Cursive - Devourer
Run For Cover / Secretly / Cargo
VÖ: 13.09.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Macht Euch bereit!
Quizfrage für Nerds: Was ist charakteristisch an Tim-Kasher-Songs? A) Entspanntheit B) Vorhersehbarkeit, C) Vitalität? Zugegeben, selbst bei "Wer wird Millionär?" würde man diese Frage in Runde drei zumindest erraten können. Die Kompositionen des Songwriters und Cursive-Kopfes sind traditionell wiederzuerkennen, aber durchaus abwechslungsreich arrangiert. Man weiß nicht immer, was man bekommt, aber meistens pulsiert da etwas. Auch "Devourer" ist musikalisch vieles, aber sicher nicht schematisch monoton. Wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass Kasher im Herbst 2020 ganze 69 Kompositionen schrieb. Etwa 20 Stücke schafften es in den Proberaum,13 landeten auf dem Album. Mehr Zeit, mehr Akribie, mehr Qualität? Verglichen mit dem doch etwas zerfahrenen Vorgänger "Get fixed" zumindest schon.
Cursive-typische, leicht wilde und in Schichten konstruierte Kost bietet sogleich das martialisch anmutende "Bloodbather". Doch finden Synthies, Bläser und melodische Dramaturgie hier zu einem kurzweiligen Potpourri zusammen. Ebenfalls Bewegung und gleichsam fast Schönklang liefert die Vorab-Single "Up and away", denn jenem hüpfenden Ohrwurm kommt man kaum schnell genug davon. Die etwas lauter gepolte Fraktion kommt auch auf Ihre Kosten. "Botch job" fegt als Opener mit dem Staubwedel durch den Hof. Breaks, Riffings, Refrain. So geht denn wohl Post-Hardcore bei Cursive. "Rookie" reitet sein Riff von Beginn an intensiv, fährt Streicher zur Verstärkung auf und lässt hintenraus die Psychedelika wirken. Kasher intoniert das Stück in bester Conrad-Keely-Manier. "What the fuck" ist ein kleines, garstiges Biest, nicht unbedingt ob seiner Lautstärke, vielmehr hat sich das Stück in den in Molltöne getünchten Mantel geworfen und kreist um ein markiges Riff herum. Modest-Mouse-Vibes, anyone? Richtig warm ums Herz wird's zum tollen "Dark star". Kahser singt berührend wie selten zu markigem Basslauf, ehe der melancholische Refrain mindenstens eine Vollmondnacht umarmt.
Auch wenn Cursive auf musikalischer Seite ihre Hörer*innen durchaus fordern, geizt Kasher ebenfalls nicht mit Inhalt und Aussage. Gemäß Cover-Gestaltung ist der Untergang der humanistischen Zivilisation nicht weit, da nimmt der Sänger kein Blatt vor den Mund: "It's happening in front of our eyes / The beginning of the end", schlägt es bereits im knackigen "The avalanche of our demise" auf der Zwölf ein. Also macht Euch gefasst! "Devourer" setzt bei komplexen Themen an, hat ein Konzept: Dieses Mal nimmt Kasher die Gleichgültigkeit der Ersten Welt ins Visier. Es geht um grenzen- wie rücksichtslosen Konsum, um damit verbundene Ausbeutung anderer, um finanzielle Macht und politischen Einfluss. Aber auch innerlich wird der Spiegel gezückt, weil unser Selbstausdruck mehr und mehr in Selbstgefälligkeit umschlägt – und letztere wiederum ein Einfallstor für Bequemlichkeit und Ängste ist. Wann zur Hölle kommt er, der Tag, an dem wir zu diesen düsteren Aussichten nicht mehr tanzen können? Noch nicht, denn "Dead end days", dieser synthiegesprenkelte Indie-Rocker, lädt herzlich zum Tanz auf dem apokalyptischen Vorhof.
Marc Jacob Hudson (Against Me!, Thursday) hat "Devourer" gemeinsam mit Cursive koproduziert. Mit Blick auf den Sound klingt das entsprechend wenig abseitig, sondern unmittelbar und direkt. Aber es ist auch das Werk einer Band, die immer wieder experimentieren muss. Einer Band, in der ein gewisser Kasher sich freimachen muss, um im Chaos der Gegenwart zu schwimmen. Wer im Hier und Heute komplett den Überblick behält, sollte ein Geschäftsmodell andenken. Alle anderen schauen mit "Devourer" weiter in Richtung des blutroten Horizonts, an welchem sich Sturm auf Sturm ankündigt.
