Ayliva - In Liebe
Whiteheart / Warner
VÖ: 16.08.2024
Unsere Bewertung: 4/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
Verdammt, ich lieb' Dich
Ayliva hat Gefühle, und zwar alle und zwar immer. Aus diesem Grund wird ihr neues Album "In Liebe" auch von Balladen dominiert, denn diese eignen sich bekannterweise am besten, um Gefühle zu transportieren. In Sachen Songwriting kann man wenig kritisieren, die Musik ist melodisch, eingängig und auch hinsichtlich der Produktion auf der Höhe der Zeit. Hinzu kommt, dass Ayliva wirklich eine äußerst talentierte Sängerin ist. Gleichzeitig wirkt das alles so unfassbar statisch. Das allgegenwärtige "Du" wird angeschmachtet, angefaucht und angeschrien, bis es sich in sein Schicksal fügt. Das nimmt bisweilen fast schon komische Züge an. Wenn sich beispielsweise "Zwei Wochen" gegen Ende dem Wahn anheimgibt, bleibt keine Auge trocken. Es möge gefälligst geliebt werden, verdammt noch mal.
Und so geht das weiter, besonders in der ersten Hälfte des Albums. Egal, ob in "Traum", "Lieb mich" oder "Beifahrer": Ayliva ist auf der Suche nach dem "significant other" und scheut dabei auch nicht vorm Griff in den Honigtopf der Metaphern zurück. Dass die Finger dabei klebrig werden? Geschenkt. Was nicht pappt, wird pappend gemacht. "Nie Deins" setzt dem Ganzen dann die Krone auf, indem es die Perspektive wechselt. Nicht der Konsum, sondern der Wunsch nach Intimität treibt das lyrische Ich an. Die Musik wechselt munter das Tempo, je nach emotionaler Großwetterlage. Ist das jetzt große Kunst oder einfach nur völlig irre? Ein Gefühl des Unbehagens stellt sich ein. Was ist, wenn sie das ernst meint? Und wenn. Der Geist von Beyoncé winkt kurz von draußen herein, bevor er sich wieder ins Elysium verabschiedet. Wir haben Beyoncé at home, da kann man nicht meckern.
In der zweiten Hälfte des Albums wacht Ayliva dann endlich auf. Das Tempo wird angezogen, die Musik plötzlich lebendig. "Nein!" ist etwa ein wirklich lässiger Track, der sich perfekt für balearische Nächte eignet. Musikalisch spannend gerät auch "Lilien", dessen Timbaland-Gedächtnis-Beat zwar aus der Zeit gefallen wirkt, aber in Verbindung mit Aylivas beseeltem Gesangsvortrag durchaus überzeugen kann. Ähnlich cool gibt sich die Künstlerin in "Hältst Du mit?", dessen minimalistischer Groove den provokant-arroganten Text ins rechte Licht rückt und der Protagonistin für einen Augenblick sogar so etwas wie Persönlichkeit verleiht. Der große Hit des Albums ist indessen "Wunder", in welchem der unvermeidliche Apache 207 einen weiteren Schritt in Richtung Selbstkarikatur vollzieht. Ganz ergriffen knödelt er Verse, die es in Sachen Tiefe mit einer Fensterscheibe aufnehmen können. Aber solange sein Name die Klicks bringt, gibt es keinen Grund, etwas zu ändern. Das kann man traurig finden, aber dazu muss man suchen wollen.
Schließlich muss noch "Mörder" erwähnt werden. Hier zieht Ayliva noch einmal alle Register. Wer jetzt noch nicht fühlt, hat wahrscheinlich den Stichtag für die Steuererklärung im Kalender eingekreist. Nach so viel geballter Emotion erscheint es nur sinnvoll, das Album mit einigen weiteren Balladen ausklingen zu lassen. Worum es genau geht, ist mittlerweile egal. Es wird schon irgendwas mit Liebe sein, ganz bestimmt. Liebe ist ja auch wirklich toll, die meisten Menschen können nicht genug von ihr bekommen. Sie kennen sie ja auch hinreichend aus Funk und Fernsehen. Es erscheint daher nur logisch, dass die derzeit populärste deutschsprachige Künstlerin sich umfänglich diesem Thema widmet. Irgendeiner muss es ja machen, und wenn man ehrlich ist, macht Ayliva das gar nicht so schlecht. Gefühlt zumindest.
Highlights
- Nein!
- Lilien
Tracklist
- Wind
- Traum
- Lieb mich
- Zwei Wochen
- Ben & Jerry's
- Beifahrer
- Nie deins
- Nein!
- Hältst Du mit?
- Wunder (feat. Apache 207)
- Lilien
- Mein Freak
- Mörder
- Ersticken
- Immer fehlst Du
Gesamtspielzeit: 44:24 min.
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