Fontaines D.C. - Romance
XL / Beggars / Indigo
VÖ: 23.08.2024
Unsere Bewertung: 9/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
It may feel good
Nur nach unten blicken, ist ja irgendwann keine Lösung mehr. Fontaines D.C. wurden mit jedem Album ein Stück düsterer, weniger verspielt – und nicht zuletzt auch besser. Vom weitgehend trocken runtergerockten Debüt "Dogrel" über das zähere "A hero's death" zum meisterhaft am Abgrund taumelnden "Skinty fia" entpuppte sich das irische Quintett immer klarer als Fixgröße, die für die Schublade Post-Punk sowieso viel zu groß war. Nichts konnte jedoch auf diese Ohrfeige der nostalgischen Positivität vorbereiten, welche die Single "Favourite" galant austeilt. "Did you know I could claim the dreamer from the dream?", fragt Vokalist Grian Chatten über ultraeingängige, poppige Gitarrenmelodien. Und gibt direkt und offen zu: "You were my favourite for a long time." Was bei vielen auch auf diesen wundervollen Song zutreffen könnte, der ein Album beschließt, das emotional nicht weniger komplex ist als seine Vorgänger, aber viel mehr Licht und Farbe zulässt.
Fontaines D.C. öffnen sich auf ihrer vierten Platte "Romance" für weitere Einflüsse und Stilrichtungen. Da wähnt man sich bei "Here's the thing" angesichts des sehr melodiebetonten Songwritings schon bei Emo-Rock-Koryphäen wie Jimmy Eat World oder Weezer, während der lakonische Sprechgesang in "Death kink" nicht weit von Pavements Stephen Malkmus landet. Yes: "Romance" wildert tief im Alternative der 90er- und frühen 2000er-Jahre, was schon allein in der Zielgruppe Pluspunkte sammelt, die ihr Coming of Age in diesem Zeitraum hatte. Verklärung? "Did you know cities on return are often strange / Yeah, and now every time you blink / You feel it change." Deshalb pausen Fontaines D.C. ihre Referenzen keinesfalls nur billig ab, die ihnen eigene Schwermut scheint immer noch sehr oft durch. Und doch ergeben diese elf Songs nicht nur spielzeittechnisch ihr leichtestes Album bislang. Alles geht easy von der Hand – und alles funktioniert.
Zum Beispiel Lana Del Rey. Also nicht, dass sie jetzt auf dem Album auftaucht oder die Band nun lethargisch-orchestralen Pop macht. Aber große Teils des Refrains der umwerfenden Pomp-Ballade "In the modern world" – insbesondere die Backingvocals – erinnern unweigerlich an ihre besten Momente, und das will einiges heißen. Schon auf "Skinty fia" hieß ein Song "I love you", aber solch direkte Liebesbekundungen wie "Seems hard not to be free / When you walk beside me" gab Chatten noch nicht von sich. "In the modern world / I don't feel anything / I don't feel bad", stellt außerdem als zentrale Zeile den direkten Gegenpol zur ersten Single "Starburster" dar, die sich selbst mit "It may feel bad" einleitet, um Schläge in die Magengrube zu verteilen. Der Song flirtet instrumental und vokal mit HipHop, vertont eine Panikattacke von Chatten – und wer eine solche schon mal durchleben musste, weiß, was das heftige Inhalieren und die Worte "I'm gon' hit your business / If it's momentary blissness" im Refrain symbolisieren. Funktioniert als verdammt mitreißender Hit mal eben auch, im Übrigen.
Das Faszinierende an "Romance" ist, dass sich jeder Song in eine andere Richtung streckt und trotzdem alles felsenfest zusammenhält. "Sundowner" in etwa ist Shoegaze à la Fontaines D.C., vernebelt und psychedelisch. Verhallt klingt es durch den Track: "In my dreams, I can't help it." Mit Hall arbeitet auch "Bug", verfrachtet diesen jedoch in den lieblichsten Pop, den die Band sich einfach mal traut. Eine Frage wie "Will you apologise for the remainder of your life?" sticht in Zucker verpackt einfach noch mal mehr. Der Titeltrack ist mehr als nur ein Intro, schleicht sich mit den Worten "Into the darkness again / In with the pigs in the pen" an, um dann doch besagte Dunkelheit mit einem dissonanten elektronischen Feuerwerk zu erhellen. Mit am interessantesten gerät "Motorcycle boy" mit seinem mysteriösen geloopten Vocal-Sample und den lauernden Effekten, die über das tragende Klavier flirren und die Szenerie ausmalen. "Sinner shows emotion / Provokes them to hang / People stood in silence / When they tied him, they sang."