Highlights
- The avalanche of our demise
- Rookie
- Bloodbather
- Dark star
Tracklist
- Botch job
- Up and away
- The avalanche of our demise
- Imposturing
- Rookie
- Dead end days
- What the fuck
- Bloodbather
- Dark star
- Consumers
- What do we know
- The age of impotence
- The loss
Gesamtspielzeit: 48:30 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Watchful_Eye User Postings: 2816 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-10-04 01:15:52 Uhr
Bei "Devourer" hab ich noch nicht reingehört, aber "Vitriola" (2018) war nochmal durchaus hörenswert. |
Magoose Postings: 88 Registriert seit 15.06.2013 |
2024-10-04 00:24:20 Uhr
Band hat ihren Zauber leider spätestens nach Mama, I'm Swollen verloren. Devourer ist hier nur die erneute Bestätigung. |
Vive Postings: 822 Registriert seit 26.11.2019 |
2024-10-03 19:28:50 Uhr
die "up up up up" vorab single fand ich nervig, aber der erste song botch job taugt mir ordentlich!und yeah, album of the year von the good life fand ich auch toll.. wenn auch fast unerträglich traurig |
fakeboy Postings: 5275 Registriert seit 21.08.2019 |
2024-09-28 14:24:08 Uhr
Ich erinnere mich grad mit Freude an ein Konzert anno 2002 zurück. Cursive als Support von The Appleseed Cast. Da hab ich Cursive überhaupt erst entdeckt. |
Affengitarre User und News-Scout Postings: 11113 Registriert seit 23.07.2014 |
2024-09-28 11:45:34 Uhr
Bei "The Ugly Organ" als bestes Album gehe ich wohl mit, dicht gefolgt vom roheren "Domestica" und dem knalligen "Happy Hollow". |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Tim Kasher; Circa Survive; Desaparecidos; Bright Eyes; Bear Vs. Shark; Minus The Bear; Piebald; ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead; New End Original; Jets To Brazil; Braid; Modest Mouse; The Get Up Kids; The Anniversary; Pedro The Lion; The Faint; Death Cab For Cutie; Thursday; The Appleseed Cast; Sunny Day Real Estate; Pretty Girls Make Graves; The Promise Ring; Saves The Day; Slut; Rainer Maria; Say Anything; Jimmy Eat World; At The Drive-In; Sparta; Brand New; Against Me!; Weatherbox; Hey Mercedes; The Weakerthans; Murder By Death; Pinback; Texas Is The Reason; Elliott; Hot Water Music; Kevin Devine
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Plattentests.de-Forum
- Cursive - Devourer (20 Beiträge / Letzter am 04.10.2024 - 01:15 Uhr)
- Cursive (14 Beiträge / Letzter am 04.06.2024 - 16:46 Uhr)
- Cursive - The ugly organ (66 Beiträge / Letzter am 06.01.2023 - 16:45 Uhr)
- Cursive - Domestica (9 Beiträge / Letzter am 30.12.2022 - 12:37 Uhr)
- Cursive - Happy hollow (161 Beiträge / Letzter am 18.04.2022 - 13:55 Uhr)
- Cursive - Mama, I'm swollen (46 Beiträge / Letzter am 03.06.2021 - 10:33 Uhr)
- Cursive - Vitriola (17 Beiträge / Letzter am 30.04.2020 - 12:59 Uhr)
- Cursive - Burst and Bloom (2 Beiträge / Letzter am 23.02.2020 - 18:49 Uhr)
- Cursive - Get fixed (7 Beiträge / Letzter am 24.10.2019 - 05:28 Uhr)
- Cursive live (22 Beiträge / Letzter am 31.08.2012 - 10:05 Uhr)
- Cursive - I Am Gemini (5 Beiträge / Letzter am 24.02.2012 - 17:02 Uhr)
- Bester Song von Cursive (10 Beiträge / Letzter am 16.12.2006 - 20:40 Uhr)