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Bright Eyes - Five dice, all threes

Bright Eyes- Five dice, all threes

Dead Oceans / Cargo
VÖ: 20.09.2024

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Ein Pool von Verständnis

Bei der Musik von Conor Oberst wird seit mittlerweile gut 25 Jahren darüber gesprochen, dass er viel geweint hat oder zu viel weint oder zu viel Wein trinkt und dann wieder weinerlich wird. Was dabei viel zu oft in Vergessenheit gerät: Wie viele Menschen wohl schon zu Musik von Oberst geweint haben. Und das auf die gute Art, die kathartische Variante, bei der man sich danach besser und verstanden fühlt. Denn Alben von Bright Eyes sind in ihrer Unmittelbarkeit, ihrer Direktheit und Ansprechhaltung schon immer ein Pool von Verständnis gewesen, in den man sich reinstürzen konnte, und wenn man dann drinnen war, war es ein Leichtes, loszulassen, weil unter Wasser keiner die Tränen sehen konnte. Das zehnte Album der US-Amerikaner heißt "Five dice, all threes", was im dazugehörigen Würfelspiel "Threes" ein perfekter Wurf wäre, und fühlt sich auch ein bisschen so an. Aber überraschenderweise weniger wie Abtauchen, sondern wie ein Whirlpool, der wohlig warm blubbert und in dem man gerne bis zum Kinn versinkt – und lächelt.

Das Trio Conor Oberst, Mike Mogis und Nate Walcott hatte die gemeinsame Karriere zwischenzeitlich schon mal beendet, und so fühlt sich jedes weitere Release für Freund*innen ihrer Musik eh schon wie ein Bonus an. Ein bisschen trügerisch mag es deshalb wirken, wenn man immer gleich in Richtung der Nostalgierutsche schielt, sobald man über neue Musik von Bright Eyes spricht. Tatsächlich fühlt sich "Five dice, all threes" aber genau danach an, nach den guten alten Bekannten, die die Extrarunde spendieren. Das beginnt schon beim bekannten Intro, das oft als Moodboard der Platte genutzt wird und in diesem Fall den 1954er-Film "Suddenly" mit Frank Sinatra samplet, um die Regeln des Würfelspiels zu erklären. Dann geht's hinüber in die Single "Bells and whistles", die im Namen schon verrät, dass es hier bestgelauntes Pfeifen und Glöckchen gibt. Indie-Folk, der seit 20 Jahren kein Update bekommen hat, weil er immer noch funktioniert. "El Capitan" wird erst mal von einer Gitarre angetrieben und geht dann mit Drums in den Country-Galopp: "It's time to pay the piper / Don't wanna be the last in line." Bläser geben der Nummer hinten raus noch mehr Volumen.

Was "Five dice, all threes" aber so besonders bunt macht, ist der Band-and-friends-Vibe, der überall spürbar ist. Das kann erst melancholisch wirken, wenn "The time I have left" als Klavierballade mit Matt Berninger von The National beginnt, dann aber reichlich unernst mit Stimmmanipulation gespielt wird und beide nach gut vorstellbaren drei, vier Gläsern Wein am Ende ein Shalala anstimmen. Oder als jazzig-verträumtes Duett mit Cat Power in "All threes", das behauptet, Jesus wäre in einem Cagefight gestorben und Oberst würde Elon Musk bei einem Würfelspiel in einer Gasse umbringen. Da sind dann wieder diese Lyrics, die man auch in einem ziellosen Gespräch mit einem guten Freund erwarten würde. Und selbst der aufkommende Pessimismus wirkt 2024 positiver als je zuvor, weil er zusammen als Chor auf "Tin soldier boy" erscheint und runtergeschmettert wird: "Our days are numbered / Hear the countdown!" Allgemein gibt es ganz viel gemeinsames Singen und damit verbunden auch Mitsing-Vibe auf dem Jubiläums-Album.

Der übrig gebliebene Zynismus zieht sich auch durch den slowen Indie-Crooner "Hate", in dem Oberst noch mal ein paar Dinge auflistet, die er hasst, während ein kleines E-Gitarren-Solo in der Mitte aufgebracht erscheint und es heißt: "Don't you know the bad guys always win?" Wenn dem so sein sollte, dann müssen Bright Eyes ein ganz schön böses Trio sein, weil sie mit diesem Album einen weiteren Triumph einfahren. Und klar, Conor Obersts Stimme ist immer noch sehr oft kurz davor zu brechen. Besonders in "Tiny suicides", das als weitere Klavierballade daherkommt und im Mittelteil verwirrt rumtrötet und nach etwas sucht: "Tried to tip my way into heaven's gate / Must have lost a fortune along the way / I never saved up for a rainy day / I've put it all above the brass collection plate." Das Letzte, was man in diesem Song hört, sind Samples und eine aufgelöst weinende Frau. Die Würfel sind gefallen.

(Arne Lehrke)

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Highlights

  • Bells and whistles
  • Tiny suicides
  • Tin soldier boy

Tracklist

  1. Five dice
  2. Bells and whistles
  3. El Capitan
  4. Bas Jan Ader
  5. Tiny suicides
  6. All threes
  7. Rainbow overpass
  8. Hate
  9. Real feel 105°
  10. Spun out
  11. Trains still run on time
  12. The time I have left
  13. Tin soldier boy

Gesamtspielzeit: 51:06 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

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Registriert seit 07.06.2013

2025-01-09 16:00:23 Uhr
Aha.

fuzzmyass

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Registriert seit 21.08.2019

2025-01-09 15:52:27 Uhr
Hab ich ehrlicherweise total vergessen da kein Verlangen reinzuhören.... irgendwie ist die Band bei mir mit der Zeit total verblichen, seit Cassadaga kam nichts mehr, was mich interessiert/gepackt hätte und die alten Sachen habe ich jetzt auch schon Ewigkeiten nicht mehr gehört bzw. kein Verlangen danach gehabt...
Einzig die Better Oblivion Community Center mit Phoebe Bridgers fand ich recht cool, muss ich mal wieder auflegen

Rhyton

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Registriert seit 26.09.2024

2025-01-09 15:47:56 Uhr
Krasser Flop.

MickHead

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Registriert seit 21.01.2024

2024-11-20 16:36:25 Uhr
Conor Oberst hat die Stimmprobleme überwunden, und teilte heute einen neuen Song zum Dokumentarfilm Alok.

Conor Oberst & Craig Wedren - Justice To A Scream

https://youtu.be/7s0Fnb7s1i0?si=7lGXgL5bbxSLUss_

Enrico Palazzo

Postings: 6351

Registriert seit 22.08.2019

2024-10-08 19:43:32 Uhr
Ich bin bei einer 8/10, aber ich weiß was du meinst. Ich habe das Gefühl, dass da etwas BE-Bonus von mir dabei ist. Und den Vorgänger fand ich schon n Stück besser und zwingender.
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