Mit "Desire" erreicht "Romance" zum ersten Mal einen Ruhepol, der langsam und stetig an Volumen gewinnt. Chatten klagt eine verloren scheinende Person an: "It's so hard to find you / The mist you've acquired / Has turned you into a liar / Desire." Dabei ist es letztlich wieder die Liebe, die das Problem löst. Das seltsam betitelte "Horseness is the whatness" traut sich sogar, als echte Streicherballade aufzutreten und ganz unverfälscht und direkt aufs Herz zu zielen. "Will someone find out what the word is / That makes the world go 'round / 'Cause I find it was 'love'." Überhaupt ist "Romance" seinem Titel entsprechend voller Zuneigung und Mitgefühl. "I feel your pain / It's mine as well", ist kein leeres Versprechen. Fontaines D.C. halten den Spiegel nur deshalb vor, weil sie Dir was Schönes zeigen möchten.
Highlights
- Starburster
- In the modern world
- Motorcycle boy
- Favourite
Tracklist
- Romance
- Starburster
- Here's the thing
- Desire
- In the modern world
- Bug
- Motorcycle boy
- Sundowner
- Horseness is the whatness
- Death kink
- Favourite
Gesamtspielzeit: 37:01 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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rainy april day Postings: 653 Registriert seit 16.06.2013 |
2024-09-03 23:16:08 Uhr
Wurde bisher mit jedem Album wärmer mit der Band und jetzt wo ich mir mal etwas Zeit für Romance nehmen konnte kann ich nur feststellen, dass das jetzt ziemlich sicher nicht aufhören wird. Tolle Grundstimmung, abwechslungsreich und in jedem Song irgendein Widerhaken, der droht, einem den Tag über nicht aus dem Ohr zu gehen. |
Arne L. Postings: 1191 Registriert seit 27.09.2021 |
2024-09-03 16:26:54 Uhr
Ging mir jetzt auch nicht unbedingt um die Qualität auf der Bühne, sondern die Zahlen von Zuschauer:innen, Hörer:innen, Streams etc., deshalb aber auch die ehrlich interessierte Nachfrage, was "richtig groß" ist. |
Spinnefink Postings: 1171 Registriert seit 25.05.2022 |
2024-09-03 16:21:08 Uhr
"Vor 1,5 Wochen live gesehen. Set runter gespielt. Musikalisch ganz gut. Aber nichts außergewöhnlichesIdles zwei Ligen drüber" Beim Hurricane wars noch genau umgekehrt: Fontaines sehr stark, Idles nur ok. |
Gomes21 Postings: 5161 Registriert seit 20.06.2013 |
2024-08-31 20:34:50 Uhr
Idles sind halt ein absolutes Erlebnis live, dafür höre ich sie nicht ansatzweise so gerne auf Platte wie Fontaines |
Francois Postings: 1019 Registriert seit 26.11.2019 |
2024-08-31 19:53:17 Uhr
Vor 1,5 Wochen live gesehen. Set runter gespielt. Musikalisch ganz gut. Aber nichts außergewöhnliches Idles zwei Ligen drüber |
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Referenzen
Protomartyr; Joy Division; Motorama; The KVB; Obits; The Men; Shame; Parquet Courts; Off!; The Jam; Circle Jerks; Interpol; Preoccupations; INVSN; New Order; The Smiths; Soft Play; The Icarus Line; Ought; The Cure; No Age; Blur; Pavement; Jimmy Eat World; Idles; Sleaford Mods; Art Brut; Iceage; The Clash; The Streets; The xx; Jamie T; Ty Segall; Ty Segall Band; The Stooges; Iggy Pop; The Strokes; Built To Spill; Sonic Youth; Editors; Bloc Party; Buzzcocks; Ramones; We Are Scientists; Arctic Monkeys; Kaiser Chiefs; Oasis; The Beatles
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