Zweipunktlandung

Nach der Veröffentlichung ihres dritten Albums "The prettiest curse" sah es für Hinds nicht gerade rosig aus. Label und Management weg, fehlende Tour-Einnahmen aufgrund der Pandemie und dann noch der Ausstieg von Bassistin Ade Martin und Drummerin Amber Grimbergen – nicht davon zu sprechen, dass besagte, eher unglücklich mit Studio-Feinschliff hantierende Platte sowieso schon den kreativen Tiefpunkt der spanischen Band darstellte. Doch Kollege Makolies bezeichnete Hinds nicht umsonst als Superheldinnen: In bester MCU-Manier stecken Carlotta Cosials und Ana Perrote die Rückschläge weg und feiern ein fulminantes Quasi-Comeback. "Viva Hinds" verkündet das übriggebliebene Duo selbstbewusst schon im Albumtitel und schüttelt sich allen Ballast der jüngeren Vergangenheit ab. Ganz so schrammelig wie die ersten Platten klingt es zwar nicht, doch fährt es die Hochglanz-Ästhetik des Vorgängers wieder zurück, um die herrlich unperfekten Vocals und tief ins Neunziger-Fass getunkten Gitarren der zwei Frauen durch astreine Indie-Pop-Rock-Hymnen zu schleudern.

Das beginnt gleich in der eröffnenden Standortbestimmung "Hi, how are you", die sich per Call-and-response durch die Strophen hangelt und im Refrain die Saiten zerhackt. Die beiden BFFs spielen sich allerdings nicht nur zu zweit die Bälle zu, sondern holen sich zwei namhafte Gäste ins schaukelnde Boot. "Boom boom back" angelt sich Boom-Boom-Beck, auch wenn dieser abgesehen von anderthalb Solo-Versen kaum vernehmbar im Hintergrund bleibt – geschenkt, hat man in dieser Hook-Maschine sowieso nur Ohren für das hypnotisch groovende Zusammenspiel von Riffs und Drums. Prägender ist Fontaines-D.C.-Frontmann Grian Chatten in "Stranger", vermutlich auch deshalb, weil der Song mit seiner gleichzeitig schattigen wie aufbauenden Post-Punk-Aura dessen Hauptband nicht gerade schlecht zu Gesicht gestanden hätte.

Generell beeindruckt es, wie Hinds auch bei kleinen stilistischen Schwankungen immer ihre Identität behalten und sich gelegentlich der Melancholie hingeben, ohne das melodische Ziel aus dem Blick zu verlieren. Bester Beweis ist die Dreampop-Perle "The bed, the room, the rain and you", die ihr Feedback-Meer mit einem dosierten Synth-Einsatz endgültig zum Strahlen bringt. Das sich zum Ende hin furios steigernde "Superstar" hüllt sich in ein ähnliches Gewand, nutzt die Shoegaze-Gitarren aber nicht zur Liebesliedbegleitung, sondern um im Gegenteil eine verräterische Person anzugiften: "Your mum and dad are paying all your bills / None of your friends will tell you how they really feel / No wonder why you treat me like you're still a kid." Im Anschluss täuscht "Mala vista" mit Orgeln und elektronischem Fingerschnipsen einen lockeren Funk-Schwung an, nur um im Finale wieder die Verstärker heulen zu lassen.

Es ist der etwas schwächere von den zwei komplett spanischsprachigen Songs des Albums – aber auch nur, weil das von Piano und Synth-Feuerwerken unterstützte "En forma" einen solchen Abriss veranstaltet, dass es schwitzige Club-Schuppen und gefüllte Stadien gleichermaßen zum Rausch führt. Dieses Beieinander von garagiger Nahbarkeit und großer Geste verkörpert der hyperaktive Akustik-Jangle von "On my own" genauso wie der finale Engtanz "Bon voyage", in dem Hinds ein bisschen wie die ebenfalls markant auf Zweistimmigkeit setzenden Britinnen von Ider klingen. Anstatt die Welt zu retten, fliegen Cosials und Perrote Hand in Hand davon, doch zeigen sie damit keine Schwäche. "Viva Hinds" ist das Zeugnis von zwei Freundinnen, die gelernt haben, dass sie nichts anderes als sich selbst und die Musik brauchen, und mit diesem Antrieb auch ohne coole Pose überall landen können, wo sie wollen. Superheld*innen gibt es ja sowieso schon mehr als genug auf der Welt.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

• The bed, the room, the rain and you
• Boom boom back (feat. Beck)
• Stranger (feat. Grian Chatten)
• En forma

Tracklist

1. Hi, how are you
2. The bed, the room, the rain and you
3. Boom boom back (feat. Beck)
4. Stranger (feat. Grian Chatten)
5. Superstar
6. Mala vista
7. On my own
8. Coffee
9. En forma
10. Bon voyage

Gesamtspielzeit: 31:21 min.

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Referenzen

Dum Dum Girls; The Big Moon; Bleached; Honeyblood; Alvvays; Soccer Mommy; Black Belt Eagle Scout; Chastity Belt; Girlpool; Momma; Bully; Vivian Girls; La Sera; Muncie Girls; Diet Cig; Tacocat; Illuminati Hotties; The Courtneys; Sunflower Bean; Best Coast; Dream Wife; The Mysterines; Charly Bliss; Cherry Glazerr; The Raveonettes; The Beths; Courtney Barnett; La Luz; Horsegirl; Car Seat Headrest; Parquet Courts; Fontaines D.C.; Grian Chatten; Ider; Beck

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