypnose samt Bass-Erschütterungen und Störgeräusch-Coda zirkulieren ließ. Im Anschluss greift "7" das kompakte, hymnische Momentum des Albumstarts wieder auf, als sei nichts gewesen – und pointiert damit eindrucksvoll, mit was für einer Selbstverständlichkeit sich Bevan, Rob Hardy, Simon Drowner und Caroline Helbert innerhalb des von ihnen abgesteckten Stilspektrums bewegen.
Der Schlussspurt der Platte ändert daran nichts, sondern treibt im Gegenteil noch ein paar neue Blüten. Das zweigeteilte "Unsympathetic" pumpt mit beinah krautiger Stoik vorwärts, kommt kurz in verwaschenem Dreampop zur Ruhe und zieht danach wieder an. "You say you're lonely" inszeniert sich mit funkelndem Piano als geschmackvolle Disco-Ballade, bevor der Closer "Consolation prize" mit psychedelischem Gejangle im Geiste der Stone Roses loslegt und erneut bei einem dieser Refrains landet, die die ganze Welt umspannen. Gut, vielleicht war das mit dem "poppiger" doch nicht geflunkert, doch sind Desperate Journalist zu versiert, um dieses Attribut in einen kantenlosen Persönlichkeitsverlust zu überführen. Dass die Band kein schlechtes Album machen kann, war schon vorher bekannt, dass sie mit verschobenen Parametern die Höhen des selbstbetitelten Debüts wieder erreichen kann, ist eine neue Erkenntnis.
Highlights
- Adah
- No hero
- Comfort
- Consolation prize
Tracklist
- Adah
- No hero
- Afraid
- Comfort
- Silent
- Underwater
- 7
- Unsympathetic parts 1 & 2
- You say you're lonely
- Consolation prize
Gesamtspielzeit: 44:22 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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cargo Postings: 711 Registriert seit 07.06.2016 |
2024-10-01 14:46:45 Uhr
Sehr schönes Album. Die Highlights sind absolut treffend rausgepickt ;) |
Blanket_Skies Postings: 656 Registriert seit 21.09.2013 |
2024-09-30 23:47:26 Uhr
Eigentlich enttäuschen sie nie. Aber außer dem Debüt hat mich kein Album von ihnen am Stück überzeugt - auch hier werd ich mir wieder die beste vier, fünf raussuchen wie es scheint. |
rainy april day Postings: 654 Registriert seit 16.06.2013 |
2024-09-30 23:44:18 Uhr
Bin ehrlich gesagt nach den ersten beiden Alben ausgestiegen und hab jetzt spontan mal in die neue reingehört und bereue es nicht. Die Synths stehen Ihnen gut und teilweise klingt das Ganze sogar leicht...bedrohlich (Silent, Underwater)? Ich mag es. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27328 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-09-30 20:57:40 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Immermusik Postings: 856 Registriert seit 04.11.2021 |
2024-09-27 17:32:50 Uhr
80er Referenzen bleiben, diesmal aber die 80er Synthieflächen Version. Stabiler erster Eindruck. Jo Evans Stimme trägt wieder das ganze Album. https://www.rollingstone.de/reviews/desperate-journalist-no-hero/ |
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Referenzen
Siouxsie And The Banshees; The Mary Onettes; The Ninth Wave; The Organ; Alvvays; Honeyblood; Makthaverskan; The Cure; The Smiths; The Chameleons; Echo & The Bunnymen; The Wedding Present; Glasvegas; Preoccupations; Girls Names; Savages; Sprints; Pins; Cumgirl8; Kid Wave; The Luxembourg Signal; Suede; Hatchie; Wolf Alice; Heartworms; The Cranberries; Lush; Curve; Fontaines D.C.; Idles; Interpol; The Stone Roses; The Jesus And Mary Chain; Goat Girl; Björk
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