Spannend wie ein Endreihenhaus

Da setzt die verzerrte Gitarre ein und es umschwärmt einen das wohlige, nostalgische Gefühl des schwedischen Duos. Was waren das für Sommertage in den Nullerjahren, als man am Nachmittag auf dem Hurricane freiwillig das Dosenbier zur Seite stellte, um diese eine neue Band unbedingt zu sehen: Johnossi! Das kann man sich 20 Jahre später nur noch schwer vorstellen, dass die beiden mal so heiß waren, dass man sich von Sänger und Gitarrist John Engelbert und Schlagzeuger Ossi Bonde eine Erneuerung des Pop versprach. Eine verzerrte Akustik-Gitarre auf der Bühne ohne brüllendes Feedback zu beherrschen, damals ein Spektakel. Danach ging es bergab. Schlussendlich liegen inzwischen ein paar durchschnittliche Platten vor, die nicht wehtun, unter anderem "Transitions" und "Blood jungle", aber auch völlige Entgleisungen wie "Mavericks" und "Torch // flame". Mit "Forevers" nehmen die beiden abermals Anlauf, so langsam muss aber die Frage gestattet sein, wie oft man in der Mittelmäßigkeit stecken bleiben darf. Aber eventuell ist Exzellenz auch gar nicht mehr der Anspruch. Mit dem Opener "Big buck" haben sie zumindest jenen Gitarrenpop dabei, der in ihrer Heimat vorwiegend durch Per Gessle zu mittlerweile musicalvermarkteter Überlebensgröße aufgepustet wurde. Dann schauen wir doch mal, ob das neue Album ein Joyride wird. Denn auch Roxette haben mit wachsendem Bedeutungsverlust zu kämpfen und klammern sich an vergangene Erfolge, während aktuelles Material getrost neben den Johnossi-Alben im Regal stehen bleiben darf – soweit zu den Parallelen.

Auch bei vorliegender Platte ploppt wieder einmal die Frage auf: Was ist eigentlich mit dem schwedischen Pop los, dass dort in den vergangenen Jahren nur noch Veröffentlichungen nahe am Schlager erscheinen? Denn bereits mit dem Titeltrack "Forevers" – der Autor musste nachschlagen, aber es gibt tatsächlich einen Plural von "forever", auch wenn der vielleicht keinen Sinn mehr ergibt – setzt eine Form von Seichtheit ein, die man im ZDF-Fernsehgarten vermuten würde. Die besungenen Gefühle in "Forevers" sind genauso spannend und intensiv wie die Suche nach dem Gäste-WC in einem Endreihenhaus, das die beiden bezogen haben, um die zweite Lebenshälfte ausklingen zu lassen. Willkommen in der Vorstadt-Hölle von Engelbert und Bonde. Alles an Johnossi in den kommenden Tracks, von "Gemini" bis zum schrecklich-kitschigen Höhepunkt "San Antonio", ist eine lauwarme Suppe, die John liebevoll eingetuppert hat: 'Vielleicht musst du noch einmal nachwürzen, Ossi und ich essen einfach nicht mehr so salzig.' "Reflection" ist dann der Blick in den Flurspiegel – doch, man lebt noch, und was man hört, ist auch alles real, Johnossi meinen das ernst. Der Arm geht schlaff zur beigefarbenen Übergangsjacke an der Garderobe aus Holzimitat. Bloß raus hier! Doch zwischen dir und der Gartenpforte liegen noch drei Songs, die bewältigt werden wollen. "Devotion" klingt wie die unmotiviert stotternde Pumpe im Vorgartenteich. Der besungene Ozean ist dann doch nur die traurige Pfütze mit drei Goldfischen, die anstatt Exotik nur noch moosbewachsene Piefigkeit versprüht.

Beim Vorbeischleichen am Jägerzaun hat sich Engelbert schon auf den Plastik-Rattan im Garten gefläzt und summt etwas unmotiviert "Air balloon" vor sich hin. Aber wir haben es bis zum Parkplatz in das eigene Auto geschafft, wo nur noch das letzte Stück auf uns wartet. Was vier Takte lautes Geknalle sollen, bevor wieder Gedudel einsetzt, bleibt den Hörer*innen verschlossen. Vielleicht der Aufruf, bitte auf dem Heimweg nicht einzuschlafen. Nach nur neun Songs Johnossi beschleicht einen das Gefühl, eine halbe Stunde Lebenszeit verplempert zu haben. "Time moving on" ist hier durchaus wörtlich zu nehmen. Man möchte die Band endlich hinter sich lassen und ist weiterhin nicht bereit für das endgültige "Forevers" auf dem nahegelegenen Friedhof. Das würde einem auch leicht fallen, wenn das Duo nicht, wie auch hier mit "Big buck", auf jeder der vergangenen Platten einen Song verbaut hätte, der zeigt, dass sie es noch können. Man wünscht sich nichts sehnlicher als eine ganze Platte mit bombastischem Gitarrenpop dieser Sorte. Warum sich Johnossi seit Jahren weigern, diese Formel auf ein ganzes Album anzuwenden, ist einfach schleierhaft. Offensichtlich haben die beiden eine diebische Freude daran, ihre Gedanken nur noch in Pastelltönen zu übermitteln. Dafür sind wir aber noch nicht bereit.

(Stephan Dublasky)

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Highlights

• Big buck
• Reflection
• Time moving on

Tracklist

1. Big buck
2. Forevers
3. Gemini
4. Reflection
5. Dark moon
6. San Antonio
7. Devotion
8. Air balloon
9. Time moving on

Gesamtspielzeit: 31:16 min.

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Referenzen

Coldplay; U2; Kings Of Leon; Razorlight; The Soundtrack Of Our Lives; Friska Viljor; Engelbert; Christopher Angström; Oasis; The Besnard Lakes; Snow Patrol; The Kooks; Bonaparte; Maximo Park; Giant Rooks; Milky Chance; Peter Bjorn & John; Tash Sultana; Kaleo; Dope Lemon; Harry Styles; The Killers; Sons Of The East; Ocean Alley; The Lumineers; Charlie Cunningham; Foals; Jonas Lundqvist; Weeping Willows; Kite; Moving Oos; Shout Out Louds; Madrugada; Jack Moy; Janove; Euroboys; Pascal; St. Thomas

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