Tindersticks - Soft tissue

City Slang / Rough Trade
VÖ: 13.09.2024
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Können wollen
Mit einer umfassenden Werkschau blickten Tindersticks 2022 auf ihre bisherige Karriere zurück, die sich mittlerweile im vierten Jahrzehnt befindet. Wir wissen nicht, ob die Bandmitglieder selbst ganz und gar erstaunt auf die Vielzahl an herausragenden Songs schauten, die sie für die Compilation "Past imperfect – The best of Tindersticks '92-'21" zusammenstellten. Ihren Fans jedenfalls nahmen sie bei dieser Gelegenheit klug jedwede Sorge, dass der Blick in den Rückspiegel im schlechtesten Fall einen Schlussstrich darstellen könnte. "Both sides of the blade" hieß der Abschlusstrack des 30-Titel-XXL-Werks, der als einziges neues Stück den Weg in die musikalische Zukunft wies. Gut zweieinhalb Jahre nach der musealen Betrachtung des bisherigen Schaffens melden sich Tindersticks tatsächlich zurück. "Soft tissue" ist das 16. Studioalbum der Briten, das machtvoll beweist: Die Kreativität der Formation ist noch längst nicht ausgereizt.
Es bedarf nur ganz weniger Töne, bis das Quintett seine Zuhörerschaft mit seinem charakteristischen Soundgewand umhüllt. "New world" ist der Auftakt zu insgesamt nur acht frischen Kompositionen, denen in erster Linie eine Qualität zugrunde liegt, die wohl am ehesten mit Souveränität umschrieben ist. Eine unwiderstehliche Gelassenheit umweht das Auftreten der Musiker, die sich zeit ihrer Karriere nicht mit den ganz großen Abzweigungen, sondern vielmehr mit kleinen Veränderungen hier und dort hervorgetan haben. "I won't let my love become my weakness", singt Frontmann Stuart A. Staples in "New world", diesem soulig-groovenden Eröffnungstitel von "Soft tissue", unterstützt durch weiblichen Backgroundgesang. Einen solch lässigen Einstieg muss man erst einmal hinbekommen.
Und es wird nicht schlechter. Zum Funk greifen Staples und Kollegen im starken "Don't walk, run", in dem ein fernes Gegenüber unter Zugzwang gesetzt wird: "So don't walk, run / Ride here on that train / Drive through the night / Just get here any way." Auf das durchaus verspielte "Nancy" folgt mit "Falling, the light" ein Titel, der bewusst nur ganz zurückhaltend vorgetragen wird und entschlossen auf die musikalische Bremse tritt. "Always a stranger" gehört dann zum Besten, was Tindersticks bis dato zum Leben erweckt haben. Und das will, siehe oben, angesichts des üppigen Backkatalogs einiges heißen. Ein hypnotisches Etwas, durch das Staples mit großer Klasse und Hingabe führt. "The secret of breathing" könnte sich für den schwelgerischen Tanz in heruntergedämmter Atmosphäre empfehlen, während "Soon to be April" den pointierten Abschluss bildet.
"Soft tissue" klingt, und das sollte explizit herausgestellt werden, wie ein echtes Bandalbum. Natürlich lauert bei einem Ausnahmesänger wie Stuart A. Staples immer die Gefahr hinter der nächsten Ecke, durch die stimmliche Präsenz den Fokus allzu sehr auf sich selbst zu lenken. Doch im vierten Tindersticks-Jahrzehnt passen auch hier die einzelnen Bestandteile perfekt zueinander – so klingt dann halt die eingangs erwähnte Souveränität. Die Backgroundstimme von Gina Foster ergänzt Staples' Vortrag wohldosiert, die Streicherarrangements von Dan McKinna begeistern mit ihrem überlegten Einsatz und kleistern nicht alles bis zur Besinnungslosigkeit zu, was bei Streichern gelegentlich ganz schnell passiert. Und auch die Bläser-Momente, die Julian Siegel beisteuert, posaunen nicht lautstark in die Welt hinaus, was sie alles können, sondern fügen sich ein in das große Ganze. Der Stoff für die nächste Werkschau geht Tindersticks offenkundig nicht aus.
