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International Music - Endless Rüttenscheid

International Music- Endless Rüttenscheid

Timeless Melancholic / Bertus / The Orchard
VÖ: 06.09.2024

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Irgendwo im Nirgendwo

Momente lassen sich durch unsere Sinnesorgane höchst individuell, Wahrnehmungen und Empfindungen sehr unterschiedlich erleben. Musik, besonders jene in den Nischen, die entrückt und abseitig wirkt, füllt Momente entweder gar nicht oder besonders intensiv aus. In den Achtzigern waren es Fehlfarben, in den Neunzigern und Nullerjahren vielleicht Tocotronic, die ihre ganz spezielle Aura hatten, ein scheinbar selbstverständliches Rezept, das Geschehen um sie herum zumindest mit einer selbstbewussten Abgewandtheit, einer coolen Gleichgültigkeit zu quittieren. Und seit 2018 stehen vielleicht International Music auf jener Schiene. Denn auch wenn es mit "Endless Rüttenscheid" nun mittlerweile drei Studiowerke von Peter Rubel, Pedro Goncalves Crescenti und Joel Roters gibt, bleibt das Trio schwer zu greifen.

Genie und Wahnsinn liegen bereits im Opener "Kraut" nah beisammen. Das Schlagzeug galoppiert stoisch zu diesem leicht irrsinnigen Auftakt zwischen Kraut und Country, bevor der Refrain relativ unvermittelt in eine fette, zuckrig glasierte Harmoniepfütze springt. Völlig normal, würde die Band entgegnen und legt im selben Song noch einen sonnigen Beach-Boys-Part nach. "Karma Karma" ist dann angenehm shoegazig geraten, doch spätestens wenn "Kieselwege" sich an der in diesem Fall wahrhaftig steinigen Gabelung nicht so recht zwischen Boogie und Gospelrock entscheiden mag, wird erneut klar: Möchte man International Music zuhören, muss man sich einlassen können – und wollen. Man sollte gewillt sein, mitzureisen durch ihre minimalistische Rock-Landschaft, auf einer Fahrt, die zwischen Sixties-Beat und Boogie, Siebziger-Krautrock, Achtziger-New-Wave und Neunziger-Alternative nahezu überall Halt machen wird. Wer Zweifel hat, lausche etwa dem kleinen Knallbonbon "International heat", das vielleicht eigens als Kontrastpunkt für "Mont St. Michel (Reprise)" herhält, jenen Song vom tollen Debüt, den das Trio hier mit der Zeile "Die besten Jahre sind vorbei" in Erinnerung ruft. Bevor es noch jemand vergisst.

Nach und nach ergibt das Puzzle Sinn, werden es mehr und mehr faszinierende Klänge und Bilder. Nach und nach ist man in der Lage zu folgen, wenn das Trio textlich zu kodieren weiß, lyrische Wegweiser andeutet, sie mit zwinkerndem Auge wieder wegräumt. Kühl pulsiert der Beat der Auskopplung "Guter Ort" wie in den frühen Achtzigern zunächst, doch thematisch hält das Stück eher warm, ist nah dran: Wer hat sich noch nicht gefragt, warum man dort gelandet ist, wo man ist, oder ob man nun bleibt, wo man gerade lebt? "Und ich werd' weiter überlegen / Soll ich gehen oder bleiben? / Eine Zwischenstation, die lange währt und länger wird." Hier ist denn im Kontext des Albums wohl auch Rüttenscheid gemeint, jener Essener Stadtteil, der in seinem Mix aus Zuwanderungsgeschichte und Gentrifizierung den Schauplatz so mancher Geschichte für International Musics neues Album liefert. Für Momente der Einsamkeit, der Zweisamkeit, oder jene bürokratisierten Feelings in between, die die Single "Liebesformular" andeutet und die jedes Leben bereichern, wie wir wissen. Oder, wie die Band es im Titelsong ausdrückt: "Grenzen werden Übergänge sein." Offen bleibt, ob irgendwo oder doch im Nirgendwo? Wie wir unser Dasein erleben,dürfte individuell eben sehr unterschiedlich sein.

(Eric Meyer)

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Highlights

  • Kraut
  • Fehler
  • Guter Ort
  • Liebesformular
  • Im Sommer bin ich Dein König

Tracklist

  1. Kraut
  2. Fehler
  3. Guter Ort
  4. Karma Karma
  5. Kieselwege
  6. Endless Rüttenscheid
  7. Lass es ziehn
  8. Mont St. Michel (Reprise)
  9. International heat
  10. Liebesformular
  11. Im Sommer bin ich Dein König
  12. Unterschied

Gesamtspielzeit: 42:07 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

javra

Postings: 207

Registriert seit 29.07.2014

2024-09-13 16:27:28 Uhr
So, zusammen mit den Nerven (als Gegenpol dafür, was aus 80er-inspirierten Einflüssen so werden kann) heute endlich auch zweimal gehört. Würde hier auch mindestens 8/10 geben. Bin in Fehler beide Male zusammengezuckt als in den Tiefen gräbt der Wurm

FASS IHN AN UND LASS IHN DURCH


Highlights bisher: Kraut, Fehler, Karma, Kieselwege, aber eigentlich ist das schon durchweg toll alles. :) Mehr Brüche und ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit in all dem Apfelbrei.

Rochen

Postings: 499

Registriert seit 15.10.2022

2024-09-12 14:43:33 Uhr
Macht einen guten Eindruck. Klingt auf jeden Fall besser, als deren Cover aussehen.

Lateralis84skleinerBruder

Postings: 874

Registriert seit 03.03.2019

2024-09-12 07:20:30 Uhr
Ab „Lass es ziehn“ haben sie für mich nen super Lauf

captain kidd

Postings: 3663

Registriert seit 13.06.2013

2024-09-11 20:09:14 Uhr
Ja, erste Hits. Karma Karma zum Beispiel. Wie das am Ende nochmal singalonged...

fluppeaufex

Postings: 289

Registriert seit 29.10.2019

2024-09-11 11:12:03 Uhr
Für mich jetzt schon unter den Top 3 dieses Jahr.

Kraut ist einfach der perfekte VU Song den Reed nie geschrieben hat.
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