Highlights
- New world
- Don't walk, run
- Always a stranger
Tracklist
- New world
- Don't walk, run
- Nancy
- Falling, the light
- Always a stranger
- The secret of breathing
- Turned my back
- Soon to be April
Gesamtspielzeit: 39:24 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28788 Registriert seit 08.01.2012 |
2025-02-13 18:52:04 Uhr - Newsbeitrag
Liebe Freund*innen von City Slang, fünf Jahre nach "No Treasure but Hope" (2019) und drei Jahre nach "Distractions" (2021) kehrten Tindersticks 2024 mit ihrem neuen Album "Soft Tissue" zurück. Im Vorfeld ihrer Europatour nächsten Monat kündigen sie heute eine 7"-Single in limitierter Auflage an, die bei ihren bevorstehenden Europaterminen erhältlich sein wird und auch online bestellt werden kann. Zusammen mit der Ankündigung teilt die Band heute den bisher unveröffentlichten B-Seiten-Track „Soft Tissue“ - den auffällig abwesenden Titelsong ihres kürzlich erschienenen gleichnamigen neuen Albums, das Ende letzten Jahres via City Slang unter großem Beifall der Kritiker veröffentlicht wurde. Zusätzlich zu „Soft Tissue“ enthält die 7“ außerdem den Song ‚Don't Walk, Run (Edit)‘ vom aktuellen Album. Stuart Staples sagt über den Song: “‘Soft tissue’ was always a gem within the recordings we made for the album of the same name. It was a little heartbreaking when, in the end and when push came to shove, it was a choice between ’Soft tissue' and ‘Soon to Be April’ as the closing song of the album. These hidden decisions when making an album are painful ones. Time will reveal if this was a correct one. I am still unsure.” "The song came from a small idea thrown into the room of a recording session. The band played it twice – a special moment that we were able to catch in a recording. We listened to the playback and no one needed to say anything, there was such a powerful feeling in the room. Months of writing and arranging followed to form it into its shape as a song. But that moment when it all kicked off at the beginning is something that speaks of the essence of the album.” LISTEN TO "SOFT TISSUE" “'Baby I was falling, but the shit that I was falling through Thought it was just the world rising’ These are the opening lines of the album, it seems all the songs on Soft tissue inhabit this confusion somehow - despairing at the destruction, suspecting you are responsible.. Musically, it seemed that since 2016’s 'The Waiting Room', the band's output had been reactionary. The last two tindersticks have been so opposed to each other - 2019’s 'No Treasure But Hope’ was an extremely naturalistic recording process - due in part as a reaction to the previous few years of experimental projects (High life, Minute bodies) and in turn as a reaction to this purity 2021’s 'Distractions’ became one of the bands most dense, experimental albums. It felt like time to stop lurching to these extremes and to find a way to marry the rigour of the songwriting and the joy of the band playing together with a more hard-nosed experimental approach” . So elastisch und flexibel wie der Titel vermuten lässt, verbindet und übertrifft "Soft Tissue" Extreme und schöpft neues Leben aus den Kontrasten und Konvergenzen seiner dichten, intuitiven Songs und rastlosen Details. Von der Band und ihren Mitstreitern als eine Art offenes "Gespräch" ins Leben gerufen, wie Sänger und Produzent Stuart Staples sagt, ist das Ergebnis der Sound einer Band, die von dem glühenden gemeinsamen Wunsch - und der Fähigkeit - inspiriert ist, sich selbst zu überraschen. “I think I was looking for both these elements,” erklärt Stuart, als er über die fließende Navigation zwischen Intimität und Experiment auf der Platte reflektiert. “We wanted to find a way to have the energy of the band playing together and that scrutiny of songwriting but to not let up on how interesting the music can be sonically’. Auf "Soft Tissue" nimmt dieser Ehrgeiz die Form einer fließenden, suchenden Auffassung dessen an, was Tindersticks sein können, verankert durch ein Gefühl des Vertrauens zwischen den Bandmitgliedern. “In this band, I think that there’s so much… I was going to say talent but it’s got nothing to do with talent, really, it’s about that desire, that need to reach for something and to go to places you haven’t been. And I feel that comes from everybody. I didn’t feel as though there was any kind of restriction about, or any dogma about, what this record could be, beyond where it takes us and what excites us” sagt Staples. |
MickHead Postings: 5432 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-02-13 18:11:22 Uhr
Neue 7" Single "Walk Don't Run" mit der nicht auf dem Album gelisteten B-Side "Soft Tissue" "Soft Tissue" https://youtu.be/OtPCOL1lRZQ?si=NpR-DGSiu1CuFGYn |
ijb Postings: 7109 Registriert seit 30.12.2018 |
2025-02-06 15:17:36 Uhr
Bin immer noch sehr begeistert vom Album. Tatsächlich das erste überhaupt von der Band, das ich kennt. Welche sollte ich mir denn nun als zweites anhören?Klar, die Alben der ersten Band-Ära, als noch Dickon dabei war, der für den orchestralen Sound zuständig war, sind natürlich grandios. An den ersten drei gibt's nichts auszusetzen, die zweiten drei (Simple Pleasure (1999), Can Our Love... (2001) und Waiting for the Moon (2003)) sind auch kaum schwächer, zeigen dann andere Facetten, einen leicht anderen Bandsound, "Simple Pleasure" z.B. recht soulig. Nach der fünfjährigen Pause (in der zwei Stuart-Soloalben rauskamen) hat sich die Band neu aufgestellt und ist seitdem auch weniger orchestral unterwegs. Die Alben sind zurückhaltender als früher und oftmals auch introvertierter. Wenn du beim neuen Album erst eingestiegen bist, würde es sich ja total anbieten, chronologisch rückwärts weiterzugehen. Es gibt eh kein schlechtes Album von denen, auch die zahlreichen Soundtracks sind hervorragend und stilistisch teils noch mal ganz anders (und auf denen sind häufig auch Songs mit Gesang drauf, bester unter vielen tollen vielleicht "Put your love in me" auf "Les Salauds", sowieso einer der besten Filme der 2010er und der einzige Film, bei dem man einen deutlichen Einfluss von David Lynch und "Lost Highway" sehen kann, ohne dass es quatschig oder misslungen ist). Ich könnte hier "The Something Rain" (2012) empfehlen. Aber alle anderen sind genauso gut. |
Hierkannmanparken Postings: 2291 Registriert seit 22.10.2021 |
2025-02-05 21:58:35 Uhr
Man alone, der erste Track von Distractions, hat mich absolut in seinen Bann gezogen. |
Immermusik Postings: 1418 Registriert seit 04.11.2021 |
2025-02-05 21:37:31 Uhr
Die ersten 3 chronologisch. Alles Meisterwerke. |
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Referenzen
Stuart A. Staples; Cousteau; Robert Forster; Chris & Carla; John Grant; The Magnetic Fields; Rufus Wainwright; Get Well Soon; Sparklehorse; Arab Strap; Aidan Moffat; Bill Callahan; Dakota Suite; Lee Hazlewood; Bonnie 'Prince' Billy; Eric Bachmann; The Divine Comedy; Lambchop; I Am Kloot; Spain; Mick Harvey; The Walkabouts; Giant Sand; Nick Drake; The High Llamas; Jarvis Cocker; Pulp; Calexico; The Black Heart Procession; Smog; Eels; Guy Garvey; Elbow; Destroyer; Dirty Three; Low; Wilco; The National; Vic Chesnutt; Matt Elliott; Scott Walker; The Walker Brothers; Vincent Gallo; Lucinda Williams; Devastations; Brian Eno; Howe Gelb; Richard Hawley; Bauhaus; Madrugada; Carla Torgerson
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